"DeathCare" e.V. war unterwegs im Epizentrum des Erdbebengebietes in der Türkei, um Verstorbene aus den Trümmern zu bergen.
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"DeathCare" e.V. war unterwegs im Epizentrum des Erdbebengebietes in der Türkei, um Verstorbene aus den Trümmern zu bergen.

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Wie ein Schweinfurter Bestatter im Erdbebengebiet geholfen hat

Wie ein Schweinfurter Bestatter im Erdbebengebiet geholfen hat

Eine Woche lang hat Bestatter Marco Pfister im türkischen Erdbebengebiet nach Toten gesucht. Am Dienstag wird er zurück nach Deutschland kommen. Das Nachbeben am Montagabend hatte auch Auswirkungen auf ihn: Seine Unterkunft war einsturzgefährdet.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Seine letzte Nacht in der Türkei verbrachte Marco Pfister bei der Feuerwehr. Die Turnhalle, in welcher der Schweinfurter Bestatter und andere Helfer untergebracht waren, war nämlich durch das Nachbeben einsturzgefährdet.

Am Dienstagnachmittag soll Pfister aus dem türkischen Krisengebiet nach Deutschland zurückkehren. Zuvor verbrachte der Bestatter eine Woche mitten im Erdbebengebiet und half mit, Verstorbene zu bergen - eine schwierige Aufgabe, die auch bei einem Profi Spuren hinterlässt.

  • Zum Artikel: Türkei und Syrien: Tote und Verletzte nach weiteren Erdbeben

"Extreme Dankbarkeit, dass man einfach da ist"

Der Bestatter gehört zu einem 15-köpfigen Team Ehrenamtlicher aus Deutschland, dem sogenannten DeathCare Embalming-Team Germany. Dabei handele es sich um ein weltweit einzigartiges Team, so Ralf Michal, der Chef von Marco Pfister in Schweinfurt. Das Team kümmert sich um die Bergung und Identifizierung von Toten. Neben Bestattern sind auch sogenannte Thanatopraktiker dabei – Spezialisten für die Konservierung und Rekonstruktion von Verstorbenen. Zu ihnen gehört auch Marco Pfister.

Für ihn war es der erste Einsatz in einem Krisengebiet. Oft seien bei seiner Arbeit auch Angehörige in der Nähe gewesen. "Man muss darauf achten, dass man ein wenig die Privatsphäre wahrt. Man muss aufpassen, wo man hintritt, weil hier überall persönliche Sachen herumliegen. Aber man spürt auch extreme Dankbarkeit, dass man einfach da ist", berichtet Pfister. Für eine Woche war er in Kahramanmaras. Die türkische Großstadt wurde vom Erdbeben besonders stark betroffen.

Unterstützung für die Rettungskräfte vor Ort

Etwa 150 bis 300 Tote habe das Helferteam in Kahramanmaras pro Tag geborgen – so viele wie ein normaler Bestatter im gesamten Jahr, sagt Pfisters Chef Ralf Michal, der gleichzeitig Präsident des Bundesverbandes Deutscher Bestatter ist. Rund 20 Stunden pro Tage habe sein Angestellter in der Türkei gearbeitet und nur wenige Stunden geschlafen. Die beiden standen die ganze Zeit in engem Kontakt.

Die Arbeit des DeathCare Embalming-Teams ist auch für die anderen Rettungskräfte vor Ort von unschätzbarem Wert. "Wir hatten gestern die Erfahrung, da hat uns einer von dem Rescue-Team gedankt, dass wir da sind, und dass wir seine Leute entlasten, weil die schaffen das nicht, weil die sich übergeben müssen, weil die kommen mit den Gerüchen nicht klar und mit den Bildern nicht", schildert Marco Pfister. Deshalb bleiben er und seine Kollegen auch nicht länger als acht Tage im Krisengebiet – zu hoch ist die Belastung durch das Erlebte.

Seuchengefahr durch Leichen

Am 9. Februar war das erste DeathCare Embalming-Team in die Türkei gereist. Nach einer Woche wurde es vom zweiten Team, dem Pfister angehört, abgelöst. Es sei wichtig, Verstorbene zu bergen, um etwa die Seuchengefahr einzudämmen, sagte der Schweinfurter Bestattungsunternehmer Ralf Michal: "Wenn sie Verstorbene dort lassen, dann zersetzen sich die Menschen und das gelangt ins Trinkwasser und dadurch werden natürlich auch Bakterien und Keime aufgenommen." Dadurch steige die Seuchengefahr, etwa für Cholera oder Typhus.

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC hatte bereits vor den erneuten Beben davor gewarnt, dass sich in den kommenden Wochen Infektionskrankheiten in den betroffenen Regionen ausbreiten könnten. Schlechte Hygienebedingungen durch die zerstörte Infrastruktur seien mit eine Ursache für den Ausbruch von Krankheiten. Ein weiteres Team werde dennoch nicht mehr in das Erdbebengebiet fliegen, so Michal. Nach zwei Wochen mache die Bergung der Leichen keinen Sinn mehr, da der Verwesungsprozess auch bei winterlichen Temperaturen schon zu sehr fortgeschritten sei.

Verstorbene sollen möglichst behutsam geborgen werden

René Strawinski, Vorsitzender des DeathCare Embalming-Teams ist ebenfalls als ehrenamtlicher Bestatter in Kahramanmaras. Häufig werden die Toten von Leichenspürhunden entdeckt – dann beginnt seine Arbeit. "Man versucht erst einmal, den Verstorbenen etwas zu schützen, so dass runterfallende Sachen nicht auf dem Verstorbenen landen. Und dann versuchen wir ihn vorsichtig rauszuziehen – und hoffen, dass er frei ist. Wenn er nicht frei sein sollte, würden wir ihn freischaufeln mit Händen und Hacken und dann würden wir ihn vorsichtig rausziehen."

Nachdem die Verstorbenen abtransportiert wurden, kümmert sich die Staatsanwaltschaft am Sammelplatz mit Angehörigen um die Identifizierung der Toten. Die Arbeit mit den Verstorbenen sei nicht das Schlimme, schildert Bestatter-Kollege Marco Pfister: "Schlimm ist es immer, die Angehörigen zu sehen. Die sitzen tagelang vor den Trümmerhaufen, harren aus, haben sich nur ein kleines Zelt aufgebaut und warten einfach da, dass ihr Angehöriger geborgen wird", erklärt er und fügt hinzu: "Die wissen, dass die gestorben sind, aber die wollen halt, dass sie rauskommen. Und was auch wichtig ist: dass sie auch am Stück rauskommen."

Marco Pfister: Es gibt auch Positives

Diese Eindrücke gehen nicht spurlos an Marco Pfister vorüber, der auch bei seiner Arbeit in Deutschland tagtäglich mit Verstorbenen und Angehörigen zu tun hat. Bei fast 50.000 Toten ist die Dimension jedoch viel gewaltiger. Dann können Gespräche mit Teamkollegen helfen. Auch eine Psychologin hat das DeathCare Embalming-Team vor Ort unterstützt. Doch obwohl Marco Pfister rund 20 Stunden am Tag gearbeitet hat und er von Leid und Trauer umgeben war, sieht er etwas Gutes in seiner Arbeit: "Das Positive daran – sag ich mal – ist es, den Leuten hier zu helfen und da spielt Religion und Nationalität keine Rolle."

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