Schwimmbadplaner Stefan Mersmann tüftelt an dieser Idee schon seit fast zwei Jahren: Die Wärme aus dem zunehmend aufgeheizten Chiemsee für das Erlebnisbad Prienavera zu nutzen. Und zwar mit sogenannter Seethermie. Sie könnte das bisher genutzte Erdgas zum Teil ersetzen und so knapp 100 Tonnen CO2 im Jahr einsparen.
- Zum Artikel: Kommunale Wärmeplanung mit Fluss- und Abwasser
Die Voraussetzungen dafür seien beim Schwimmbad perfekt, sagt Mersmann: "Die Sonne scheint in den See hinein, im Idealfall, erwärmt das Seewasser und wir können diese Wärme über eine Wärmepumpe nutzen." Positiver Nebeneffekt: Der Chiemsee wird damit auch etwas abgekühlt.
Schweiz ist Vorbild bei Seethermie
Obwohl die Technik schon seit Jahrzehnten bekannt ist, hat sie hierzulande bislang kaum Beachtung gefunden. Gaskrise und Klimawandel ändern das gerade: Auch am Ammersee, Starnberger See und Tegernsee etwa denken Gemeinden über Seethermie nach.
Am Bodensee hat die Seethermie eine besondere Dynamik entwickelt, angetrieben durch die Städte und Gemeinden am Schweizer Ufer: Denn die Schweiz nutzt ihre Seen schon länger und heizt damit bereits ganze Stadtteile, etwa in Zürich oder in Zug. Laut einer Studie des Kantons Thurgau könnte Seewärme zehn Prozent der Energie ersetzen, die heute aus Erdgas oder Öl gewonnen wird.
Wärmepumpen nutzen Energie aus dem See
Das Prinzip der Seethermie ist einfach: Seewasser mit mindestens vier bis sechs Grad Celsius gibt in einem Wärmetauscher Wärme an einen zweiten Wasserkreislauf ab und fließt abgekühlt zurück in den See. Das erwärmte Wasser des zweiten Kreislaufs wird von einer Wärmepumpe auf Heiztemperatur gebracht. Die Wärmepumpe braucht dafür zwar Strom, erzeugt aber drei- bis fünfmal so viel Heizwärme damit. Den Strom für die Wärmepumpe soll in Prien eine Photovoltaikanlage liefern.
Im Video: Wie Seethermie funktioniert
Das Erlebnisbad in Prien sei ideal für Seewärme, erklärt Planer Stefan Mersmann: Es brauche das ganze Jahr über Wärme, vor allem im Niedrigtemperaturbereich bis 40 Grad Celsius. Dafür sind Wärmepumpen besonders effizient. Wo höhere Temperaturen nötig sind, soll vorerst weiter Erdgas genutzt werden – genauso wie im Winter.
Muschelbildung und Kälte als Problem für die Rohre
Jedoch stellen im Chiemsee unter anderem die invasiven Zebramuscheln, die sich seit 50 Jahren dort ausbreiten, ein Problem dar. Sie könnten die Rohre der Seethermie-Anlage innerhalb kurzer Zeit komplett zuwuchern, so der Gewässerplaner Stefan Bruns. Für das Prienavera soll das Wasser deshalb das ganze Jahr über dicht am Ufer in nur knapp zwei Metern Tiefe angesaugt und zurückgeleitet werden. Dann können die Rohre unkompliziert von den Muscheln befreit werden.
Der Nachteil: So dicht unter der Oberfläche kann das Wasser im Winter kälter als vier Grad werden. Vier Grad sind aber eine Art Schallgrenze für Wärmepumpen: Wenn beispielsweise drei Grad warmes Wasser im Wärmetauscher nochmal zwei Grad abgibt, kann das in den See zurückfließende Wasser die Anlage vereisen. "Dann müssen wir die Anlage aus Sicherheitsgründen abschalten. Das sind aber voraussichtlich nur wenige Tage im Jahr", so Planer Mersmann.
Auswirkungen auf See müssen geprüft werden
Für Prien steht jetzt noch die wasserrechtliche Genehmigung an. Dabei wird geprüft, ob die Ökologie im See durch die Anlage leiden könnte. Wie verändern sich die Strömungsverhältnisse, wie die Temperatur? Und welche Auswirkungen hat das auf Fische und andere Organismen? Noch orientieren sich die Behörden dabei an den Vorgaben der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB). Allgemeingültige Vorgaben für Bayern seien in Arbeit, so das bayerische Umweltministerium.
Behörden unterstützen klimafreundliche Seenutzung
Grundsätzlich betont Klaus Ruff von der IGKB: "Wir wollen von der Gewässerschutzseite die Seethermie ermöglichen, weil wir glauben, dass sie einfach ein Riesenpotential darstellt. Ein Riesenenergiepotential, das man aus unserer Sicht gut nutzen kann, wenn man bestimmte Randbedingungen einhält." Aus Umweltschutzgründen, aber auch wegen der Wirtschaftlichkeit, seien wenige große Anlagen dabei vielen kleinen vorzuziehen.
Video-Reportage: Wärme aus dem Wasser
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!