Claudia Roth bei Wahlkampf-Auftritt in Augsburg
Bildrechte: picture alliance / kolbert-press | kolbert-press/Burghard Schreyer

Claudia Roth bei Wahlkampf-Auftritt in Augsburg

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Wahlkreisreform zugunsten der Grünen? Das sind die Fakten

Bayern hat einen neuen Wahlkreis: "Memmingen-Unterallgäu". Wurde dabei der Wahlkreis Augsburg-Stadt zugunsten von Claudia Roth beschnitten? Diesen Vorwurf erhebt die Union. Wie kam die Neugestaltung also zustande? Eine Einordnung.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

CDU-Chef Friedrich Merz wählt scharfe Worte: Wahlrecht werde "manipuliert", der Demokratie "Schaden zugefügt". Besonders stößt sich Merz am Wahlkreis Augsburg-Stadt. Da für den neuen bayerischen Wahlkreis "Memmingen-Unterallgäu" die Karten neu gemischt werden, fällt die Gemeinde Königsbrunn aus dem Wahlkreis Augsburg-Stadt heraus.

Was die Union erzürnt: In der Kleinstadt Königsbrunn holt die CSU viele Erststimmen, im Vergleich zum Augsburger Stadtgebiet. Wenn die nun fehlen, könnte das den Grünen helfen, glaubt Merz. Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen solle so "bei der nächsten Bundestagswahl in Augsburg-Stadt ihren Wahlkreis behalten können".

Vorteile für Claudia Roth? So ist die Lage

Was ist dran an den Vorwürfen? Zunächst: Claudia Roth hat nie ein Direktmandat im Wahlkreis Augsburg-Land gewinnen können. Bei der letzten Bundestagswahl gewann Volker Ullrich von der CSU den Wahlkreis mit rund 28 Prozent der Erststimmen. Claudia Roth holte gut 20 Prozent und zog über die Liste in den Bundestag ein. Und Ullrich selbst betont, dass er auch ohne die Stimmen aus Königsbrunn den Wahlkreis gewonnen hätte.

Das heißt aber nicht, dass Ullrich den Neu-Zuschnitt seines Wahlkreises gut findet. Im Gegenteil. Er beklagt, dass es eine "reine Ampel-Idee" war, Königsbrunn herauszuschneiden. Man erkenne die Absichten der Ampel, so Ullrich: "Und die haben wenig mit einer fachlichen und rechtlichen Notwendigkeit zu tun."

Warum überhaupt ein neuer Wahlkreis

Damit stellt sich die Frage, warum es zur Neugestaltung der schwäbischen Wahlkreise kommt. Der eine Grund: Da die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt abnimmt und in Bayern zunimmt, erhält Bayern einen Wahlkreis mehr, Sachsen-Anhalt verliert einen. Der andere Grund: Wahlkreise sollen im Schnitt 240.000 Einwohner haben. Liegt in einem Wahlkreis die Einwohnerzahl 25 Prozent über diesem Mittelwert, muss die Politik aktiv werden.

Dies war in Bayern nur bei zwei Wahlkreisen der Fall, beide in Schwaben: im Wahlkreis Augsburg-Land (25,8 Prozent über dem Schnitt) und im Wahlkreis Ostallgäu (+25,6 Prozent), so das Büro der Bundeswahlleiterin. Das seien Gründe, warum der neue Wahlkreis in Schwaben geschaffen wurde.

Warum eine Kleinstadt die Union in Rage versetzt

Daran hat die Union zunächst nichts auszusetzen, auch wenn sie einen neuen Wahlkreis in München favorisiert hätte. Merz und Ullrich stören sich aber daran, dass Königsbrunn dem Wahlkreis Augsburg-Stadt weggenommen wurde - Stichwort Claudia Roth und ihre Wahlchancen. Woher kommt also die Idee mit Königsbrunn? Davon sei bei der zuständigen Wahlkreiskommission nie die Rede gewesen, sagt Volker Ullrich.

Nachfrage im Büro von Ruth Brand, der Bundeswahlleiterin, die der Wahlkreiskommission vorsteht. Von dort heißt es bezüglich Ullrichs Vorwurf, das die Bundeswahlleiterin in der Tat keinen eigenen Entwurf für die Wahlkreiseinteilung in Bayern erstellt habe. Allerdings seien aufgrund von "Prüfbitten aus dem parlamentarischen Raum zahlreiche Varianten für eine mögliche Wahlkreiseinteilung in Bayern aufbereitet und den Damen und Herren Abgeordneten präsentiert" worden.

Bei den Varianten der Wahlkreiskommission habe es nur eine Variante gegeben, bei der Königsbrunn beim Wahlkreis Augsburg-Stadt verblieben wäre. Bei allen anderen Varianten wäre die Kleinstadt - so wie nun vom Bundestag beschlossen - an den Wahlkreis Augsburg-Land gefallen. Dies widerspricht der Aussage, wonach Königsbrunn nie ein Thema gewesen sei.

Ideen stammen von Ampel-Abgeordneten

Zutreffend sei die Kritik des CSU-Politikers Alexander Hoffmann, wonach die diskutierten Varianten auf Ideen von Ampel-Abgeordneten zurückgehen, so der Sprecher der Bundeswahlleiterin: "In der Mehrzahl der Fälle wurden die Varianten aufgrund von Prüfbitten von Abgeordneten der Fraktionen der SPD und der FDP erarbeitet. In einigen Fällen ist uns die ursprüngliche Herkunft der Prüfbitten nicht bekannt."

Wie ist der Fall nun zu bewerten? Wahlkreiszuschnitte könnten nie zu 100 Prozent politisch neutral sein, sagt der Wahlrechtsexperte Prof. Eric Linhart. Wichtig sei, dass es vergleichsweise objektive Kriterien gebe, an denen sich Wahlkreiszuschnitte orientieren, zum Beispiel an Grenzen von Landkreisen und kreisfreier Städte: "Das ist hier der Fall: Aktuell besteht der Wahlkreis Augsburg-Stadt aus der kreisfreien Stadt Augsburg sowie der Stadt Königsbrunn aus dem Landkreis Augsburg. Mit der Abtrennung der Stadt Königsbrunn erfolgt also eine Angleichung an administrative Grenzen."

"Merz spielt das gleiche Spiel wie die Populisten"

Den von Friedrich Merz geäußerten Vorwurf der Manipulation hält Linhart "für hoch problematisch". Demokratie benötige Vertrauen in politische Institutionen. "Nicht ohne Grund sind es Populisten und andere Feinde der Demokratie, die permanent versuchen, Vertrauen in zentrale demokratische Prozesse und Institutionen wie Gerichte, öffentlich-rechtliche Medien und Wahlen mit meist absurden Vorwürfen zu zerstören. Genau in diese Kerbe schlägt Merz." Er spiele damit das gleiche Spiel "wie die Populisten und erweist den Verteidigern der Demokratie einen Bärendienst. Dies gilt um so mehr, als der Vorwurf inhaltlich kaum haltbar ist."

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!