Ein Holzschild vor dem ehemaligen Anwesen der Zwölf Stämme in Klosterzimmern zeigt die Aufschrift: Herzlich Willkommen - Gemeinschaft in Klosterzimmern
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Archiv: Ehemaliges Anwesen der Zwölf Stämme in Klosterzimmern im Landkreis Donau-Ries

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Zwölf Stämme: Mädchen darf bei leiblichen Eltern bleiben

Zwölf Stämme: Mädchen darf bei leiblichen Eltern bleiben

Eine Zwölfjährige verschwindet aus ihrer Pflegefamilie. Sie ist nicht auffindbar - die Vermutung: Sie ist bei ihren leiblichen Eltern. Denen war wegen Prügelvorwürfen das Sorgerecht entzogen worden. Nun darf sie dennoch dort bleiben.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Als Aussteiger der urchristlichen Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" in Klosterzimmern im Landkreis Donau-Ries im Jahr 2013 von Kindesmisshandlungen berichten, schreitet das Jugendamt ein. Unter den Kindern, die die Polizei in Obhut nimmt, ist damals auch ein dreijähriges Mädchen, das in einer Pflegefamilie unterkommt. Acht Jahre später, im Herbst 2021, verschwindet das Mädchen in Eppisburg - sie kommt nach dem Joggen nicht nach Hause. Wenig später melden sich die leiblichen Eltern, ihrer Tochter gehe es gut.

Das Gericht geht davon aus, dass sie von diesem Zeitpunkt an wieder bei den Eltern lebt, mutmaßlich in der Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme". Die ist nach Tschechien umgezogen, wo körperliche Bestrafung nicht vollständig verboten ist. Heute darf die inzwischen 14-Jährige wieder legal bei ihren leiblichen Eltern bleiben. Denn das Amtsgericht Dillingen hat den Entzug des Sorgerechts aufgehoben. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Pflegeeltern stimmen zu

Die leiblichen Eltern hatten laut Gericht in den vergangenen Jahren immer wieder beantragt, das vollständige Sorgerecht zurückzubekommen. 2022 war das noch abgelehnt worden. Als das Gericht Ende vergangenen Jahres erneut die Überprüfung des Sorgerechtsentzugs anordnete, stimmten die Pflegeeltern den leiblichen Eltern zu: Das Mädchen habe ihrer Meinung nach einen "sehr engen und vertrauensvollen Bezug zu den leiblichen Eltern". Auch eine Verfahrensbeiständin ist laut Gericht zu dem Schluss gekommen, dass das Mädchen bei den Eltern bleiben wolle.

Mädchen spricht per Video

Im Juni hörte das Gericht dann die Eltern und das Mädchen selbst per Video an. Auch wenn es nicht völlig ausschließen könne, dass das Kind dabei beeinflusst wurde, befand es die Äußerungen für glaubwürdig. Das Mädchen habe mit eigenen Worten und altersgemäß erklärt, dass es unbedingt bei den Eltern und auch der Glaubensgemeinschaft bleiben wolle. Dabei sei es sehr offen gewesen und habe sich auch künftigen Besuchen bei der Pflegefamilie gegenüber aufgeschlossen gezeigt. Die Einschränkungen, die ein Leben bei den "Zwölf Stämmen" mit sich brächten, seien ihr bewusst, sie habe erklärt, sie eigenbestimmt hinnehmen zu wollen.

Das Alter spielt eine Rolle

Die Anhörung der Eltern hat laut Gericht keinen Hinweis auf eine weiter andauernde Gefährdung des Kindeswohls erbracht. Und auch das Alter des Mädchens spielte bei der Entscheidung des Gerichts eine Rolle: Denn ab einem Alter von 14 Jahren seien "Züchtigungen" gegen Kinder auch bei den "Zwölf Stämmen" nicht mehr zulässig, da sie als eigenverantwortlich angesehen würden, heißt es vom Gericht. Bereits im Juli sei deshalb den Eltern das vollständige Sorgerecht wieder übertragen worden.

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