Zwei Männer sitzen an einem Schreibtisch und schauen ein Prospekt an.
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Marc Terian hat für einen Tag mit Rothenburgs Oberbürgermeister Markus Naser (links) den Job getauscht.

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Behinderter und Bürgermeister tauschen Job für einen Tag

Behinderter und Bürgermeister tauschen Job für einen Tag

Ein Mitarbeiter der Diakoneo Werkstätten und der Oberbürgermeister von Rothenburg ob der Tauber haben für einen Tag den Job getauscht. Im Rahmen der bundesweiten Aktion "Schichtwechsel" bekamen sie so einen Eindruck, was der jeweils andere leistet.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Es ist ein ganz besonderer Arbeitstag für Marc Terian und den Oberbürgermeister von Rothenburg ob der Tauber, Markus Naser (FRV). Die beiden tauschen für einen Tag ihren Job. Terian hat von Geburt an eine geistige Behinderung. Doch das hindert den 25-Jährigen nicht, selbstbewusst den Chefsessel im Rothenburger Rathaus zu übernehmen. Er hat auch gleich ein Anliegen mitgebracht, das er umgesetzt sehen will: Schmierereien in Rothenburg sollen beseitigt werden. Später am Tag wird er Naser dann an seinem Arbeitsplatz in der Diakoneo Werkstatt einspannen.

"Schichtwechsel" soll neue Perspektiven ermöglichen

Der Jobtausch findet im Rahmen des bundesweiten Aktionstages "Schichtwechsel" statt. Der Tag soll laut der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen mit Klischees aufräumen und Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ermöglichen, die sonst in ihrem Arbeitsalltag nur selten zusammenkommen. "Vielen ist gar nicht bewusst, wie viel in den Werkstätten geleistet wird und dass auch manche Menschen mit Behinderung durchaus auf dem ersten Arbeitsmarkt bestehen können", sagt Willi Ulm, Leiter der Diakoneo Werkstatt in Rothenburg.

Stressiger Job im Rathaus

Marc Terian nimmt heute also auf dem Stuhl des Bürgermeisters Platz. Dieser zeigt ihm, was alles anliegt: Dienstreisen genehmigen, Motive für eine Rothenburg Tasse auswählen, Sitzungen leiten, sich mit Mitarbeitern über eine anstehende Veranstaltung abstimmen. Der Terminkalender ist voll. Terian bringt sich bei allem ein: Wer den Dienstwagen benutzt, soll ihn sauber wiederbringen, meint er. Bei den Motiven für die Tasse hat er auch eine klare Meinung, welche ausgewählt werden sollen, denn er kennt sich sehr gut aus in seiner Heimatstadt.

Bürgermeister ist beeindruckt

Deshalb hat Terian auch selbst ein dringendes Anliegen mitgebracht: An der historischen Stadtmauer hat er Schmierereien entdeckt. "Das geht gar nicht", findet er und führt den Bürgermeister zu der Stelle. Sie machen Fotos und informieren den Bauhof, der sich um die Entfernung kümmern soll. Bürgermeister Naser ist beeindruckt von seinem Vertreter für einen Tag: "Der Marc hat tolle Ideen und das Herz am rechten Fleck, der macht hier wirklich meinen Job eins zu eins, das fällt gar nicht groß auf."

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Bürgermeister Naser und Marc Terian bei der Essensausgabe in der Diakoneo Werkstatt.

Bürgermeister als Hauswirtschafter

Dann müssen sich die beiden beeilen, denn Marc Terians Arbeitsplatz ist der Bereich Hauswirtschaft in den Rothenburger Werkstätten. Zur Mittagszeit steht hier die Essensausgabe an. Der 25-Jährige achtet dabei genau auf die Hygiene-Vorschriften und stattet den Bürgermeister erstmal mit Haube, Überziehschuhen und weißer Kleidung aus.

Dann geben die zwei rund 70 Essen an die Mitarbeitenden der Werkstätten aus. Anschließend müssen sie das Geschirr mit einer Industriemaschine spülen – alles neue Aufgaben für den Oberbürgermeister Naser: "Ich arbeite ja sonst eher weniger mit meinen Händen, aber das ist eine schöne Abwechslung, mal ganz was anderes."

Verständnis füreinander fördern

Terian ist auch sehr zufrieden mit der Arbeit des Bürgermeisters: "Macht er perfekt – mein Praktikant!" Dann zeigt er ihm noch, wie sie in der Werkstatt Tassen bedrucken, als Marketingartikel für große Kunden. Für welche namhaften Firmen hier Waren produziert oder verpackt werden, beeindruckt den Bürgermeister ein weiteres Mal.

Für beide war der Tag sehr spannend, so ihr Fazit. Werkstattleiter Ulm erklärt, dass Menschen mit Behinderung oft viel weniger zugetraut werde, als sie wirklich können. Die beiden "Schichtwechsler" ziehen jedenfalls ein positives Fazit, sie haben einen guten Einblick in die Arbeit des jeweils anderen gewonnen.

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