Dietlind Diepen wohnt seit 60 Jahren in Wolfratshausen. Sie hat eine Routine entwickelt, nach der sie fast täglich zum Einkaufen in die Stadt spaziert. So auch am Montagvormittag – doch diesmal hielt sie länger vor dem Café Bernhofer inne, nachdem sie rechtsextreme Schmierereien entdeckte: "Ich bin vor Schreck erstmal stehengeblieben. Und der Inhalt dieses ersten Satzes 'Wir kommen wieder' – er hat mich an meine Kindheit erinnert."
Diepen ist 1937 geboren, hat noch starke Erinnerungen ans Ende des Zweiten Weltkriegs. "Wenn man das dann mit diesen Schmierereien zusammenbringt, dann kann einem eigentlich nur schlecht werden." Zusammen mit anderen Passanten entfernt sie mittels Reinigungsbenzin und Lappen die Botschaften auf der Windschutzscheibe – "damit die Vandalen nicht andere, vielleicht ähnlich denkende Menschen animieren".
Polizei ermittelt – Spuren noch offen
Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Daniel Katz, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, erklärte, dass auch in der Umgebung von Geretsried ähnliche Vorfälle gemeldet wurden: "Hier werden etwaige Zusammenhänge natürlich geprüft." Schon am Donnerstag hatten Unbekannte die beiden Ladenlokale des homosexuellen Ehepaars Bernhofer mit dem Schriftzug "Fuck LGBTQ" und Hakenkreuzen beschmiert.
Die Stadtgemeinde reagierte daraufhin mit einer Mahnwache. Doch der erneute Sprühangriff stimmt den Wolfratshauser Bürgermeister Klaus Heilinglechner fassungslos: "Es ist ja nicht bloß ein Angriff auf diese beiden Personen und auf diese Geschäfte, sondern auf die gesamte Stadtgesellschaft." Stadtverwaltung und Polizei rufen dazu auf, weiterhin wachsam zu bleiben und solche Vorfälle umgehend zu melden.
Zunahme von rechten Schmierereien? Datenlage unklar
Nehmen solche Schmierereien in den letzten Jahren zu? Im bayerischen Verfassungsschutzbericht von 2023 sind 25 Fälle von rechtsextremen Sachbeschädigungen gelistet, ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2021 (38 Fälle). Das bayerische Landeskriminalamt ordnet auf BR24-Anfrage allerdings ein, dass eine Sachbeschädigung, sollte sie im Zuge einer schwereren Straftat mit extremistischem Hintergrund begangen worden sein, nicht aufgelistet wird.
Denn insgesamt steigen die rechtsextremen Straftaten an: Im letzten Jahr wurde bundesweit ein Höchststand erreicht, allein bis zum 30. November 2024 verzeichnete die Polizei 34.000 Delikte.
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