Lucia Birkmeir kennt sich aus mit Kräutern. Mehr als zehn Kulturen baut sie auf ihrem Hof in Rain am Lech an. Zum Beispiel Anis-Ysop, Basilikum, Brennnesseln oder Zitronenmelisse. "Es hilft ja immer, wenn man das persönlich gerne macht, was man produziert und womit man sich tagtäglich beschäftigt", erzählt die 29-jährige Landwirtin, die eine Leidenschaft für Tee und Gewürze hat. Nur eine Sache kommt bei ihr nicht auf den Hof: "Ich könnte keinen Koriander anbauen, den kann ich gar nicht leiden."
"Zukunft der Landwirtschaft: Was haben die Bauernproteste bewirkt?" Darüber diskutiert die Münchner Runde am Mittwochabend um 20:15 Uhr mit Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber und Gisela Sengl, Landesvorsitzende der Grünen in Bayern.
Wen die EU-Förderungspolitik belohnt
Knapp zehn Hektar ist der Betrieb groß, den die 29-jährige Landwirtin pachtet. Nebenbei arbeitet sie in einem Software-Unternehmen, um den Kräuteranbau zu finanzieren. Auch deshalb wünscht sie sich eine andere Förderungspolitik. Denn die EU belohnt derzeit vor allem Fläche: Je größer der Betrieb, desto mehr Geld.
Aber auch ein kleiner Hof wie ihrer, sagt Birkmeir, trage zur Wertschöpfung bei: "Ich könnte schnell Arbeitsplätze schaffen mit der Arbeit, die es bei mir im Betrieb zu tun gibt. Da sehe ich keinen Sinn darin, dass das Geld einfach über die Fläche gegossen wird, unabhängig davon, was darauf passiert."
Birkmeir könnte sich eine Art Punktemodell vorstellen, wie es auch die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft vorschlägt. Dort ist Birkmeir Mitglied. Das Modell sieht vor, dass Förderungen sich nicht nur an der Größe des Betriebs orientieren. Weitere Kriterien könnten Umweltverträglichkeit sein – oder wie viele Menschen in dem Betrieb arbeiten. Außerdem braucht es laut Birkmeir eine andere Junglandwirte-Förderung. Denn wer keinen Hof erbe, habe es momentan sehr schwer, einen neuen aufzubauen.
Wie sinnvoll ist die Agrarpolitik der bayerischen Regierung?
Auf kleine Betriebe setzen will auch die bayerische Staatsregierung. Schließlich ist die einzigartige bayerische Kulturlandschaft laut Agrarministerium der Gemeinwohlleistung bäuerlicher Familien zu verdanken. Könnte sich die Landwirtschaft der Zukunft also daran orientieren? Der Trend geht in eine andere Richtung. Bundesweit geben im Durchschnitt 2.600 landwirtschaftliche Betriebe im Jahr auf. Und auch in Bayern werden über die Hälfte der Höfe im Nebenerwerb betrieben.
Kleine Höfe: Besser für die Umwelt?
Häufig wird auch argumentiert, dass kleine Höfe besser für die Umwelt seien. Der Agrarökonom Peter Breunig widerspricht: "Die Betriebsgröße hat keinen Einfluss darauf, wie Tiere gehalten werden, auch wie eine Landschaft am Ende ausschaut." Die Prognose des Professors, der an der Universität Weihenstephan lehrt: weniger Betriebe, weniger Arbeitskräfte, weniger Geld.
Als Gründe nennt er den Klimawandel und die Veränderung der Ernährung, weg von tierischen Erzeugnissen. Mehr pflanzliche Produkte würden Breunig zufolge zu weniger Verlusten entlang der Wertschöpfungskette führen. Außerdem würde viel Fläche frei, wenn die Tierhaltung zurückgehe. "Dann entstehen mehr Möglichkeiten, dass wir Fläche vielleicht auch anders nutzen können", so Breunig. Allerdings warnt der Agrarökonom auch vor Gefahren. Aus wirtschaftlicher Sicht könne es auch Nachteile haben, wenn Tierhaltung durch alternative Proteine in Großunternehmen ersetzt wird. Dann würde sich zu viel Verantwortung auf zu wenige Konzerne konzentrieren.
Warum die Ernährung der Zukunft vegetarisch sein könnte
Wenn sich Konsumenten vegetarischer ernähren, würden auf den Feldern der Zukunft auch deutlich weniger Tiere stehen. Und es würde weniger Personal gebraucht. Einen großen Zuwachs an Arbeitskräften in der Landwirtschaft hält Peter Breunig ohnehin für unrealistisch. Dafür würden zu viele Fachkräfte in vielen anderen Bereichen benötigt.
USA: Synthetischer Käse aus der Fabrik
Die Landwirtschaft der Zukunft geht laut Breunig also eher in Richtung nachhaltiger Großbetrieb, der auf pflanzliche Ernährung spezialisiert ist. Und selbst tierische Produkte könnte man bald auch ohne Tiere erzeugen. "Das sind die sogenannten alternativen Proteine", erklärt Peter Breunig. Ein Beispiel: In den USA gibt es bereits jetzt synthetischen Käse zu kaufen, der dem von Kühen gleicht, aber in der Fabrik hergestellt wird.
Für Lucia Birkmeir ist eine Zukunft ohne kleine Höfe undenkbar. "Wenn das nicht mehr möglich wäre, wäre die Distanz von Konsumentinnen zu landwirtschaftlichen Produkten, also zu dem, was sie jeden Tag essen, noch größer", sagt die Landwirtin. Und auf dem Land seien Kleinbetriebe wichtig für das Dorfleben. Die Landwirtin weist zudem darauf hin, dass kleine Höfe langfristig auch ökonomisch resilienter seien. Geht der Großbetrieb bankrott, sei der Schaden für alle größer.
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