Bei der nächsten Bundestagswahl werden in Königsbrunn wohl keine Wahlplakate von Volker Ullrich mehr hängen. Nachdem die Wahlkreisreform den Bundestag passiert hat, gehört die Kleinstadt im Süden von Augsburg nicht mehr zum Wahlkreis Augsburg-Stadt, in dem CSU-Politiker Ullrich das Direktmandat gewann. Weil für den neuen Wahlkreis Memmingen-Unterallgäu umstrukturiert werden muss, fällt Königsbrunn künftig in den Wahlkreis Augsburg-Land.
Zunächst: Der neue Wahlkreis wurde geschaffen, um auf die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zu reagieren. Da in Sachsen-Anhalt die Bevölkerung schrumpft und in Bayern wächst, verliert Sachsen-Anhalt einen Wahlkreis und Bayern bekommt einen hinzu. So soll die Gleichheit der Stimmen gewahrt werden. So weit, so gut, sagt auch CSU-Politiker Ullrich.
CSU-Politiker: "Der Freistaat hätte beteiligt werden sollen"
Doch dass die 27.000-Einwohner Gemeinde künftig nicht mehr zu seinem Bezirk gehört, ärgert den Politiker. Die Änderung geschehe "ohne Notwendigkeit". Zudem gebe es rechtliche Bedenken, da Wahlkreise so bleiben sollten, wie sie sind. "Und nach den Regeln unserer Staatspraxis hätte auch der Freistaat Bayern zwingend beteiligt werden sollen, was auch unterblieben ist", so Ullrich weiter. Die Union könne die Pläne der Ampel-Koalition nur mit "Kopfschütteln und Ablehnung" kommentieren.
Ein Wahlkreis nur für Claudia Roth?
Dass hinter dem Ärger der CSU mehr steckt als rechtliche Bedenken, legen Äußerungen von Friedrich Merz nahe. Der CDU-Parteichef hatte davon gesprochen, dass "Wahlrecht manipuliert" werde. Der Neuzuschnitt solle dafür sorgen, dass der Wahlkreis Augsburg-Stadt "nicht zu viele CSU-Wähler hat", so Merz. Was der CDU-Chef offenbar befürchtet: Durch den Wegfall der Kleinstadt mit vergleichsweise vielen CSU-Wählern könnten die Augsburger Stadtteile mit mehr Grünen-Sympathisanten mehr Gewicht bekommen. So solle dafür gesorgt werden, dass Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen "bei der nächsten Bundestagswahl in Augsburg-Stadt ihren Wahlkreis behalten kann", so Merz weiter.
SPD: "Merz schadet der Demokratie"
Zumindest Letzteres kann nicht stimmen. Denn auch wenn Claudia Roth in Augsburg beliebt ist – ein Direktmandat konnte sie noch nie gewinnen. Bei der letzten Bundestagswahl erzielte sie rund 20 Prozent der Erststimmen, Volker Ullrich holte gut 28 Prozent. Roth zog über die Landesliste ihrer Partei in den Bundestag ein. Zwar bekam Ullrich in Königsbrunn deutlich mehr Erststimmen als in der Stadt Augsburg. Da Königsbrunn im Vergleich zu Augsburg aber nur vergleichsweise wenig Stimmberechtigte hat, fallen die Stimmen aus der Kleinstadt beim Endergebnis nicht sonderlich ins Gewicht.
"Merz schadet mit seinem unverantwortlichen Halbwissen der Glaubwürdigkeit unserer Demokratie, wenn er fälschlicherweise von Wahlrechtsmanipulation spricht", sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese.
Dass Ullrichs Kritik am neuen Wahlkreis der Sorge um seine Wiederwahl geschuldet ist, weist der CSU-Politiker selbst zurück: "Bereits bei der letzten Bundestagswahl hätte die CSU auch ohne Königsbrunn das Direktmandat gewonnen." Man erkenne aber die Absichten der Ampel, so Ullrich: "Und die haben wenig mit einer fachlichen und rechtlichen Notwendigkeit zu tun." Die unabhängige Wahlkreiskommission habe zum Thema Königsbrunn nichts gesagt. "Das war überhaupt kein Thema, das war eine reine Ampel-Überlegung", so Ullrich.
München oder Augsburg?
Der BR hat auch Claudia Roth für ein Gespräch zur Wahlkreisreform angefragt. Ihr Büro verweist auf den Wahlrechtsexperten der Grünen, Till Steffen. Und der widerspricht Ullrich. Der Vorschlag zur Neugestaltung der Wahlkreise in der Region fuße auf dem Vorschlag der unabhängigen Wahlkreiskommission. "Wir haben dazu auch CDU/CSU und die Linke zu Gesprächen eingeladen. Eine ganze Reihe von Varianten wurde diskutiert, auch Vorschläge der Abgeordneten von vor Ort. Wir wären als Koalition bereit gewesen, es auch etwas anders auszugestalten."
Auch laut Ullrich habe es Gespräche mit der Ampel-Koalition über einen Kompromiss-Vorschlag gegeben: "Wir waren auf einem guten Weg. Aber die Ampel hat sich dafür entschieden, dem gemeinsamen Vorschlag nicht zu folgen. Ein Eingehen auf unsere Vorschläge war offenkundig weder gewünscht, noch beabsichtigt."
Steffen hat eine gänzlich andere Sicht: Die CSU habe ausgerichtet, dass sie "gar keiner Änderung" in dem Bereich zustimme. Stattdessen habe die CSU Änderungen in München vorgeschlagen. "Aber der Ausgangspunkt war ja - und das ist auch vollkommen richtig - dass man dort ansetzt, wo die Wahlkreise bereits am größten sind. Und das ist nun mal in der Region zwischen Augsburg und Neu-Ulm der Fall. Und eben nicht in München", so Steffen weiter.
Anm. d. Redaktion: Im Artikel hieß es zunächst, dass Königsbrunn an den neuen Wahlkreis Memmingen-Unterallgäu fällt. Die Stadt fällt im Zuge der Umstrukturierung aber an den Wahlkreis Augsburg-Land.
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