Vorsichtig fährt der Steillagenvollernter von der Rampe seines Anhängers. Winzer Christian Bauer will ihn testen, in seinem Weinberg bei Thüngersheim mit immerhin 40 Prozent Hangneigung. Sein Ziel: die Weinlese künftig nur noch mit Maschinen und der Familie schaffen – ohne Saisonarbeitskräfte. Denn die zu bekommen, wird immer schwieriger.
Saisonarbeitskräfte für Weinlese schwer zu bekommen
Früher dauerte die Weinlese über einen Monat, manchmal fast zwei Monate. Durch den Klimawandel werden die Erntefenster aber immer kürzer. Bei Christian Bauer sind es oft nicht mal mehr zwei Wochen. Für diesen Zeitraum sind kaum noch Aushilfskräfte zu bekommen.
"Die Leute, die von Rumänien zu uns kommen und hier arbeiten, möchten natürlich eine längere Zeit hier arbeiten und jede Stunde mitnehmen. Für diese kurze Zeit Leute zu kriegen, ist einfach schwierig", erklärt der Winzer. Noch dazu muss er die Personalverträge mit ihnen weit im Voraus abschließen, wenn der Lesezeitraum noch gar nicht feststeht.
Steillagenvollernter so schnell wie 30 Lesekräfte
Der Steillagenvollernter hingegen lässt sich kurzfristig buchen. Per Stahlseil gesichert arbeitet sich die bei einem Lohnunternehmer gebuchte Maschine durch die Rebzeilen. Der Fahrer kann die Rüttelstärke so einstellen, dass möglichst nur gesunde und reife Trauben in den Behälter fallen. Der Vollernter ist etwa so schnell wie 30 Lesekräfte.
Mensch oder Maschine: wer liest Trauben besser?
Aber Schnelligkeit ist für einen Winzer natürlich nicht alles – am Ende ist die Qualität entscheidend. Christian Bauer ist zufrieden, denn faule und unreife Beeren bleiben am Rebstock hängen. Auch Frank Grünewald, beim Lohnunternehmen Hofmann-Gruppe für die Steillagenvollernter verantwortlich, sieht bei der Traubenqualität keinen Unterschied mehr zwischen Mensch und Maschine.
Noch dazu könne mit dem Vollernter auch nachts gelesen werden, wenn es kühler ist: "Wenn ich mit der Hand Trauben bei Temperaturen von 35 Grad lese, wie wir es heuer Anfang September hatten, kann ich später im Weinkeller Probleme bekommen", so Grünewald. "Besser ist es, die Trauben kommen früh mit nur gut zehn Grad in den Keller."
Handlese teilweise noch Pflicht
Trotzdem macht der Vollernter für Christian Bauer nicht überall Sinn. Etwa, wenn der Frost zugeschlagen hat und nur noch wenige Trauben an den Weinstöcken hängen. Dann lohnt sich die Maschine nicht und er lässt mit der Hand lesen. Dafür hatte er dieses Jahr noch fünf Saisonarbeitskräfte.
In Zukunft muss er solche Lagen dann alleine mit der Familie schaffen. Auch für seine Spitzenweine wird er sie brauchen. Denn Bauer baut seinen Wein nicht selbst aus, sondern liefert die Trauben bei der Genossenschaft Divino ab. Für die sogenannten "Großen Gewächse" ist Handlese dort momentan noch Pflicht.
Steillagen erhalten dank Vollernter
Wo es erlaubt ist und wirtschaftlich Sinn macht, will Christian Bauer nächstes Jahr seine Trauben aber mit der Maschine lesen lassen. In flacheren Weinbergen hat er Vollernter schon länger im Einsatz, künftig nun auch in seinen Steillagen. "So kann ich sie auf jeden Fall weiter bewirtschaften", freut sich der Winzer. Denn immer mehr Kolleginnen und Kollegen in Franken geben die arbeitsintensiven Steillagen wegen Personalmangels auf.
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