Der neue Flexibus im Landkreis Pfaffenhofen
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Der neue Flexibus im Landkreis Pfaffenhofen

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Busse für alle: Nahverkehr-Aufholjagd im Kreis Pfaffenhofen

Der Landkreis Pfaffenhofen steht im Sachen Nahverkehr schlecht da. In manche Orte fuhr jahrzehntelang kein Bus. Das will man ändern - mit großem Aufwand, einem ÖPNV-Stundentakt und der Abschaffung von Schulbussen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

In puncto Nahverkehr stehen manche Regionen ganz gut da – etwa die Landkreise Fürstenfeldbruck und München. Im Kreis Pfaffenhofen dagegen gibt's Aufholbedarf. Doch guter ÖPNV kostet. Dafür, so der Plan, könnten die Schulbusse eingespart werden. Alle Kinder sollen künftig dafür mit dem ÖPNV zur Schule kommen.

Wolnzach im Nahverkehr über Jahrzehnte abgehängt

Über Jahrzehnte war die oberbayerische Marktgemeinde Wolnzach nur per Auto, Rad oder zu Fuß erreichbar. Einen öffentlichen Nahverkehr gab es nicht. Nur die älteren Bürger erinnern sich noch an die Zeit, als sie ihren Ort mit dem Zug verlassen konnten. 55 Jahre ist das her.

Die Bahngleise, die durch die Kommune führen, dienen seitdem nur noch dem Güterverkehr. Doch seit gut einem halben Jahr gibt es wieder einen ÖPNV: Ein Bus fährt im Stundentakt von Pfaffenhofen über Rohrbach nach Wolnzach und zurück.

Stundentakt streckenweise schon eingeführt

Damit hat Landrat Albert Gürtner (Freie Wähler) seinen Nahverkehrsplan zum Teil schon umgesetzt: "Die Vision für den Landkreis Pfaffenhofen ist der Stundentakt für alle – von morgens um 6 Uhr bis abends um 8 Uhr!" Zwischen Wolnzach und Pfaffenhofen funktioniert das schon. Ebenso zwischen Pfaffenhofen und Petershausen. In der Gemeinde im Nachbarkreis Dachau haben die Menschen Anschluss an den Münchner Verkehrsverbund.

Nahverkehr für alle Bürger bis 2027 angestrebt

Alle größeren Gemeinden im Kreis Pfaffenhofen sollen bis 2027 im Stundentakt angefahren werden, sagt Landrat Gürtner, doch auch die kleinen Ortschaften sollen öffentlich erreichbar werden. Flexibusse sollen die Menschen zur nächsten Busstation bringen. Die Bürger können sie per App, Online oder per Telefon buchen.

In Teilen des Landkreises funktioniert das System schon seit gut einem halben Jahr. Zum Beispiel in Baar-Ebenhausen. Der Landrat will in drei Jahren alle "Ortschaften über 80 Einwohner anbinden. Fernziel: alle Kreisbürger!"

Erreichbarkeitsranking – Tops und Flops in Oberbayern

Noch ist der Weg zum guten Nahverkehr weit. Nach einem bundesweiten Erreichbarkeitsranking gehört der Kreis Pfaffenhofen zu den Schlusslichtern. Demnach hatten dort nur 49,3 Prozent der Einwohner einen gut erreichbaren Nahverkehr.

Die Daten hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Oktober 2022 erhoben. Veröffentlicht wurden sie im vergangenen Jahr vom Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene. Die Zahlen geben an, wie viel Prozent der jeweiligen Bevölkerung maximal 600 Meter Luftlinie zur nächsten Buslinie haben, beziehungsweise höchstens 1.200 Meter zur nächsten Bahn-Haltestelle.

Landkreise Fürstenfeldbruck und München Spitzenreiter

Gezählt wird eine Haltestelle, wenn sie tagsüber den Stundentakt anbietet oder täglich mindestens 28 Abfahrten. Ganz vorne in diesem Erreichbarkeitsranking liegen die Vorzeige-Landkreise Fürstenfeldbruck (99,16 Prozent) und München (97,66 Prozent). Sie zählen zu den am besten erreichbaren Gebieten in Deutschland. Am anderen Ende der Skala finden sich noch weitere Landkreise im nördlichen Oberbayern: der Kreis Neuburg-Schrobenhausen (36,0 Prozent) und Eichstätt (50,1 Prozent).

Guter ÖPNV kostet – keine Schulbusse mehr

Nach Jahren der Planung beginnt im Landkreis Pfaffenhofen die Aufholaktion beim Nahverkehr. Klar ist, dass ein besserer ÖPNV Geld kostet. Mindestens 4,5 Millionen Euro an Zusatzkosten werden dadurch entstehen, so die vorsichtige Schätzung im Landratsamt. Vielleicht auch mehr. Aufkommen müssen dafür die Gemeinden über die Kreisumlage.

Um die Kosten im Rahmen zu halten, sollen ab 2027 möglichst alle Schüler mit dem ÖPNV zur Schule kommen, statt mit dem sogenannten 'freigestellten Schülerverkehr'. Hinter diesem Begriff steckt die Regel, dass die Schulträger dafür sorgen und auch zahlen müssen, dass die Schüler von ihrem Wohnort in den Unterricht kommen und wieder zurück.

Geregelt ist das in der Freistellungsverordnung, abgekürzt FVO. Die Betriebskosten für diesen Transport übernehmen demnach in vollem Umfang die Schulträger. Im Fall der weiterführenden Schulen ist das der Landkreis. Er zahlt für den Schultransport der Mittel- und Realschüler und der Gymnasiasten.

So spart der Landkreis Millionen

Wenn Schüler abgelegen wohnen, also ihr Zuhause nicht von einem Schulbus angesteuert wird, muss der Kreis auch für die dann notwendigen täglichen Taxifahrten zahlen. Diese Kosten und die für die Schulbusse summieren sich. Dafür zahlt der Kreis Pfaffenhofen jährlich einige Millionen Euro.

Ausgaben, die wegfallen, wenn der Nahverkehr so gut ist, dass alle Schüler ihn nutzen können. Diese Gegenrechnung macht Abteilungsleiter Steffen Kill auf, der in der Behörde für die Neugestaltung des ÖPNV zuständig ist.

"Wir drehen den Spieß um"

Landrat Gürtner macht nachdrücklich darauf aufmerksam, dass Schulbusse "ein eigenes System sind. Da ist es uns auch verboten, normale Bürger mitzunehmen. Deshalb machen wir es umgedreht: Wir integrieren die Schüler in den übrigen öffentlichen Personennahverkehr. Das heißt, ein Schüler kann dann in den ÖPNV-Bus einsteigen und kommt zur Schule seiner Wahl."

Vorbild Kronach

Steffen Kill blickt für seine Reform häufig zu den Kollegen im oberfränkischen Kreis Kronach. Dort wurde die Beförderung der Schüler bereits auf den ÖPNV umgestellt. Doch auch wenn Steffen Kill schon mehrfach in Kronach war und sich dort wertvolle Tipps holt, merkt er, dass es keine Blaupause gibt, denn der ÖPNV müsse jeweils vor Ort an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden.

"Der Landkreis Kronach ist kleiner, hat weniger Einwohner und ist übersichtlicher. Er hat nicht so viele Schulen und insbesondere sind die weiterführenden Schulen nicht so über den Landkreis verstreut wie im Kreis Pfaffenhofen. Wir haben weiterführende Schulen in Pfaffenhofen, in Geisenfeld und Wolnzach und damit ganz andere Schülerströme", analysiert Kill die Lage.

Der Teufel liegt im Detail

Als einen seiner wertvollsten Tipps aus Kronach wertet Kill den Hinweis, bei jeder Strecke genau hinzusehen, denn der Teufel könne im Detail liegen. In seinem Kreis werde jede Strecke, bevor eine Linie in Betrieb genommen wird, persönlich abgefahren. Denn wenn ein Planer am Schreibtisch sitzt, könne er beispielsweise nicht sehen, ob eine Brücke vielleicht nicht befahrbar ist für einen Bus, weil sie das Gewicht nicht trägt. Oder es gibt eine Unterführung, unter der der Bus nicht durchkommt. Solche möglichen Hindernisse gelte es zu erkennen und zu beheben, so Kill. "Denn es darf am ersten Schultag kein einziger Schüler stehen bleiben, weil der ÖPNV nicht richtig klappt!"

Noch Gesprächsbedarf mit den Schulen

Um die Nahverkehrsbusse möglichst effizient einzusetzen, arbeitet Kill an einer "Schulzeiten-Staffelung". Denn wenn die Schulen mit ihrem Unterricht zu unterschiedlichen Zeiten beginnen bzw. enden, dann ist es möglich, dass die Busse die Schulen hintereinander anfahren.

Noch gibt es hier Gesprächsbedarf mit den Schulleitungen und den Elternbeiräten, räumen Landrat Gürtner und sein Chefplaner Kill ein. Dennoch sind beide zuversichtlich, dass sie bis 2027 die Umstellung im gesamten Landkreis realisieren können.

Jetzt müssen noch die Bürger den ÖPNV akzeptieren

Auch wenn in drei Jahren im gesamten Landkreis Pfaffenhofen ein gutes ÖPNV-Angebot für alle Bürger und Schüler besteht, bleibt noch eine große Herausforderung: die Akzeptanz bei den Bürgern. Bislang lässt die noch sehr zu wünschen übrig, räumen Landrat Gürtner und ÖPNV-Planer Kill einmütig ein. Auch nach über einem halben Jahr Betrieb fahren beispielsweise immer wieder Busse leer von Wolnzach nach Pfaffenhofen.

Landrat Gürtner hat dafür Verständnis, denn die Wolnzacher waren sehr lange auf sich selbst gestellt. "Die Leute müssen sich natürlich erst daran gewöhnen, dass sie nicht nur mit dem Auto fahren können. Sie müssen erleben: Ich komme mit dem Bus vielleicht nicht gleich schnell, aber zumindest bequemer und sicherer an mein Ziel."

Es braucht gutes Angebot und gute Werbung

Geduld ist erforderlich, das bestätigt auch das Verkehrsbündnis 'Allianz pro Schiene'. Von dort heißt es: In der Verkehrsplanung spreche man von rund drei bis vier Jahren 'Einschwingkurve', bis neue ÖPNV-Angebote etabliert sind und von den Menschen angenommen werden. Nach den Erfahrungen des Verkehrsbündnisses braucht es zudem viel Kommunikation; etwa Schuldialoge mit Eltern- und Schülervertretern, Bürgersprechstunden, Gespräche mit Wirtschaftsakteuren an Gewerbestandorten oder Marketingaktionen.

So setzt auch Landrat Gürtner in Pfaffenhofen auf Zeit, ein gutes Angebot und gute Werbung, um die Leute zu animieren, umweltschonend auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen.

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