Kläranlage im bayerischen Kulmbach (Archivbild)
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Wie Klärschlamm bei der Energieversorgung helfen kann

Wie Klärschlamm bei der Energieversorgung helfen kann

Klärschlamm könnte Karriere machen. Noch ist die unappetitliche Vielfachmischung für viele Kommunen in erster Linie zwar ein Entsorgungsproblem. Doch sie birgt auch große Schätze - und könnte zukünftig in Bayern zur Energieversorgung beitragen.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Vor Alexander Struck, Geschäftsführer der Bayernoil Raffineriegesellschaft, stehen fünf Flaschen mit unterschiedlichem Inhalt: Gas, Benzin, Diesel, Kerosin, Phosphor. Diese fünf Schätze lassen sich aus Klärschlamm gewinnen. Und genau das hat Struck auch vor.

Am Bayernoil-Standort Vohburg soll eine Anlage für die Aufarbeitung von Klärschlamm entstehen. Ab 2025 will das Unternehmen dort Klärschlamm trocknen und die wertvollen Rohstoffe herausziehen. Läuft alles nach Plan, möchte Bayernoil ab 2030 rund 40 Prozent des bayerischen Klärschlamms verarbeiten.

Interessantes Angebot für viele Kommunen

Für viele Kommunen und die von ihnen betriebenen Kläranlagen wäre dieses Angebot attraktiv. Denn die novellierte Klärschlammverordnung von 2017 nimmt sie in die Pflicht. Schon im kommenden Jahr sollen sie darlegen, wie sie künftig ab 2029 den wertvollen Rohstoff Phosphor aus dem Klärschlamm ziehen wollen. Für viele eine große Herausforderung.

Mischverbrennungsanlagen können kein Phosphor-Recycling

Die Konzepte sorgen für Kopfzerbrechen, weil Phosphor-Recycling in vielen Müllverbrennungsanlagen unmöglich ist: Bei Mischverbrennungsanlagen wird der im Klärschlamm enthaltene Phosphor einfach mitverbrannt und geht somit verloren. Nur Monoverbrennungsanlagen eignen sich für das Phosphor-Recycling.

Doch der Bau solcher Anlagen stoße bundesweit häufig auf Widerstand in der Bevölkerung, berichtet Daniel Eckstein. Der Geschäftsführer des Landesverband Bayern der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) sieht deshalb auch im Freistaat Entsorgungsengpässe beim Klärschlamm.

Das Klärschlamm-Projekt von Bayernoil beobachtet Eckstein deshalb mit großem Interesse: "Der Lösungsansatz ist charmant, denn am Standort der Raffinerie ist die Infrastruktur schon. Man kann sich dadurch die oft emotionalen Diskussionen um den Bau neuer, ansonsten notwendiger Monoverbrennungsanlagen sparen."

Landrat spricht von Win-win-Situation

Entsprechend positiv bewerten viele Kommunalpolitiker die Klärschlamm-Pläne der Raffinerie. Neben Vohburgs Bürgermeister Martin Schmid (SPD) begrüßt auch Pfaffenhofens Landrat Albert Gürtner (FW) das Projekt. "Klärschlamm war schon immer ein Problem für die Gemeinden, zuerst hat man es auf die Felder ausgebracht und jetzt verbrennt man ihn. Dabei ist Klärschlamm ein wertvoller Stoff, der dafür eigentlich zu schade ist," so Gürtner.

Deshalb halte er das Projekt, bei dem nachhaltige, CO2-freie Rohstoffe gewonnen würden, für sehr gut. Auch die Bürgermeister des Landkreises seien begeistert, so Gürtner, dass dieses Entsorgungsproblem gelöst werde. Weil davon sowohl die Umwelt, als auch Bürger und Behörden profitieren würden, sieht er darin eine Win-win-Situation.

Verkehrs- und Geruchsbelastung thematisiert

Die zuständige Genehmigungsbehörde ist das Landratsamt Pfaffenhofen. Hier wird geprüft, ob es durch die Klärschlammanlage zu Geruchsbelästigungen kommen kann. Laut Bayernoil ist dies ausgeschlossen. Das Unternehmen versichert zudem, dass alle toxischen Komponenten des Klärschlamms "restlos beseitigt werden. Schwermetalle werden abgetrennt und der Aufbereitung zugeführt".

Bayernoil sichert außerdem zu, dass das Verkehrsaufkommen trotz des Klärschlamm-Projekts in den nächsten Jahren rückläufig sein wird. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Raffinerie künftig weniger Mineralöl verkaufen wird. Bis 2030 würden deshalb rund zehn Prozent weniger Lastwagen für den Transport von Mineralöl benötigt. Das wären im Schnitt knapp 50 Lastwagen pro Tag weniger. Bei maximaler Auslastung der Klärschlammanlage wären ab 2030 täglich im Schnitt 35 Lastwagen aus diesem Grund unterwegs.

Verfahren stammt vom Fraunhofer-Institut UMSICHT

Für die Aufspaltung des Klärschlamms wird Bayernoil ein Verfahren anwenden, das dass Fraunhofer-Institut Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik "UMSICHT" in Sulzbach-Rosenberg entwickelt hat. Projektleiter Robert Daschner erprobt das so genannte TCR-Verfahren seit Jahren in einer Demonstrationsanlage. TCR steht für "thermo-katalytisches Reforming".

Auch wenn Bayernoil das Verfahren am Standort Vohburg im industriellen Maßstab nutzen will, bleibt es im Kern gleich. "Das TCR-Verfahren spaltet unter Zufuhr von Wärme den Klärschlamm auf in drei Produktegruppen," erklärt Daschner. "Das Ganze erfolgt unter Sauerstoffabschluss in einem Reaktor, in den von außen Wärme zugeführt wird. Der Prozess läuft über den Zeitraum von einer Stunde ab. Ich spalte da dann quasi einmal mein Gas ab. Ich kondensiere mein Öl und habe am Schluss noch einen festen Rückstand: die Kohle mit dem Phosphor."

Der Forscher hilft Bayernoil bei der Umsetzung des Fraunhofer-Verfahrens im industriellen Maßstab und freut sich, "dass man diese konkreten Produkte zielgerichtet im Raffinerie-Prozess integrieren kann. Das kann sehr gute Synergien geben."

40.000 Menschen könnten "grün" nach Amerika fliegen

Vor allem die Wärme, die beim Klärschlamm-Recycling frei wird, kann Bayernoil direkt am Standort nutzen und so Gas sparen. Bayernoil-Geschäftsführer Alexander Struck rechnet vor, welche Ergebnisse sein Unternehmen erzielen könnte, wenn in der Raffinerie tatsächlich 40 Prozent vom bayerischen Klärschlamm am Standort Vohburg verarbeitet würden: "Mit der eingesparten Energie, mit dem Gas, könnte man 16.000 Einfamilienhäuser mit Wärme versorgen. Der zusätzlich gewonnene grüne Flugtreibstoff reicht aus, um im Jahr über 40.000 Passagiere von München nach New York zu fliegen."

Noch existiert die Klärschlamm-Anlage nicht. Die Baustelle wird aber schon vorbereitet. Auch das Landratsamt als Genehmigungsbehörde sendet positive Signale. Noch hemmt allerdings die Staatsanwaltschaft das Projekt. Noch immer haben die Ermittler die Beweisaufnahme zur Explosion nicht abgeschlossen, die im Herbst 2018 den Raffinerie-Standort erschütterte. Bayernoil fragt hier immer wieder nach, damit das Projekt Klärschlamm im Zeitplan bleibt.

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