Förster Albrecht Roth und Jäger Kai Kurth sind im Wald bei Gösmes im Landkreis Hof verabredet: Der Jäger möchte genau wissen, wie es um die jungen Bäume in seinem Jagdrevier steht.
Mehr Licht, mehr Jagd für weniger Wildverbiss
Mittwochmorgen hat Staatsministerin Michaela Kaniber (CSU) die Ergebnisse des Forstlichen Gutachtens im Bayerischen Landtag vorgestellt: Die Hegegemeinschaft Helmbrechts, wo Kurth seine Jagd hat, wurde erneut mit "rot" bewertet, hat also einen zu hohen Wildverbiss. Das heißt, die Rehe verbeißen die Triebe der jungen Bäume, mit der Folge, dass diese nicht gesund wachsen können.
In diesen "roten Gebieten" mit einem hohen Verbissschaden besprechen die Revierförster das Gutachten mit den Beteiligten vor Ort. Jäger und Waldbesitzer erfahren so, was sie ändern können, um den jungen Bäumen in ihren Wäldern zu helfen: zum Beispiel mit mehr Licht und mehr Jagd.
Kaniber: "Fatale Entwicklung" für den Bergwald
Das Forstliche Gutachten wird seit 1986 alle drei Jahre von Bayerns Förstern erhoben. Die gute Nachricht: Bayernweit ist der Wildverbiss an Laubbäumen wie Buche, Eiche und Ahorn leicht gesunken, von 21 Prozent (2021) auf 17 Prozent. Im Klimawandel sind Laubbäume die Zukunft des Waldes.
Umso dramatischer ist es, dass sich die Situation im Bergwald verschlechtert hat: Hier hat der Verbiss durch Rehe, Hirsche und Gämsen an der Tanne stark zugenommen, von 17 Prozent (2021) auf 23 Prozent. "Diese Entwicklung ist fatal", so Kaniber. Denn im Bergwald ist die Tanne mit ihren tiefen Wurzeln eine wichtige Baumart, die dem Klimawandel trotzen könnte.
Auch in der Gegend von Helmbrechts im Frankenwald, wo in den letzten Jahren Tausende Hektar Fichtenwald der Trockenheit zum Opfer gefallen sind, ist die Situation der Laubbaumarten dramatisch: 36 Prozent der jungen Buchen, Eichen und Ahorne sind verbissen. Dabei sollen sie die Zukunft des Frankenwaldes sein.
Bei starkem Wildverbiss mehr Rehe schießen
Das Problem: Das Forstliche Gutachten kann zwar alle drei Jahre den Zustand der Wälder dokumentieren, es hat aber kaum Konsequenzen. Die Förster sprechen lediglich eine Abschuss-Empfehlung aus. In "roten" Gegenden heißt die dann "Abschuss erhöhen" oder "Abschuss deutlich erhöhen". Ob das aber tatsächlich passiert, also ob mehr Rehe und Hirsche geschossen werden, kontrolliert niemand.
Forstministerin Kaniber wird trotzdem nicht müde, die Bedeutung der Jagd für die Zukunft des Waldes zu betonen: Die jungen Bäume haben nur bei waldverträglichen Wildbeständen eine Chance, zu stabilen Mischwäldern heranzuwachsen, so die Ministerin. Das hieße aber: mehr schießen.
Aiwanger: Mehr Handlungsspielraum für Jäger
Das Vegetationsgutachten ist eine wichtige Grundlage für die Erstellung der amtlichen Abschusspläne. Die Umsetzung, also die Verantwortung für die Ausübung der Jagd in Bayern liegt jedoch seit einem Jahr bei Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger (FW).
Aiwanger ist selbst Jäger und möchte nun neue Wege in der Gestaltung der Abschusspläne gehen: Er strebt eine Reform des Bayerischen Jagdgesetzes an, um Jägern und Waldbesitzern mehr Spielräume zu geben. So sollen die Abschusspläne in "grünen" Revieren, also Gegenden mit wenig Wildverbiss, ganz abgeschafft werden. Auf Antrag soll dies aber auch in "roten" Gegenden, also Revieren mit hohem Wildverbiss möglich sein.
"Eigenverantwortung und Pragmatismus statt Zahlenakrobatik ist die Devise", so ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums gegenüber dem BR. Und weiter: "Aiwanger vertritt die Meinung, dass gerade auch in 'roten' Revieren neue Wege gegangen werden müssen, wenn die bisherigen Vorgehensweisen über Jahrzehnte nicht zum Ziel geführt haben." Die Gesetzesinitiative soll jedoch keine Änderungen am Vegetationsgutachten der Forstverwaltung enthalten.
Ziel: Stabiler Laubmischwald
Förster Albrecht Roth und Jäger Kai Kurth schauen sich verschiedene Stellen im Wald bei Gösmes an. Der Förster macht den Jäger auf wertvolle Zukunftsbäume wie junge Eichen aufmerksam und der Jäger verspricht, an diesen Flächen einen Hochsitz aufzustellen. Später kommt noch ein Vertreter der Waldbesitzer dazu. Wenn es nach den Vorstellungen von Jagdminister Hubert Aiwanger geht, sollen solche Waldbegänge die Eigenverantwortung vor Ort stärken. Am 1. April 2025 beginnt die neue Jagdperiode bis 2028. Bis dahin müssen die amtlichen Abschusspläne stehen. Falls es bis dahin zu einer Gesetzesänderung kommt, könnte diese hier bereits ihren Niederschlag finden.
Im Video: Forstliches Gutachten - Sorge um Wildverbiss
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