Zu sehen sind Hände, die Stimmzettel auszählen.
Bildrechte: BR/Katrin Nöbauer
Videobeitrag

Um kurz nach 20 Uhr stand das vorläufige Ergebnis fest: Die Mehringer sind gegen das geplante Windkraftprojekt im Staatsforst von Altötting.

Videobeitrag
>

Bürger in Mehring stimmen gegen größtes Windkraftprojekt Bayerns

Bürger in Mehring stimmen gegen größtes Windkraftprojekt Bayerns

Die Bürger in Mehring haben in einem Bürgerbegehren gegen die geplanten Windräder auf ihrem Gemeindegebiet gestimmt. Das könnte Folgen für das gesamte Projekt haben – vorausgesetzt, Politik und Projektverantwortliche berücksichtigen das Wahlergebnis.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Die Mehringer haben entschieden: Eine Mehrheit hat gegen das geplante Windkraftprojekt gestimmt. Von 1.946 stimmberechtigten Bürgern haben 1.424 Personen abgestimmt, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 75 Prozent. Der Ratsentscheid wurde mit 876 zu 525 Stimmen abgelehnt, hier waren die Bürger gefragt, ob sie Planung und Bau der Windkraftanlagen unterstützen. Beim Bürgerentscheid, ob die Gemeinde alles tun soll, um die Windkraftanlagen zu verhindern, stimmten 928 Wahlberechtigte mit Ja und 454 mit Nein. Es handelt sich hierbei um das vorläufige Ergebnis, das amtliche soll am Montag um 16 Uhr verkündet werden.

Im Staatsforst im Landkreis Altötting, auch auf Mehringer Gemeindegebiet, soll ein Windpark mit 40 Windrädern entstehen – laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das größte Onshore-Windprojekt im Freistaat. Politik und Industrie unterstützen das Projekt mitten im Bayerischen Chemiedreieck, die Bürgerinitiative (BI) Gegenwind Altötting möchte es verhindern.

Bürgermeister von Mehring: Entscheidung "muss man so akzeptieren"

Bei den Anwohnern löste der Wahlausgang Erleichterung aus. Anwohnerin Christine Maier berichtet, dass sie Nächte lang nicht mehr schlafen konnte. "Es geht darum, dass man sich den Plänen ohnmächtig ausgesetzt gefühlt hat", sagt Maier. Ähnlich sieht das Anwohnerin Kornelia Piechotka: "Ich bin einfach erleichtert, dass es so ausgegangen ist und ich möchte mich bei allen Bürgern bedanken, dass sie so zahlreich zur Wahl gegangen sind."

Robert Buchner (FW), erster Bürgermeister von Mehring, zeigt sich hingegen enttäuscht. "Wir haben versucht, den Menschen zu erklären, warum der Windpark wichtig ist für unsere Region. Die Mehrheit sieht es anders, damit muss man umgehen können und das akzeptieren", so Buchner. Spätestens im März wolle er einen Antrag stellen, dass der Grundsatzbeschluss vom letzten Jahr aufgehoben wird. "Im Genehmigungsverfahren müssen wir unsere Zustimmung verweigern, weil der Bürgerwille eindeutig ist", so Buchner. Die Abstimmung der Mehringer ist aber nicht bindend. Die endgültige Entscheidung dafür liegt bei der Politik.

Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf das größte Windkraftprojekt in Bayern?

Mit diesem Wahlergebnis gegen das Windkraftprojekt könnte das Mehringer Gemeindegebiet und damit rund zehn Windräder, also etwa ein Viertel, aus der Planung herausfallen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagte in der BR-Sendung "quer", die den Minister bei einem Ortsbesuch in Mehring am 17. Januar interviewt hatte, dass er die Entscheidung der Mehringer berücksichtigen wolle. Die Bayerischen Staatsforsten teilten dem BR-Studio Mühldorf mit, dass das Gesamtprojekt auf jeden Fall umgesetzt werden soll – unabhängig von der Wahlentscheidung der Mehringer.

Die Bürgerinitiative "Gegenwind Altötting" hatte letztes Jahr ein Bürgerbegehren gegen den geplanten Windpark initiiert. Der Mehringer Gemeinderat, der vor rund einem Jahr einen Grundsatzbeschluss für den Windpark getroffen hat, setzte dem Bürgerbegehren ein Ratsbegehren entgegen, das sich für den Windpark starkmacht. Damit es bei der Abstimmung nicht zu Verwechslungen kommt, mussten alle Stimmberechtigten zur Sicherheit noch eine Stichfrage beantworten, nämlich ob sie für das Rats- oder das Bürgerbegehren sind.

Saubere Energie vs. ungestörte Natur: Die Argumente

Der Gemeinderat argumentierte in seinem Ratsbegehren, dass Mehring wegen des Klimawandels einen Beitrag zu nachhaltiger Energieversorgung leisten und Arbeitsplätze in der Region sichern solle.

Die Bürgerinitiative begründete ihr Bürgerbegehren dagegen damit, dass Windräder im Wald ein gravierender Eingriff in die Natur und die Artenvielfalt wären, der erzeugte Strom nur wenige Prozent des Strombedarfs im Landkreis decken könnte und nicht immer zur Verfügung stünde, Windkraftanlagen viele Ressourcen verbrauchen, die Austrocknung der Umgebung unterstützen und – ihrer Meinung nach – das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigen würden.

Dass Windräder das Klima in der unmittelbaren Umgebung verändern, und somit Dürren auslösen, lässt sich durch Studien jedoch nicht belegen.

Wind weht schwach, aber Windenergie wäre trotzdem rentabel

Die Initiative "Gegenwind Altötting", die den Bürgerentscheid zum geplanten Windpark im Chemiedreieck initiiert hat, argumentiert indes, die Gegend sei für Windkraft nicht geeignet. "Wir sind ein ausgewiesenes Schwachwindgebiet", sagte ein Sprecher.

Nach dem bayerischen Windatlas ist das zwar korrekt. Allerdings ist die sogenannte Standortgüte für Windräder nach Ansicht des Windkraftverbands BWE Bayern im Chemiedreieck trotzdem durchaus ausreichend, um Windräder rentabel zu betreiben. Auch die Firma Qair, die den Windpark umsetzen will, bezeichnete die Windräder als rentabel, und zwar, weil die Windräder besonders hoch und die Rotoren größer seien als früher.

Windenergie wichtig für das Chemiedreieck?

Bei den Diskussionen um das Windkraftprojekt spielt das Chemiedreieck eine besonders große Rolle: Die Unternehmen in der Region verschlingen nämlich rund acht Prozent des gesamten bayerischen Stromverbrauchs. Gleichzeitig stehen Firmen wie Wacker Chemie in der Region insgesamt für Zehntausende Arbeitsplätze.

Immerhin ein Zehntel des nötigen Industriestroms im Chemiedreieck könnte aus dem geplanten großen Windpark kommen, heißt es. Die Firmen des Chemiedreiecks hatten sich in der Vergangenheit deswegen für die Energiezufuhr durch Windräder ausgesprochen.

Mehringer Bürgerinitiative könnte über Ortsgrenzen hinaus wirken

Das Mehringer Anti-Windkraft-Bürgerbegehren ist das erste dieser Art im Kreis Altötting, die Bürgerinitiative sammelt aber auch in anderen Gemeinden entsprechende Unterschriften, etwa in Haiming. Laut dem dortigen Bürgermeister Wolfgang Beier (CSU) wurden diese jedoch noch nicht bei der Gemeinde eingereicht. In Marktl am Inn erklärte der Gemeinderat ein Bürgerbegehren für rechtlich unzulässig wegen einer missverständlichen Formulierung. Stattdessen bot Bürgermeister Benedikt Dittmann (CSU) der Initiative an, gemeinsam ein Ratsbegehren gegen den Windpark zu entwickeln. Über das könnten die Menschen in Marktl etwa zusammen mit der Europawahl abstimmen.

Ob es dazu kommt, ist jedoch noch nicht sicher, denn noch laufen laut Dittmann die Absprachen mit der Bürgerinitiative. Dittmann denkt, dass ein Bürgerentscheid in Marktl nur wenig Konsequenzen hätte, trotzdem wolle er dieses demokratische Mittel anbieten – immerhin hätten rund 30 Prozent der Wahlberechtigten gegen den Windpark unterschrieben. Der Mehringer Bürgermeister Robert Buchner sieht durchaus die Möglichkeit eines "Domino-Effekts", dass die Initiative bei einem Erfolg in Mehring auch noch in weiteren Gemeinden Bürgerbegehren anstößt. Die Bürgermeister von Marktl und Haiming denken nicht, dass die Mehringer Entscheidung am Sonntag Auswirkungen auf ihre eigenen Kommunen haben werde.

Wegfall von Windrädern wäre "große Einschränkung"

Die Bayerischen Staatsforsten haben die französisch-deutsche Firma Qair Deutschland mit Planung, Umsetzung und Betrieb des Windparks beauftragt. Wo genau die einzelnen Anlagen tatsächlich hinkommen, entscheidet sich allerdings erst nach dem Genehmigungsverfahren nach Bundesemissionsschutzgesetz.

Voraussichtlich zum Jahreswechsel will Qair Deutschland die Unterlagen zur Genehmigung einreichen. Der Wegfall von zehn Windrädern wäre eine große Einschränkung, meint die Geschäftsführerin von Qair, Heike von der Hayden.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!