Die hohe Zahl antisemitischer Vorfälle in Bayern im vergangenen Jahr löst Besorgnis aus. 422 antisemitische Vorfälle gab es 2022 im Freistaat. Das sind 34 Fälle weniger als noch 2021, wie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS) bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2022 in München erklärte. Die Zahlen befänden sich aber auf einem hohen Niveau, betont die Leiterin, Annette Seidel-Arpaci. Hinzu komme eine hohe Dunkelziffer.
"Auf das Jahr umgerechnet hat sich an mehr als jedem Tag in 2022 in unterschiedlicher Ausprägung Hass und Gewalt auf jüdisches Leben entladen", beurteilte der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland die Zahlen. "Das ist umso mehr erschreckend, weil auch die Hemmschwellen immer niedriger werden."
Antisemitismus: Ein niedrigschwelliges Alltagsphänomen
Laut Seidel-Arpaci zeigt sich Antisemitismus 2022 in Bayern weiterhin als relativ niedrigschwelliges Alltagsphänomen. Das sei eine "grässliche gesellschaftliche Normalität", so Seidel-Arpaci. Den größten Teil der antisemitischen Vorfälle macht laut RIAS mit 350 Fällen verletzendes Verhalten aus. Oft sei dies unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, so die Leiterin von RIAS Bayern. Gemeldet wurden für 2022 auch drei Angriffe, 13 Bedrohungen und 30 gezielte Sachbeschädigungen, die sich gegen Zeichen oder Orte zum Gedenken richteten.
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Gedenken an Olympia-Attentat als Anlass für Hetze
17 Vorkommnisse registrierte RIAS anlässlich des 50. Jahrestags des Attentats auf israelische Sportler bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München. Im Umfeld des Gedenkens kam es zu einem Hitlergruß und auch zu antisemitischen Leserbriefen in Zeitungen.
Als gravierendsten Vorfall nennt der Bericht das Geschehen in der Silvesternacht zum 1. Januar 2023, als ein mutmaßlicher Täter versucht haben soll, die ehemalige Synagoge im oberfränkischen Ermreuth in Brand zu setzen. Das sei der erste Fall extremer Gewalt, der seit 2019 bekannt geworden sei, heißt es im RIAS-Jahresbericht. Die meisten antisemitischen Äußerungen und Darstellungen fielen RIAS zufolge bei verschwörungsideologischen Protesten. Deren Zahl stieg 2022 auf 161, im Jahr zuvor waren es 119 Vorfälle.
Sozialministerin Scharf: "Im Alltag gegen Antisemitismus stellen!"
"Auch nach dem Ende von Corona können wir keine Entwarnung geben: Judenhass gibt es an den Rändern, in der Mitte der Gesellschaft und unter Zuwanderern. Es ist unsere Aufgabe, diesen zu erkennen, zu benennen und zu bekämpfen", sagte der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Er verwies auf den Zentralen Antisemitismus-Beauftragten der bayerischen Justiz, Andreas Franck. Dieser habe etwa bei der strafrechtlichen Verfolgung volksverhetzender Holocaustvergleiche bei Corona-Demonstrationen eine entscheidende Rolle gespielt.
Cemal Bozoglu von der Landtagsfraktion der Grünen forderte, Bildungsangebote für junge Menschen und Erwachsene auszubauen. "Antisemitismus ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Wir müssen daher für viel mehr Aufklärung sorgen", sagte der Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus. Für Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf ist Antisemitismus ein tiefgreifendes Gesellschaftsproblem. "Die Alltäglichkeit und die grässliche Normalität des Antisemitismus erschüttert", sagte Scharf im BR-Interview. 422 antisemitische Vorfälle sind laut Scharf 422 Fälle zu viel: "Wir müssen uns in unserem Alltag gegen Antisemitismus stellen."
Mit Informationen von dpa
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