Bauern in ganz Deutschland sind außer sich und protestieren, denn seit Kurzem steht fest: Die Bundesregierung will Agrardiesel zukünftig nicht mehr steuerlich begünstigen und so 485 Millionen Euro sparen. Für die Landwirte würde damit der Diesel teurer werden. Für viele bedeutet das Einbußen im vierstelligen Bereich, teilweise sogar mehr, aber auch weniger - abhängig von Art und Größe des Betriebs. Experten sagen: Die Wut der Landwirte ist nicht zuletzt deshalb so groß, weil es bislang kaum Alternativen gibt. Diesel sei nach wie vor die Allzweckwaffe in der Landwirtschaft und in vielen Einsatzbereichen nicht wegzudenken. Woran liegt das?
E-Revolution in der Landwirtschaft nicht in Sicht
Kleine Hoflader mit Elektromotoren werden bereits von mehreren Herstellern verkauft und vereinzelt in landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt. Doch bei größeren Fahrzeugen sieht das anders aus. Die bisher wenigen elektrisch angetriebenen Traktoren gibt es bislang nur als Prototypen, deren Leistung viel zu gering ist, um sie in der Landwirtschaft breit einzusetzen.
So will der bayerische Landmaschinen-Hersteller Fendt nächstes Jahr mit der Serienproduktion seines E-Traktors e100 Vario starten. Die Antriebsleistung soll bei etwa 70 PS liegen, die Akkulaufzeit bei vier bis sechs Stunden. Der Preis steht noch nicht fest, wird aber wohl knapp doppelt so hoch sein wie bei der Diesel-Alternative. Fendt zufolge lasse er sich gut bei kleineren Arbeiten im kommunalen Bereich einsetzen; auch Wein- und Gemüsebaubetriebe hätten hohes Interesse. Doch wenn es darum geht, einen Acker umzupflügen, stoßen E-Traktoren an Leistungsgrenzen.
Elektro-Antriebe bei Hof-nahen Arbeiten sinnvoll
Die große Schwierigkeit liege darin, die nötige Power herzubekommen, erklärt Christoph Gröblinghoff, Vorsitzender der Fendt-Geschäftsführung: "Für einen Traktor mit 300 PS brauchen wir eine Batterie mit rund 15 Tonnen Gewicht." Fendt kann sich vorstellen, in Zukunft E-Traktoren mit bis zu 130 PS zu entwickeln - mehr ergebe aktuell keinen Sinn, so Gröblinghoff. Und damit sei der Einsatzbereich von E-Traktoren stark limitiert.
Edgar Remmele vom Technologie- und Förderzentrum in Straubing kann sich trotzdem vorstellen, dass zukünftig etwa 25 Prozent des Dieselverbrauchs in der Landwirtschaft durch den Umstieg auf elektrische Systeme eingespart werden kann: "Wir haben doch einen sehr großen Kraftstoffverbrauch in der Tierfütterung und diese Hof-nahen Arbeiten können elektrifiziert werden, weil die Möglichkeit besteht, zwischendurch immer wieder nachzuladen." Dafür müsse das Angebot an E-Traktoren größer und deutlich günstiger werden. Dazu sollte Remmele zufolge der Strom für die Fahrzeuge unbedingt am eigenen Hof generiert werden, also zum Beispiel durch Photovoltaik auf den Dächern, ansonsten könne es schnell teuer werden.
Große Konkurrenz um Wasserstoff
Auch Wasserstoff ist als Alternative zum Diesel immer wieder im Gespräch. So kündigte der Hersteller Deutz an, ab 2024 die erste Serienproduktion von Wasserstoffmotoren zu starten. Fendt hat bereits zwei wasserstoffbetriebene Prototypen in einem Modellprojekt im Einsatz; die Hersteller New Holland und JCB arbeiten ebenfalls an Antriebssystemen mit Wasserstoff. Rückenwind dafür kommt vereinzelt aus der Politik.
Auf dem Wasserstoffgipfel in Straubing im vergangenen Februar betonte der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Frei Wähler), dass er Landwirte zukünftig sowohl als Produzenten wie auch als Konsumenten sieht: "Die Krönung ist natürlich, wenn die Landwirte selbst Wasserstoff für ihre Traktoren oder landwirtschaftliche Maschinen nutzen." Damit könne die Landwirtschaft umweltfreundlicher werden.
Der Agrarwissenschaftler Edgar Remmele kann der Technologie viel abgewinnen, sieht den Wasserstoff als Diesel-Alternative in der Landwirtschaft aber in weiter Ferne. Der Grund: Bislang gebe es trotz großer Nachfrage kaum grünen Wasserstoff auf dem Markt. Die Stahlindustrie und Chemie-Konzerne müssten seiner Auffassung nach zuerst bedient werden. Zudem sei eine Wasserstoff-Tankstelle sehr teuer und für viele landwirtschaftliche Betriebe bisher kaum rentabel.
Keine Zukunft für Biosprit?
In der Landtechnikbranche und von manchen Experten wird immer wieder betont, dass mehr Biokraftstoffe gebraucht würden, denn mit Pflanzenöl oder Biodiesel könnten sowohl die CO₂-Emissionen als auch die Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern signifikant gesenkt werden. Klimaschützer sprechen hingegen von "umweltpolitischem Unfug". Und auch die Bundespolitik sieht diese Energieträger kritisch. Der Grund: Biokraftstoffe werden häufig aus Nahrungs- und Futterpflanzen hergestellt, etwa aus Raps, Mais oder Getreide.
Die Anbauflächen dafür fehlen dann aber unter Umständen für die Lebensmittelproduktion. Besonders seit Beginn des Ukraine-Kriegs will die Bundesregierung die Nutzung landwirtschaftlicher Erzeugnisse als Kraftstoffzusätze einschränken, nach dem Motto: Der Teller ist wichtiger als der Tank. Zum politischen Gegenwind kommt auch eine schlechte Infrastruktur: Nicht jeder Landwirt hat eine eigene Tankstelle am Hof, öffentliche Tankstellen für reinen Biodiesel und Pflanzenöl-Kraftstoff gibt es bislang kaum.
Ohne Planungssicherheit, keine Alternativen
Trotzdem gibt es auch Befürworter, die ein Wegkommen von den fossilen Energien als wichtige Aufgabe sehen. Deshalb wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder vorgeschlagen, die Begünstigung von Agrar-Diesel einerseits über mehrere Jahre stückweise zurückzufahren und andererseits Biokraftstoffe gleichzeitig finanziell attraktiver zu machen. Dadurch hätte sich sowohl die Industrie als auch die Landwirtschaft auf eine langfristige Stoßrichtung einstellen können. Diese Idee kommt nun wieder auf: Aktuell fordert etwa der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, dass der herkömmliche Diesel in der Landwirtschaft über fünf Jahre hinweg durch Biokraftstoffe ersetzt wird. Dafür müssen aber Backhaus zufolge die Alternativen wie Bio-Diesel, Pflanzenöl, LNG oder Methan steuerfrei gestellt werden.
Rein technisch sieht Edgar Remmele wenig Probleme: Mit nachträglichen Freigaben auf Seiten der Hersteller und Umrüstungen sei viel zu erreichen. Gerade was hydriertes Pflanzenöl (HVO-Diesel) anbelangt, sieht er große Chancen. Denn mittlerweile gebe es zahlreiche Hersteller, die einen Umbau erlauben, ohne dass die Garantie erlischt. Damit könne HVO-Diesel in zahlreiche neue Fahrzeuge wie auch in einige Bestandsmaschinen getankt werden. Das Problem: Bislang ist HVO-Diesel teurer als normaler.
Das Henne-Ei-Dilemma
Seit der Diesel vor rund 100 Jahren in der Landwirtschaft Einzug gehalten hat, wird immer wieder nach Alternativen gesucht - etwa während der Weltkriege und der Ölkrise. Und spätestens seit bekannt ist, wie schädlich die Verbrennung fossiler Energien für das Klima ist, wird der Diesel von allen Seiten hinterfragt. Dennoch blieb Diesel stets alternativlos: Es fehlte am langfristigen politischen und gesellschaftlichen Willen, den Umstieg anzugehen.
Seit Jahren gibt es vor allem ein Problem, erklärt Edgar Remmele: das Henne-Ei-Dilemma. Von den Landwirten könne nur nachgefragt werden, was produziert wird. Und die Hersteller hingegen wollen nur anbieten, was sicher nachgefragt wird. Und so entwickelt sich das bestehende, auf Diesel spezialisierte Angebot zwar immer weiter, aber meist in dieselbe Richtung, mit nur wenigen Abweichungen zu alternativen Antrieben. Das Ergebnis: Etwa 99,9 Prozent des in der Landwirtschaft eingesetzten Kraftstoffes ist Diesel; Biodiesel und Pflanzenöl machen nur etwa 0,1 Prozent aus, schätzen Experten.
Farm-Roboter: Chancen durch elektrische Automatisierung?
Möglicherweise nimmt der Dieselverbrauch in Zukunft auch durch die zunehmende Automatisierung in der Landwirtschaft ab. Inzwischen gibt es nämlich Roboter, die einzelne Arbeitsschritte fast gänzlich alleine ausführen können. Es gibt sie in allen Größen und Formen von verschiedenen Herstellern. Sie heißen Najo Oz, Agrointelli oder Farmdroid, fahren GPS-gesteuert übers Feld, solarbetrieben oder mit Akku, und säen und eliminieren Unkraut in Zuckerrübenfeldern. So wie bei Landwirt Anton Maier aus dem Landkreis Eichstätt, der als Bio-Bauer auf chemischen Pflanzenschutz verzichten muss: "Der Roboter merkt sich jedes Saatkorn, das er abgelegt hat, und später entfernt er rundherum mechanisch alle anderen Pflanzen, also Unkräuter."
Anton Maier schätzt seinen neuen Helfer auf dem Feld: Er spare durch ihn viel Zeit und teure Energie, denn durch die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Geräts braucht es nur Sonne. Trotzdem weiß er um die Nachteile, die viele Landwirte erst mal abschrecken. Es brauche eine ganze Weile, bis das System eingerichtet ist und mühelos läuft. Bis dahin kann es schlaflose Nächte geben, wenn der Roboter um drei Uhr morgens eine Fehlermeldung aufs Handy schickt. Zudem sind die Einstiegskosten hoch: 75.000 Euro hat sein Farmdroid vor einigen Jahren gekostet, knapp die Hälfte davon hat der Freistaat bezuschusst. "Ohne diesen Zuschuss hätten wir es nicht gemacht, denn es war schon ein Risiko und wir wussten ja nicht: Wird er funktionieren?"
Bislang werden solche Roboter kaum auf bayerischen Äckern eingesetzt, laut Schätzungen nur gut 50 Stück — nicht viel bei über 100.000 landwirtschaftlichen Betrieben. Dennoch gehen manche Experten davon aus, dass Roboter wie diese früher oder später stark zunehmen werden. "Roboter sollen nicht komplett den Landwirt am Feld ersetzen, aber ihm stupide Arbeiten abnehmen", findet Heinz Bernhardt vom Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik an der Technischen Universität München. Eine Diesel-Alternative sind Roboter aber nicht, schließlich können sie nur einzelne Arbeitsschritte übernehmen.
Im Video: Bauern-Proteste gegen Steuerpläne der Bundesregierung
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!