Das kalte Regenwetter zum Auftakt der Wiesn war für viele kein Grund, daheim zu bleiben. Einige Bierzelte waren gegen 13 Uhr bereits wegen Überfüllung geschlossen – darunter die Bräurosl, das Löwenbräu-, das Paulaner- und das Augustinerzelt, in der Fischer-Vroni ging schon um elf Uhr kurzzeitig nichts mehr.
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Zwei "Bierleichen" am frühen Nachmittag
Das rege Treiben in den Zelten machte sich bald auch schon auf der Wiesn-Sanitätsstation bemerkbar. Zwei "Bierleichen" mussten die Ärzte dort am frühen Nachmittag versorgen: eine 20-jährige Besucherin aus Nürnberg und einen Besucher Ende 20 – beide so stark alkoholisiert, dass sie weder ansprechbar noch gehfähig waren.
Auch einige Schnittverletzungen mussten bereits behandelt werden. Zum Einsatz kam ebenso das neue CT-Gerät, das es dieses Jahr zum ersten Mal zur Entlastung der Krankenhäuser auf dem Festgelände gibt. Ein Franzose sei in nüchternem Zustand von einem Bierzelt gestürzt und habe sich am Kopf verletzt, so ein Sprecher der Sanitätsstation.
Drei Schläge braucht OB Reiter
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zapfte um Punkt 12 Uhr das erste Fass Bier mit drei Schlägen an - die vergangenen Jahre hatte er nur zwei gebraucht, bevor es wieder "Ozapft is" hieß und das Bier in Strömen floss.
Während Böllerschüsse den Start der 187. Wiesn verkündeten, reichte Reiter die erste Maß dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Beide stießen auf eine friedliche Wiesn an. Reiter bezeichnete die Entscheidung für die Wiesn als "eine gute", weil das Fest den Menschen Freude bereite.
Wieder feiern ohne Corona-Auflagen
Schon im Morgengrauen hatten Tausende Besucher bei kaum neun Grad und im Nieselregen vor der Festwiese ausgeharrt und teils mit Dosenbier "vorgeglüht". Als das Gelände öffnete, stürmten die Massen in Dirndl und Lederhose in Richtung Bierzelte. "Es ist das Feeling wie früher", sagte Helga Geier, die gebrannte Mandeln verkauft.
Unter den Besuchern waren viele junge Leute, eine Corona-Schutzmaske trug kaum jemand. Auch wenn ohne Auflagen gefeiert werden kann - die Corona-Gefahr ist nicht gebannt. Die Behörden mahnten Besucher, bei Erkältungssymptomen einen Test zu machen und nicht krank zum Fest zu kommen. Mediziner rechnen nach der Wiesn - wie nach anderen Volksfesten - mit einer Corona-Welle.
"Wahrscheinlich wird die Zahl der Infektionen steigen, das ist die Erfahrung der bisherigen Feste", sagte Söder dem BR. Gleichzeitig beobachte man aber zum Glück nirgends eine übermäßige Belastung der Krankenhäuser.
Bier dieses Jahr deutlich teurer
Bedenken wegen Corona, aber auch Geldsorgen könnten der Grund sein, falls dieses Jahr weniger Besucher kommen. Allein der Preis für die Maß Bier stieg seit 2019 um knapp 16 Prozent. Die Maß kostet heuer nun zwischen 12,60 Euro und 13,80 Euro.
Viele säumten zudem die Straßen in der Innenstadt, als am Vormittag die Wirte mit festlich geschmückten Wagen und Brauereirössern zum Festgelände fuhren. Einige Tierschutz-Aktivisten, die während des Umzugs gegen den Fleischkonsum demonstrierten und sich auf die Straße der Festwirte setzten, wurden von der Polizei weggetragen.
Ministerpräsident Markus Söder wirft ihnen Spielverderberei vor. "Es gibt immer jemanden, der den Spaß verderben will." Und er legt nach mit Blick auf den wegen Sexismus umstrittenen Song "Layla": "Diese ganze Verbotsdiskussion, die nervt. Wokeness mag interessant sein, aber wenn sie übertrieben ist, dann ist sie spießig. Und die Wiesn ist alles, nur nicht spießig." Die Wiesn sei ein "Fest von Freude und Freiheit". Jeder solle anziehen und essen, was er wolle, sagt Söder. "Ich werde ein Hendl essen."
Neben Bier im Überfluss gehört Fleisch zu den "Grundnahrungsmitteln" auf dem Oktoberfest: 2019 wurden knapp 435.000 Brathähnchen, 125 Ochsen und 30 Kälber verspeist. Das Angebot an vegetarischen und veganen Speisen hat in den Zelten allerdings inzwischen deutlich zugelegt.
Schausteller hoffen auf Sonnenschein
Insgesamt verlief der Wiesenauftakt friedlich. Die Schausteller hoffen für die nächsten Tage auf besseres Wetter. Bei den Fahrgeschäften ist es bis jetzt eher ruhiger. Gefragt war jedes Karussell mit Dach über dem Kopf. Sobald die Sonne länger schien oder es wenigstens trocken blieb, füllten sich die Straßen zwischen den Fahrgeschäften, Mandel- und Fischsemmelbuden.
Erfahrene Schausteller wie Matthias Niederländer von der Krinoline schöpfen ihre Hoffnung aus der Erfahrung der Vergangenheit. "Erstmal ist es kalt, aber man muss es einfach nehmen, wie es kommt, " sagt Niederländer. "Ein paar kalte Tage muss man immer einplanen, und von daher bleiben wir ganz zuversichtlich." Und weiter: "Nach drei Jahren Pause ist man einfach nur überglücklich, dass man wieder loslegen kann".
Bundespolizei sieht weniger Andrang aufs Oktoberfest
Der Andrang auf die Wiesn fiel nach ersten Eindrücken der Bundespolizei jedoch etwas geringer aus als sonst. An der S-Bahnstation Hackerbrücke in der Nähe der Theresienwiese und am Hauptbahnhof sei bisher "gutes Durchkommen", und es gebe noch keine "Massenprobleme", sagte ein Sprecher der Bundespolizeiinspektion München. Grundsätzlich sei es immer vom Wetter abhängig, wie viele Kurzentschlossene noch kämen.
Auch aus Sicht der Münchner Polizei ist der erste Tag auf dem Oktoberfest sehr ruhig verlaufen. Bis zum frühen Abend gab es laut einem Sprecher keine großen Delikte.
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"Freudentränen" im Biergarten
Gemütlich war der Auftakt dagegen auf der Oidn Wiesn. In den Zelten fand jeder gleich Platz. Im Volkssängerzelt Schützenlisl war Festwirt Lorenz Stiftl erleichtert, dass es so gut angelaufen ist. Er hat dieses Jahr zum ersten Mal ein großes Zelt. "Wir sind sehr zufrieden. Der erste Tag, ist immer ein bisschen zögerlicher. Im Biergarten draußen handelt es sich wahrscheinlich um Freudentränen", sagte Stiftl zum zeitweisen Dauerregen.
Die Wiesn 2022 ist also ohne Corona-Auflagen gestartet. Fast niemand trägt Maske, es kommen wieder mehr Touristen. Alle sind sich irgendwie auch des Risikos bewusst. Doch das Oktoberfest macht es einem eben leicht. München feiert, als wäre nichts gewesen.
Mit Material der dpa
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