Die neuen und alten Parteivorsitzenden der AfD: Alice Weidel (l.) und Tino Chrupalla (r.)
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Mit einem starken Ergebnis wurde heute die AfD-Doppelspitze - Alice Weidel und Tino Chruppala - im Amt bestätigt.

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AfD-Bundesparteitag: Draußen Protest, drinnen Harmonie

Während draußen demonstriert wird, herrscht drinnen Harmonie: Vor den anstehenden Landtagswahlen im Osten will die AfD auf ihrem Parteitag geschlossen auftreten. Weidel und Chrupalla sind wiedergewählt – mit einer Überraschung. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Sie skandieren "Nazis raus", "bunt statt braun" – doch die Protestrufe der Demonstranten sind in der Essener Grugahalle nicht zu hören. Dort, wo der AfD-Bundesparteitag stattfindet. Dennoch werden die Demo-Rufe in der Halle aufgegriffen, die AfD-Politiker nutzen den Protest der Demonstranten in ihren Reden als Steilvorlage.

Weidel und Chrupalla schwören AfD auf Einigkeit ein

Den Gegenwind von außen nutzen sie drinnen, um Geschlossenheit zu demonstrieren: "Wir sind hier – und wir werden bleiben!", ruft AfD-Chefin Alice Weidel. Sie und ihr Co-Partner Tino Chrupalla schwören die Partei auf Zusammenhalt ein: Kein Streit – das ist das Signal, das nach draußen dringen soll, auch als Vorbereitung auf die anstehenden Landtagswahlen im Osten. Im Herbst wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt.

Weidel und Chrupalla gehen dafür auf Kuschelkurs, sprechen von "geliebte Alice" und "geliebter Tino". Keine internen Unruhen provozieren – so lässt sich die Stimmung des Parteitags zusammenfassen. Das zeigt sich auch in der Wiederwahl des AfD-Duos Weidel und Chrupalla: Sie wurden in ihrem Amt von rund 600 Delegierten bestätigt.

Verändertes Kräfteverhältnis: Chrupalla vor Weidel

Das Ergebnis sorgt aber doch für eine Überraschung: Hatte Weidel bei der letzten Vorstandswahl mit 67 Prozent mehr Zustimmung als ihr Co-Partner Chrupalla mit 53 Prozent, so hat sich das Kräfteverhältnis jetzt verändert. Er holt 82,72 Prozent, sie 79,77 Prozent. Chrupalla wirkte selbst überrascht, sprach von einem "überwältigenden Ergebnis".

Zwar gilt Weidel als das Zugpferd der Partei, als Liebling der Basis. Doch Chrupalla, Sachse und damit der Ost-Part des Duos, hat sich sein Standing in der AfD hart erarbeitet. Sein Fleiß, seine Besuche an der Basis kommen an, werden geschätzt, wie von den Delegierten zu hören ist. Hinter vorgehaltener Hand heißt es zudem: Weidel werde stärker als Chrupalla für die vermurkste Europawahl, die von Skandalen und Affären rund um die Spitzenkandidaten Krah und Bystron geprägt war, verantwortlich gemacht.

AfD-Europawahlkampf: "Wir hätten 20 Prozent holen können"

Zwar holte die AfD bei der Europawahl als zweitstärkste Kraft knapp 16 Prozent. Doch Weidel selbst spricht von einem "turbulenten Wahlkampf", nimmt die Namen Krah und Bystron dabei aber nicht einmal in den Mund: "Es hat geruckelt, gekracht, dennoch haben wir ein hervorragendes Ergebnis einfahren können." Chrupalla meint: "Wir hätten 20 Prozent holen können." Der künftige Kurs der AfD daher: disziplinierter, die Partei professionalisieren, mehr erklären, Strukturen schaffen.

Dafür soll am zweiten Tag des Bundesparteitags über einen neuen Posten abgestimmt werden: Um geordneter und strukturierter aufzutreten, soll ein Generalsekretär installiert werden. Ab wann und ob dieser nur mit einer Einerspitze einhergeht und die Doppelspitze somit künftig ablösen wird: bislang offen.

Bayern-AfD zieht auf Parteitag Antrag zurück

Klar ist: Große Diskussionen sollen am ersten Tag nicht angestoßen werden. Dafür spricht auch, dass ein Antrag des bayerischen AfD-Landesverbands wieder zurückgezogen wurde. Dieser zielte unter anderem darauf ab, den Europawahlkampf nochmals aufzuarbeiten und Bystron und Krah den Rücken zu stärken – die Skandale um die Spitzenkandidaten sieht die Bayern-AfD als "auf Lügen und Verdächtigungen basierende Schmutzkampagnen" an. Der Antrag – ein Fingerzeig auf Weidel und Chrupalla, die sich nicht klar hinter Krah gestellt hatten.

Doch mit der Rücknahme des Antrags gab es keine Debatte am Parteitag. "Jeder hat ihn gelesen – das war unser Wunsch", so der bayerische AfD-Chef Stephan Protschka, der betont: Die Diskussion um den Antrag im Vorfeld habe genügt. Auch die Wiederwahl des AfD-Duos deutet Protschka als "Einigkeit der AfD": "Jetzt können wir Vorbereitungen treffen für den Bundestagswahlkampf." Hierfür ist Bayern ganz auf Linie des Bundesvorstands. Auch im Freistaat soll alles strukturierter und geordneter werden, denn "auch wir werden immer größer", meint Protschka.

AfD-Einigkeit: Inszenierung oder Weiterentwicklung?

Vieles auf dem Bundesparteitag wirkt für Beobachter einerseits abgesprochen, inszeniert: Gegenkandidaten für die Posten von Weidel und Chrupalla gab es nicht, auch keine Nachfragen. Andererseits wird die Geschlossenheit auch als Weiterentwicklung der Partei angesehen, die aus vergangenen Machtkämpfen auf offener Bühne gelernt habe. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder spricht im BR24-Interview von einer "Altparteiisierung" auf der Organisationsebene der AfD – also eine Angleichung an etablierte Parteien – während gleichzeitig die Radikalisierung fortbesteht.

Die AfD-Delegierten demonstrieren Harmonie, um ihr Ziel zu erreichen: "Im Osten muss für uns die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen", ruft Tino Chrupalla. Dort ist die AfD derzeit stärkste Kraft. Ob die Partei für die Bundestagswahl nächstes Jahr einen Kanzler-Kandidaten oder eine Kandidatin stellt? Das werde sich im März 2025 zeigen, so Weidel.

Im Video: BR-Reporterin Eva Huber vom AfD-Bundesparteitag in Essen

BR-Reporterin Eva Huber berichtet vom AfD-Bundesparteitag in Essen.
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BR-Reporterin Eva Huber berichtet vom AfD-Bundesparteitag in Essen.

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