Wenn Margarete Heinrichs um 7.30 Uhr ihren Dienst beginnt, weiß sie meist nicht, wann sie Feierabend hat. Eigentlich muss die Fachärztin für Kardiologie und Innere Medizin nur bis 16.30 Uhr in der Klinik bleiben – aber das ist selten der Fall. Aktuell arbeitet sie in der Zentralen Notaufnahme des Würzburger Universitätsklinikums. "Wenn da am Nachmittag mehrere Patienten gleichzeitig ankommen und versorgt werden müssen, kann ich nicht einfach gehen", sagt sie. Im nächsten Moment klingelt wieder eines ihrer beiden Telefone.
Heinrichs liebt ihren Beruf – trotz der Verantwortung und Unplanbarkeit. "Ich glaube es ist wichtig, den Job mit Leidenschaft zu machen. Es geht ja schließlich um Menschen." Und genau deshalb brauche es für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen möglichst gute Arbeitsbedingungen, sagt sie. Damit die Menschen, die in die Uniklinik zur Behandlung kommen, optimal versorgt werden können. Deshalb streikt sie: "Weil letztlich unsere Patienten davon profitieren."
Streiken für bessere Arbeitsbedingungen
So wie Margarete Heinrichs streiken am Dienstag viele Ärztinnen und Ärzte der Unikliniken für bessere Arbeitsbedingungen, auch an den sieben bayerischen Standorten: in München an der LMU, der TU und am Deutschen Herzzentrum, außerdem an den Unikliniken Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg.
Die Medizinerinnen und Mediziner befürchten, dass die Qualität der Patientenversorgung, der Forschung und Lehre an Unikliniken sinkt, weil immer mehr Fachkräfte abwandern.
Gewerkschaft rechnet bayernweit mit 2.000 Streikenden
Nach zwei ergebnislosen Tarifrunden hat die Ärztegewerkschaft Marburger Bund die deutschlandweit 20.000 Ärztinnen und Ärzte an den 23 Unikliniken zum Warnstreik aufgerufen. Die Gewerkschaft und die Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL) als Arbeitgeberverband konnten sich noch nicht auf einen neuen Tarifvertrag einigen.
Der Marburger Bund fordert 12,5 Prozent mehr Gehalt bezogen auf ein Jahr sowie höhere Zuschläge für Regelarbeit in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen. Die geforderte lineare Erhöhung begründete der Marburger Bund mit der Inflation und dem Ziel, den Gehaltsabstand zu anderen Krankenhausträgern aufzuholen.
Gehaltsunterschiede zwischen den Krankenhausträgern
"Wir wollen so gesehen keine Lohnsteigerung, sondern nur die Lücke schließen", betont Christoph Eißler, Assistenzarzt an der Würzburger Uniklinik und Mitglied im Landesvorstand des Marburger Bund Bayern. "Wir haben über die ganze Ärzteschaft gemittelt inflationsbedingt einen Reallohnverlust von 14 Prozent seit Beginn der Coronapandemie."
Ein Beispiel: Ein Assistenzarzt im dritten Ausbildungsjahr erhält an einer kommunalen Klinik 32,08 Euro brutto – an der Uniklinik bekäme er nur 30,67 Euro. "Natürlich ist der Unterschied nur gering, aber es wird dieselbe Arbeit geleistet, teilweise auch mehr, weil wir als Uniklinik die Patientenversorgung 24/7 vorhalten müssen." Mit "mehr" meint Eißler etwa, dass Unikliniken außerdem Forschung und Lehre betreiben müssen.
Notfallversorgung an Unikliniken ist sichergestellt
Ein Ungleichgewicht mit Folgen: Langfristig sei das Prädikat "Spitzenmedizin" nicht mehr zu halten, meint Eißler. Denn je länger der Lohnunterschied so groß bleibe, desto mehr gutes Personal wandere ab: an andere Krankenhausträger, in andere Länder oder in den öffentlichen Dienst.
Die Verhandlungsführerin der TdL Monika Heinold nimmt dazu auf Anfrage von BR24 Stellung: "Es bleibt dabei, dass sich unsere Wertschätzung für die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken auch in Geld ausdrücken soll." Am 22. und 23. Februar 2024 werden die Verhandlungen zwischen dem Marburger Bund und der TdL fortgesetzt.
Die Gewerkschaft hat mit den Unikliniken Notdienstvereinbarungen getroffen, sodass die Notfallversorgung während des Streiks sichergestellt ist. Zudem regelt die Vereinbarung, dass die dringliche Behandlung von Tumor- und Dialysepatienten von den Streikmaßnahmen ausgenommen ist.
Würzburger Ärztin: "Patienten profitieren langfristig vom Streik"
Damit der Druck auf die TdL wächst, hofft Heinrichs, dass sich möglichst viele Medizinerinnen und Mediziner am Streik beteiligen. Vor allem, weil sich gerade diese Berufsgruppe zu selten mit den eigenen Arbeitsbedingungen auseinandersetze, sagt sie. Im stressigen Arbeitsalltag bleibe oft keine Zeit dafür: "Man macht halt immer mit und weiter und hält selten inne und fragt sich, was vielleicht Probleme sind, die adressiert werden sollten."
Im Video: Warnstreik an Unikliniken
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