Rund 700.000 Besucher kommen jährlich in das sogenannte Weihnachtsdorf von Käthe Wohlfahrt in Rothenburg ob der Tauber. Hier werden sie zu jeder Jahreszeit in ein Weihnachtsmärchen versetzt, mit Tausenden glänzenden Kugeln, Glöckchen, viel Tannengrün, Kunstschnee und Lichterketten. Mittelpunkt des einem fränkischen Marktplatz nachempfunden Dorfes ist ein fünf Meter hoher Christbaum. Der Laden wurde immer wieder erweitert, erzählt Harald Wohlfahrt. Doch angefangen hat alles ganz klein mit einer hölzernen Spieldose.
"Betteln und hausieren verboten" - Wilhelm Wohlfahrt wird verhaftet
In den 60er Jahren hatten die Wohlfahrts in der Weihnachtszeit eine amerikanische Offiziersfamilie zu Besuch. Diese begeisterte sich für eine Holz-Spieldose, die Wilhelm und Käthe Wohlfahrt trotz ihrer Flucht aus dem Erzgebirge mitgenommen hatten. Sein Vater wollte den amerikanischen Freunden unbedingt auch so eine Spieldose schenken, erzählt der Sohn des Firmengründers Harald Wohlfahrt: "Er ist dann fündig geworden bei einem Großhändler, aber er musste 10 Spieldosen abnehmen. Eine hat er verschenkt, aber wohin mit den anderen neun Dosen? Er hat versucht, diese in einer Militärsiedlung der Amerikaner zu verkaufen. Doch da kam die Militärpolizei und hat gesagt: 'betteln und hausieren' verboten und hat ihn mitgenommen auf die Wache."
Von Basaren zum ersten Laden
Zufällig begegnete Wilhelm Wohlfahrt auf der Wache einer Offiziersfrau, diese sagte, er soll die Spieldosen auf ihren Wohltätigkeitsbasaren verkaufen. So kam es, dass Wilhelm Wohlfahrt begann auf Basaren Weihnachtsartikel aus dem Erzgebirge zu verkaufen. Das lief so gut, dass er schon bald einen eigenen Laden eröffnen konnte, den er nach seiner Frau Käthe benannte. Weil in Herrenberg bei Stuttgart kein geeignetes Grundstück zu bekommen war, landete die Familie in Rothenburg ob der Tauber. Auch Sohn Harald musste bald, als der Vater krank wurde, ins Geschäft mit einsteigen und machte aus dem kleinen Laden ein internationales Unternehmen.
Harte Coronazeit - Insolvenz abgewendet
Doch das Familienunternehmen musste immer wieder auch Krisen überstehen. Bereits im ersten Golfkrieg brach der Umsatz um 30 Prozent ein. Im ersten Corona-Jahr 2020 gab es dann Umsatzrückgänge um bis zu 80 Prozent, weil alle Weihnachtsmärkte und Geschäfte geschlossen blieben. Das Unternehmen beantragte ein sogenannte Schutzschirmverfahren und konnte die Insolvenz abwenden. Allerdings wurde die Zahl der Läden weltweit von mehr als 20 auf 12 reduziert. Heute gibt es noch Geschäfte unter anderem in den USA und Barcelona. Auch auf Weihnachtsmärkten weltweit ist Käthe Wohlfahrt vertreten.
Dritte Generation übernimmt
Inzwischen haben alle drei Kinder von Harald und Fumiko Wohlfahrt Verantwortung im Unternehmen übernommen. Sie setzen auch auf neue Trends beispielsweise Lizenz-Produkte, wie Glasfiguren in Form der Mainzelmännchen oder Prinzessin Lillifee. Denn es gäbe immer mehr Familien, die für ihre Kinder in deren Zimmer einen zweiten Baum schmücken. Doch die meisten Menschen suchen bei ihnen ganz traditionellen Weihnachtsschmuck. Juniorchefin Aska Wohlfahrt, die für den Einkauf zuständig ist, erklärt: "Wir versuchen das Unternehmen ganz im Sinne unserer Großeltern und Eltern weiterzuführen, an einigen Stellen vielleicht mit einem neuem Drive. Aber die meisten Kunden suchen bei uns nach klassischem Weihnachtsschmuck in rot und gold. Die weihnachtlichen Traditionen sollen nicht verloren gehen, das ist uns ganz wichtig.“
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