Karlsruhe: Person wird nach Razzia gegen Reichsbürgerszene aus einem Polizeihubschrauber gebracht.
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Razzia bei Reichsbürgern: "Abgrund terroristischer Bedrohung"

Razzia bei Reichsbürgern: "Abgrund terroristischer Bedrohung"

Bei einem großen Anti-Terror-Einsatz sind 25 Personen aus der Reichsbürgerszene festgenommen worden. Die Verdächtigen sollen Umsturzpläne gehegt haben. Innenministerin Faeser spricht von einem "Abgrund terroristischer Bedrohung".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Bundesanwaltschaft ist gegen eine mutmaßliche terroristische Vereinigung vorgegangen, die unter anderem einen bewaffneten Angriff auf den Bundestag geplant haben soll. Die Gruppe soll aus einem Netzwerk aus sogenannten Reichsbürgern und Verschwörungsideologen bestehen. Es handelt sich dabei um den größten Einsatz in der Geschichte der Bundesrepublik, den die Bundesanwaltschaft zusammen mit dem Bundeskriminalamt an nur einem Morgen durchgeführt hat.

Festgenommen wurden den Angaben nach 25 Personen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen sowie jeweils eine Person in Österreich und Italien. Ihnen wird die Mitgliedschaft in oder die Unterstützung einer inländischen Terrorvereinigung vorgeworfen. Sechs der Festgenommenen sind Männer aus Bayern.

Wie Generalbundesanwalt Peter Frank am Mittag auf einer Pressekonferenz bekannt gab, werden alle Festgenommenen am Mittwoch und Donnerstag den zuständigen Ermittlungsrichtern vorgeführt. Acht Personen, darunter der mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe, befinden sich bereits in Untersuchungshaft.

Errichtung eines neuen Deutschen Reiches

Ziel der Gruppe war nach Informationen des ARD-Terrorismusexperten Holger Schmidt der Sturz des deutschen Staates und die Errichtung eines Deutschen Reiches nach dem Vorbild von 1871. Sie habe verschiedene Szenarien vor Augen gehabt, darunter den Sturm auf den Deutschen Bundestag an einem Tag X sowie die Destabilisierung des Staates durch das Erzeugen politischer Unruhe.

Nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ist dieser Tag X bereits zweimal verschoben worden, ursprünglich hätte er im März, dann im September dieses Jahres stattfinden sollen. Ehemalige Soldaten hätten Abgeordneten im Bundestag an diesem Datum Handschellen anlegen und sie abführen sollen. Zusätzlich hätte es in Deutschland zu Blackouts kommen sollen.

Wohl auch ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin festgenommen

Wie bekannt wurde, gehören zur Gruppe der Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß aus Hessen, die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin aus Berlin, Birgit Malsack-Winkemann, sowie mehrere ehemalige Angehörige des Kommandos Spezialkräfte (KSK), aber auch Ärzte und weitere Unternehmer. Die Gruppierung soll vor Gewalt nicht zurückschrecken und auch Zugang zu Waffen haben. 22 der 25 Festgenommenen sollen Mitglieder dieser terroristischen Vereinigung sein, zwei davon Rädelsführer. Drei weitere gelten als Unterstützer. Zudem gebe es 27 weitere Beschuldigte, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.

Wohl größte Durchsuchungsaktion der BRD-Geschichte

Im Rahmen einer der größten Durchsuchungsaktionen der bundesdeutschen Geschichte durchsuchen seit dem Morgen rund 3.000 Einsatzkräfte mehr als 150 Häuser, Wohnungen und Büros in elf Bundesländern. Bundesweit rückten Polizeieinheiten, darunter GSG9-Spezialkräfte der Bundespolizei, an.

Video: Generalbundesanwalt: Festgenommene wollten "neue deutsche Armee aufbauen"

Pressekonferenz zur Reichsbürger-Razzia mit Generalbundesanwalt Peter Frank
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Generalbundesanwalt Peter Frank

Ermittlungen gegen 15 bis 18 Personen aus Bayern

Insgesamt richten sich die heutigen Ermittlungen nach Angaben eines Sprechers der Bundesanwaltschaft gegen 15 bis 18 Personen in Bayern. Insgesamt wurden sechs Bayern festgenommen, teilte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Innenausschuss des Landtags mit, zwei von ihnen im Ausland, im italienischen Perugia und im österreichischen Kitzbühel. Zusätzlich gibt es fünf weitere Tatverdächtige, gegen die aber kein Haftbefehl vorliegt, und mehrere nicht beschuldigte Personen.

Die Bundesanwaltschaft bestätigte auf BR-Anfrage vier Zugriffe in Franken, in den Landkreisen Ansbach, Forchheim, Bayreuth und Schweinfurt. Durchsucht werden in Bayern aktuell Objekte in 20 verschiedenen Kommunen und Landkreisen, darunter in München, Augsburg, Regensburg, im Raum Nürnberg und dem Landkreis Miesbach. Allein in Bayern sind nach Angaben eines Sprechers des Bayerischen Landeskriminalamtes hunderte Einsatzkräfte an den Durchsuchungen beteiligt.

Der Mann, der im Landkreis Ansbach festgenommen worden ist, gehört BR-Recherchen zufolge offenbar zur Führungsriege der rechtsextremen Terrorgruppe. Den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zufolge war Thomas T. die rechte Hand des mutmaßlichen Anführers. Nach dem geplanten gewaltsamen Umsturz sollte er demnach die Rolle des persönlichen Referenten übernehmen. Die Ermittler gehen davon aus, dass T. maßgeblich damit beschäftigt war, verwaltungsähnliche Strukturen aufzubauen, Schießtrainings zu organisieren und neue Mitglieder zu rekrutieren.

Bundesweite Razzia gegen Reichsbürger – vier Festnahmen in Franken
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Bundesweite Razzia gegen Reichsbürger – vier Festnahmen in Franken

Ermittlungen unter dem Codename "Schatten"

Zuvor hatten das Bundeskriminalamt (BKA), mehrere Landeskriminalämter und Verfassungsschutzbehörden umfangreiche Ermittlungen geführt. Beim BKA laufen die Ermittlungen nach Informationen von WDR, NDR und SZ unter dem Namen "Schatten". Zahlreiche Telefone wurden demnach überwacht, Personen observiert und deren Aktivitäten im Internet verfolgt.

Ausgangspunkt der Ermittlungen sollen Verbindungen von Mitgliedern der nun ausgehobenen Vereinigung zu Angehörigen der Gruppe "Vereinte Patrioten" sein, die im April festgenommen worden waren und geplant haben sollen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu entführen.

Hauptbeschuldigter ist Gutsherr eines Jagdschlosses

Die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden hatten im Frühjahr dieses Jahres nach ersten Hinweisen des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hessen begonnen. Dort war man auf einen Adligen aufmerksam geworden: Heinrich XIII. Prinz Reuß, 71 Jahre alt, Immobilienunternehmer mit Wohnsitz in Frankfurt am Main und Gutsherr eines Jagdschlosses im ost-thüringischen Bad Lobenstein. Er gilt als Hauptbeschuldigter. Viel Wirbel gibt es insbesondere um die Personalie Birgit Malsack-Winkemann. Sie saß von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag, im März 2022 kehrte sie in den Richterdienst zurück und ist am Landgericht Berlin tätig.

Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) hatte versucht, ihre Rückkehr in den Richterdienst zu verhindern, war damit aber Mitte Oktober vor Gericht gescheitert. Gegen das Urteil ist eine Berufung möglich. Die Juristin ist nach ihrer Festnahme allerdings aus der Zivilkammer 19a ausgeschieden, wie eine Sprecherin des Gerichts auf Anfrage mitteilte. Malsack-Winkemann ist damit vorerst nicht in aktuelle Verfahren eingebunden. Sie steht den Angaben zufolge aber weiterhin als Richterin zur Verfügung auf einer sogenannten Bereitschaftsliste.

Gruppe mit einem Kabinett ähnlichen Strukturen

"Wir haben noch keinen Namen für diese Vereinigung", sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Diese begründe sich den Erkenntnissen zufolge auf Verschwörungsmythen. Die Mitglieder seien der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten Deep States, eines "tiefen Staats", regiert werde, hieß es in einer Mitteilung. Ein Angriff eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika stehe dieser Überzeugung nach kurz bevor.

Spätestens Ende November 2021 sollen die Menschen die Gruppierung gegründet haben. Zentrales Gremium sei ein "Rat". Dieser verfüge ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung über Ressorts wie Justiz, Außen und Gesundheit. Für dieses Schattenkabinett hat es laut dem ARD-Terrorismusexperten Holger Schmidt auch bereits Personal gegeben. Eine Ärztin aus Niedersachsen sei als Gesundheitsministerin vorgesehen gewesen, die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin aus Berlin als Justizministerin, Prinz Reuß als Staatsoberhaupt. "Die Mitglieder des "Rates" hätten sich seit November 2021 regelmäßig im Verborgenen getroffen, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen", teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Ein "militärischer Arm" sollte den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen "beseitigen", heißt es von der Bundesanwaltschaft. Der Vereinigung sei bewusst, dass es dabei zu Toten kommen werde. "Sie nimmt dieses Szenario aber als notwendigen Zwischenschritt zur Erreichung des von ihr angestrebten "Systemwechsels auf allen Ebenen" zumindest billigend in Kauf." Einige mutmaßliche Mitglieder des militärischen Arms hätten aktiv Dienst in der Bundeswehr geleistet.

Reichsbürger wollten Polizisten und Soldaten rekrutieren

Die mutmaßliche "Reichsbürger"-Gruppierung hat laut Bundesanwaltschaft vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei für den geplanten Staatsumsturz rekrutieren wollen. Bei mindestens vier Treffen in Baden-Württemberg im vergangenen Sommer hätten mutmaßliche Mitglieder für die terroristische Vereinigung und ihre Ziele geworben, teilte die Behörde am Mittwoch in Karlsruhe mit.

Im November hätten Beschuldigte in Norddeutschland gezielt Polizeibeamte für die Vereinigung gewinnen wollen. Im Oktober hätten Angehörige des "militärischen Arms" Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet, "um sie auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren".

Entsetzen im politischen Berlin

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich "tief besorgt" über das aufgedeckte Komplott geäußert. Dies sei "ein neues Niveau", sagte Steinmeier dem MDR. Sollte sich bestätigen, dass terroristische Straftaten vorbereitet worden seien, "dann muss auch gehandelt werden, dann muss auch das Strafrecht Grenzen setzen". Wichtig zur Abwehr der Gefahren sei jedoch auch eine engagierte Bürgergesellschaft. "Die Wehrhaftigkeit der Demokratie beweist sich auch darin, dass sich diejenigen, die anderer Meinung sind, die ein liberales, ein demokratisches, ein offenes Deutschland wollen, lauter äußern, als das gelegentlich der Fall ist."

Bundesjustizminister Marco Buschmann bezeichnete die bundesweite Razzia als "Anti-Terror-Einsatz". "Demokratie ist wehrhaft: Seit heute Morgen findet ein großer Anti-Terror-Einsatz statt", schrieb der FDP-Politiker am Mittwochmorgen auf Twitter.

Politikerinnen und Politiker von SPD und Grünen haben sich entsetzt über das mutmaßliche Terror-Netzwerk geäußert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem "Abgrund terroristischer Bedrohung". "Die heute aufgedeckte mutmaßliche terroristische Vereinigung ist - nach dem Stand der Ermittlungen - von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben", erklärte Faeser am Mittwoch in Berlin. Der Rechtsstaat wisse sich jedoch "gegen die Feinde der Demokratie zu wehren".

Dass auch eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD unter den Verdächtigen sei, beunruhige sehr, sagte Rolf Mützenich (SPD). "Dass das Parlament offensichtlich mehr und mehr in den Fokus auch derjenigen gerät, die bereit sind, möglicherweise auch Gewalt anzuwenden, das macht Parlamentarierinnen und Parlamentarier betroffen, aber das darf sie nicht an ihrer Arbeit hindern."

"Rechtstaat muss sich wehren"

SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast sagte: "Unsere Werte müssen jeden Tag aufs Neue verteidigt werden." "Es gibt Kräfte, die tagtäglich daran arbeiten, unsere Demokratie zu zersetzen. Und dagegen muss und kann sich unser Rechtsstaat wehren". "Heute morgen zeigt sich, dass der Staat wehrhaft ist gegen die Feinde der Demokratie im Innern", sagte auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dem Portal t-online. "Die Gewaltfantasien der Reichsbürgerszene darf man nicht als Klamauk oder Spinnerei abtun", warnte er davor, die Beteiligten zu unterschätzen, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken würden.

"Rechtsextremer Terror ist die größte Gefahr für unsere Demokratie", schrieb Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge auf Twitter. "Wir müssen die Gefahren des Rechtsextremismus ernst nehmen", mahnte auch die Grünen Ko-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Und die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, sagte im Interview mit Bayern 2, sie fühle sich an die Ereignisse am Kapitol in Washington erinnert. Besonders beunruhigend sei, dass da nicht nur Ideologen am Werk waren, sondern "auch tatsächlich Leute, die an Waffen ausgebildet wurden".

Mit Agenturmaterial der dpa und AFP.

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