Die Kletterroute "Mamma li Turchi" bei Tessari ist beliebt in der Szene, wie überhaupt die Berge um den Gardasee. Dort tummeln sich Einheimische, Urlauber und spontane Wochenend-Ausflügler, darunter auch viele aus Bayern.
Riesiger Andrang von Kletterern und Touristen in kleinen Orten
Schon in den 1970er-Jahren kamen die Kletterer in die Region, vor rund drei Jahren hat ein regelrechter Boom eingesetzt. Kurz vorher waren etliche Routen veröffentlicht worden. Mittlerweile sind es Hunderte, allein im Umkreis des kleinen Ortes Tessari. Entsprechend groß ist der Andrang auf den Fels.
Vermutlich waren es örtliche Kletterer, die dem Treiben nicht mehr länger zuschauen wollten. Vor Kurzem kappte eine Gruppe, die sich selbst "Revolutionäre Einheimischenzelle" (nucleo abitanti rivolutionari) nennt, einige Bohrhaken in der Kletterroute und hinterließ vor Ort eine Art Bekennerschreiben. Darin beschwert sich die Gruppe über den überbordenden Tourismus rund um Tessari. Am Fels hinterließ sie die Forderung: "Climbers go home". Sie kündigten weitere ähnliche Aktionen an.
Vivian Pontarin kann den Ärger verstehen. Sie organisiert für die italienische Agentur "X-Adventure" Klettertouren in das Gebiet. Aus ihrer Sicht liegt das Hauptproblem darin, dass der Zugang zu den Kletterwänden häufig über private Flächen führt. Vor allem an Wochenenden beobachtet sie eine regelrechte "Invasion von Kletterern". Wenn diese ihre Autos in den Weinbergen und auf Privatgrundstücken parken, behindern sie die Arbeit der Landwirte. Anwohner ärgern sich über Müll und andere HInterlassenschaften.
Der Ärger war absehbar
Mit etwas mehr Rücksicht der Kletter-Community wäre vieles vermeidbar gewesen, sagt nicht nur Vivian Pontarin. Auch Stefan Heiligensetzer ist davon überzeugt. Er engagiert sich in der Interessensgemeinschaft IG Klettern Allgäu und moderiert zwischen Anwohnern, Gemeinden und Kletterern. Sprachlos macht ihn, dass am Gardasee Kletterer ihre eigenen Routen zerstören. Aber "wenn der Leidensdruck entsprechend hoch ist, dann kann sowas passieren".
Probleme sollen im Allgäu gar nicht erst entstehen
Im Allgäu suchen er und die IG Klettern deshalb möglichst früh den Kontakt mit den Anwohnern. Manchmal entstehen die Schwierigkeiten auch erst im Lauf der Zeit, eben weil die Route plötzlich sehr beliebt wird. So geschehen im benachbarten Kleinwalsertal, auch dort betreut die IG Routen. Da habe man "mit einem Grundstücksbesitzer eine Einigung finden müssen, weil in Österreich kann er uns wirklich rauswerfen. Jetzt gilt: Die Routen werden nicht mehr veröffentlicht, aber es kann weiter geklettert werden."
Damit der Trubel sich in Grenzen hält, ist von den vielen tausend Routen im Allgäu nur ein gewisser Teil im Internet veröffentlicht. Die IG Klettern Allgäu ist aktiv dahinter, diese Praxis beizubehalten und bittet auf Schildern vor Ort die Community, keine genaueren Angaben zu den jeweiligen Routen zu posten. Bislang halten sich alle daran, lobt Heiligensetzer und empfiehlt entsprechende Appelle auch für den Gardasee. Die Routen sollten möglichst aus Online-Plattformen verschwinden und in neuen Kletterführern nicht mehr auftauchen.
Eine Lösung finden geht nur gemeinsam
Vivian Pontarin achtet bei Kletterkursen in der Region um Tessari auf eine "leave no trace"-Philosophie. Dabei achtet die Gruppe bewusst darauf, den Ort möglichst sauberer zu hinterlassen, als er vorgefunden wurde. Mehr Parkmöglichkeiten und öffentliche Toiletten könnten aus ihrer Sicht helfen, die Situation zu verbessern. Stefan Heiligensetzer von der IG Klettern merkt noch an: Auch Kletterer haben Hunger und kehren nach dem Sport gerne ein. Eine Möglichkeit für die Orte, die Kosten gegenzufinanzieren.
"Dazu muss man aber miteinander reden. Das ist doch erstmal das Wichtigste." Das ist der Schlüssel für den Frieden im Allgäu, sagt Stefan Heiligensetzer.
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