Die Mieten steigen, Wohnraum ist vielerorts knapp. Für Menschen mit kleinen Renten oder Einkommen ein Problem. Manchen droht die Wohnungslosigkeit.
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Die Mieten steigen, Wohnraum ist vielerorts knapp. Manchen Menschen mit kleinen Renten oder Einkommen droht die Wohnungslosigkeit.

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Zwingt der Mietmarkt mehr Menschen in die Wohnungslosigkeit?

Zwingt der Mietmarkt mehr Menschen in die Wohnungslosigkeit?

Inflation und steigende Mieten machen es etwa Menschen mit kleinen Renten schwer. Viele haben irgendwann Mietschulden. Doch auch wenn sie die Miete immer pünktlich bezahlt haben – melden Vermieter Eigenbedarf an, gibt es häufig Probleme.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Die 76-jährige Helga Leone steht vor ihrem Kleiderschrank im Schlafzimmer. Sie weiß nicht, was sie mit ihren vielen Klamotten machen soll. Nur einen Bruchteil davon hat sie in Umzugskartons gepackt. Die Rentnerin aus Langenzenn hängt an den Dingen. Sie erinnern sie an eine "bessere Zeit", als sie noch verheiratet war. Ihr Ex-Mann: ein US-Offizier. Mit ihm lebte sie teils in Franken, teils in Amerika. Es ging ihr gut. Heute ist sie geschieden. Kinder hat sie keine, kaum Bekannte. Der ehemaligen Verkäuferin ist nur noch eines wichtig: ihr Kater namens "Barbie". Er ist schon ein älteres Semester. Jetzt spendet er ihr Trost. Denn Helga Leone muss raus aus ihrer Wohnung. Sie hat sich erfolglos dagegen gewehrt.

Eigenbedarfskündigung änderte alles

Rund zwei Jahre zuvor hatte Helga Leones Vermieter die Wohnung verkauft. Die neue Eigentümerin schickte bald die Kündigung. Der Grund: Eigenbedarf. Nahe Angehörige sollten einziehen. Seitdem ist Helga Leone auf der Suche nach einer Alternative – ohne Erfolg.

Mit ihrer Rente in Höhe von etwa 1.100 Euro kann sie keine großen Sprünge machen. Mietschulden hatte die Rentnerin eigenen Angaben zufolge nie. Doch in ihrem Alter kann sie auf dem Mietmarkt nur schwer mithalten. Sie hat weder ein Smartphone noch einen PC und niemanden, der ihr bei der Wohnungssuche hilft. Ihr bleibt nur eine Obdachlosenunterkunft der Kommune. Damit ist sie kein Einzelfall.

3.000 Haushalte im vergangenen Jahr betroffen

Im vergangenen Jahr haben laut bayerischem Justizministerium rund 3.000 bayerische Haushalte ihre Wohnung durch Zwangsräumung verloren. Diesen Missstand will das bayerische Sozialministerium beheben. Es fördert den Aufbau von speziellen Beratungsstellen, die dann von Trägern wie der Diakonie geführt werden. Wer von Wohnungslosigkeit bedroht ist, soll schon vor einer drohenden Zwangsräumung Hilfe bekommen.

Stephanie Watschöder ist für den Süden Bayerns zuständig. Sie sagt, in solchen Fällen müsse schnell reagiert werden. Fachberatungsstellen lobt sie als den richtigen Weg, um "das Schlimmste zu verhindern".

Hilfe gibt es nicht überall

Während solche Beratungsstellen bereits vielerorts existieren, gibt es in Teilen des Freistaates noch Lücken. Hat Helga Leone also einfach Pech, dass sie in Langenzenn im Landkreis Fürth wohnt und nicht mehr so mobil und vernetzt ist und damit den Anschluss verliert? Fallen Menschen wie sie durchs Raster? Hätte sie woanders mehr Hilfe bekommen bei der Wohnungssuche?

Expertin Stephanie Watschöder ist überzeugt, dass man Leute wie Helga Leone nicht einfach sich selbst überlassen kann. Sie bräuchten Unterstützung, auch bei der Suche nach einer Wohnung: "Heute braucht man eine Bewerbungsmappe, während man vor 15 Jahren einfach zu einer Wohnungsbesichtigung gehen konnte. Damals waren vielleicht noch zwei andere Personen da. Heute sind es vielleicht 150."

Gute Erfahrungen mit Beratungen hat man etwa in Ebersberg gemacht. Dort betreibt die Diakonie eine entsprechende Stelle. Janett Bodemann arbeitet dort. Sie ist mit verschiedenen anderen Sozialdiensten vor Ort vernetzt: Schuldnerberatung, Seniorendienste, Suchthilfen. Über solche Stellen kommt sie an Adressen von Betroffenen und sucht dann das Gespräch. Wichtig seien auch Hausbesuche, "damit die ältere Bevölkerung nicht allein dasteht". Insbesondere wenn "Otto-Normal-Verbraucher" mit ihren Sorgen auf sie zukämen, stünden die Chancen gut, die drohende Wohnungslosigkeit abzuwenden.

Wohnungslosigkeit teurer als Beratung

Die ist in jedem Fall teurer als die Beratung. Denn wenn die Betroffenen die Wohnung erst einmal verloren haben, kostet die Unterbringung der Wohnungslosen den Behörden später sehr viel mehr Geld. Gesetzlich sind die Kommunen verpflichtet, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten.

Gerade in Ballungsräumen müssen die Behörden hohe Summen für Notunterkünfte ausgeben, denn Wohnraum ist generell sehr teuer geworden. Die bayerische Landeshauptstadt gibt dem Sozialreferat zufolge zum Beispiel derzeit rund 36 Millionen Euro im Jahr für die Unterbringung von Wohnungslosen aus. Rund 13.000 Wohnungslose gibt es den offiziellen Angaben zufolge aktuell in München. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn Tausende Menschen sind laut Fachstellen zusätzlich inoffiziell wohnungslos. Sie schlafen bei Bekannten oder Familienangehörigen auf der Couch, hangeln sich durch.

Helga Leone will unterdessen nicht aufgeben. Auch wenn sie in der örtlichen Obdachlosenunterkunft lebt, hofft sie weiter auf eine neue eigene Wohnung in der vertrauten Umgebung.

Mehr zu diesem Thema hören Sie am 16.10.2024 um 12:17 Uhr in der Sendung Funkstreifzug im Radioprogramm von BR24. Sie finden die Sendung schon jetzt im Funkstreifzug-Podcast in der ARD Audiothek.

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