Früher gab es in fast jedem kleinen bayerischen Dorf einen "Tante-Emma"-Laden, in dem die Einwohner alles für den täglichen Bedarf bekamen. Mit der Zeit haben Supermärkte die kleinen Läden verdrängt. Jedoch stehen die großen Läden meistens im nächst größeren Ort.
Frauenau im Landkreis Regen verlor bereits 2018 den letzten Supermarkt im Ort. Damals sprang dann aber Karin Schaich ein und übernahm ihn – zur Freude der Einwohner.
"Wir sind froh, wenn es wieder was gibt. Wir alten Leute ohne Auto sind immer auf die Jungen angewiesen, dass sie uns zum Einkaufen nach Zwiesel fahren." Frauenauer Bürgerin 2018
Vom Erfolg zur Enttäuschung
Anfangs lief der Laden auch gut, hatte bis zu zehn Beschäftigte, viele in Teilzeit. Doch in der Corona-Pandemie kam der Umsatzeinbruch, sagt Karin Schaich heute – und auch danach ging es nicht mehr bergauf.
Sie sei "stark enttäuscht" und fühle sich von den Frauenauern "im Stich gelassen". Denn die hätten doch lieber in den Supermärkten der nur sieben Kilometer entfernten Nachbarstadt Zwiesel eingekauft.
Der Umsatz reichte zuletzt nicht mehr. Am Ende betrieb Karin Schaich den Laden völlig alleine. Jetzt muss sie sogar Insolvenz anmelden.
"Es haben sich so viele Schulden angesammelt: Das Gebäude war gepachtet und die Energiekosten sind stark gestiegen. Das waren zuletzt rund 6.000 Euro im Monat nur für Pacht, Strom und so weiter. Das kam einfach nicht mehr rein." Karin Schaich, Ladenbetreiberin
Wenn man bei den Frauenauern rumfragt, erfährt man: Die Warenauswahl sei immer weniger, der Laden deshalb immer unattraktiver geworden. Doch das ist die natürliche Folge, wenn der Umsatz sinkt – ein Teufelskreis.
Gegenbeispiel Langdorf: Ein kleiner Laden hält sich
Langdorf - ebenfalls im Landkreis Regen - hat nur rund 1.900 Einwohner, ist also kleiner als Frauenau. Aber dort kann sich ein kleiner Laden seit vielen Jahren halten. Er hat eine Poststelle, verkauft Brot, Semmeln und Gebäck, die täglich frisch geliefert werden, außerdem natürlich die wichtigsten Lebensmittel bis hin zu Kleinigkeiten wie Grablichtern und Geschenkkarten.
Der Laden wird gut besucht und Bürgermeister Michael Englram (CSU) hofft, dass es auch so bleibt: "Ich sage den Leuten immer: Kauft dort ein, dann ist er auch nicht weg. Wir haben es selbst in der Hand, ob so ein Laden bleibt oder aufgibt."
Dabei fahren die Langdorfer zum Einkaufen natürlich auch in die Nachbarorte. Die Kreisstadt Regen mit mehreren Supermärkten ist nur vier Kilometer entfernt. Gegen die riesige, bunte Auswahl großer Märkte und die allgemein dort üblichen Öffnungszeiten von sieben Uhr früh bis 20 Uhr abends haben es kleine Läden naturgemäß immer schwer. Aber ganz ohne eigenen Laden im Ort wird es auch für die Einwohner schwierig.
Patersdorf: Kein Bäcker, kein Metzger, kein Supermarkt
In der Lage, praktisch fast nichts mehr direkt im Ort kaufen zu können, ist die Gemeinde Patersdorf mit ihren 1.764 Einwohnern. Seitdem ein größerer Lebensmittelladen im Ortszentrum vor Jahren zugemacht hat, gibt es nur noch "einen einzigen kleinen Kramerladen" in einem Ortsteil, sagt Bürgermeister Adolf Muhr (SPD), außerdem keinen einzigen Bäcker oder Metzger mehr.
Muhr sucht wie schon seine Amtsvorgänger händeringend nach einem Ausweg und betont: "Es gibt sogar Supermärkte, die Interesse an Patersdorf haben. Aber ich kann leider keine Grundstücke für sie anbieten. Deshalb ist bisher nichts draus geworden."
Patersdorf liegt direkt an der Bundesstraße 85. Supermarktkunden könnten also auch Vorbeifahrende und Pendler sein. Marktketten erforschen vorher genau, was an Umsätzen an einem Standort zu erwarten ist. Da helfen auch zusätzliche Kundenkreise, etwa Feriengäste in gut frequentierten Urlaubsorten wie zum Beispiel Bodenmais.
In der Stadt Zwiesel, die eigentlich nur knapp 10.000 Einwohner hat, gibt es sogar fast ein Dutzend Supermärkte, also ein erstaunlich üppiges Angebot. Viele zusätzliche Kunden kommen dort aus dem nahen Tschechien, außerdem aus Nachbarorten wie eben Frauenau, die dann aber den eigenen Markt verlieren.
Bayerisch Eisenstein: Dorfladen aus Ausweg?
Als Ausweg für unterversorgte Orte gelten Dorfläden. Doch das Konzept gelingt nicht immer. In der Gemeinde Bayerisch Eisenstein ist der erste Dorfladen-Versuch gescheitert, obwohl die Einwohner dafür sogar eine Genossenschaft gegründet hatten. Aber am Ende kauften trotz der guten Warenauswahl viel zu wenige der rund 1.000 Einwohner dort ein. Personal- und Nebenkosten konnten mit den vergleichsweise niedrigen Umsätzen nicht erwirtschaftet werden.
Der jetzige Dorfladen der "Kramerin" läuft dagegen gut, aber nur, weil Besitzerin Monika Kreuzer so viele ungewöhnliche Ideen reinsteckt und ihn mit ihrem Mann alleine - also ohne hohe Personalkosten - betreibt.
Die "Kramerin" ist eine Mischung aus Geschenkartikel- und Lebensmittelladen mit zusätzlichen Extras wie einem kleinen Cafébetrieb und viel edler Feinkost. Obst, Gemüse, Backwaren und auch ganz normale Lebensmittel – alles wird hier so liebevoll präsentiert wie Deko. Dieses ungewöhnliche Einkaufserlebnis lockt auch viele Kunden von außerhalb an und hilft diesem Dorfladen zu überleben.
Weniger Supermärkte im vergangenen Jahrzehnt
In den vergangenen Jahren hatten verschiedene Statistiken immer wieder einen Rückgang der Zahl der Supermärkte in Bayern festgestellt. Allerdings unterschieden sich die Zahlen – abhängig davon, welche Kriterien angesetzt wurden.
Nach zuletzt erhobenen Zahlen, die dem Bayerischen Wirtschaftsministerium vorliegen, gab es 2019 noch 6.332 Supermärkte und Discounter mit einem breiten Sortiment an Lebensmitteln im Freistaat, davon 706 in Niederbayern und 544 in der Oberpfalz.
2015 wurden 6.532 Geschäfte gezählt, fünf Jahre zuvor - also 2010 - 7.104. Laut Wirtschaftsministerium hat dies zur Folge gehabt, dass auf 10.000 Einwohner 2019 im Durchschnitt nur noch 14,6 Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte kamen, während es 2010 noch statistisch 18,1 waren.
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