Die Bundesregierung plante strengere Regelungen für Alkoholwerbung. Doch das passierte nicht. Interne Unterlagen zeigen, wie eine Studie mit einer heiklen Empfehlung im Gesundheitsministerium zurückgehalten wurde.
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Ein verwittertes und halb abgerissenes Plakat einer Weinbrandwerbung der Marke "Chantre" hängt am Werderpark in Werder (Havel),

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Alkoholpolitik: Regierung hält Versprechen nicht ein

Alkoholpolitik: Regierung hält Versprechen nicht ein

Die Bundesregierung plante strengere Regelungen für Alkoholwerbung. Doch passiert ist nichts. Interne Unterlagen zeigen, wie eine Studie mit einer heiklen Empfehlung im Gesundheitsministerium zurückgehalten wurde.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Wie eng Alkohol und Politik verbunden sind, zeigt sich bei der Eröffnung des Oktoberfests in der bayerischen Landesvertretung in Berlin im vergangenen Herbst. "Politik ohne Bier ist möglich, aber sinnlos", sagt dort Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, dem BR. Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes, betont die Bedeutung der "Freiräume" für die Brauwirtschaft und fordert von der Politik, diese nicht "unangemessen einzuschränken".

Die Ampel-Regierung hatte im Koalitionsvertrag 2021 eine Reform der Drogenpolitik angekündigt: "Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis." Doch konkrete Schritte in Sachen Alkohol hat die Regierung nicht unternommen.

Stattdessen zeigt eine Recherche des Bayerischen Rundfunks, dass das Gesundheitsministerium eine beauftragte Studie weder veröffentlichte noch deren Erkenntnissen folgte. Die Studie empfahl ein komplettes Werbeverbot für Alkohol.

Trailer zur dreiteiligen Serie Dirty Little Secrets

Dirty Little Secrets - Staffel 2 Alkohol: Eine junge Frau sitzt an einem Tisch, vor sich viele Weingläser. Ihr Gesicht wird von einer gläsernen Weinkaraffe zu einer Fratze verzehrt. Im Hintergrund amüsieren sich Partygäste.
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Dirty Little Secrets - Staffel 2 Alkohol

WHO kritisiert Deutschlands Alkoholpolitik

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Deutschland ein Hochkonsumland. Der WHO-Direktor für Gesundheitsförderung, Rüdiger Krech, bezeichnet Deutschland im Interview mit dem BR als "Problemkind": "Es gibt neun Millionen Menschen, die ein wirkliches Alkoholproblem in Deutschland haben. Und die Politik tut leider viel zu wenig."

Alkohol wird von Experten mit rund 200 Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter Leberschäden, Demenz und Brustkrebs.

"Durch die hohen Zahlen an alkoholbedingten Erkrankungen heißt das auch, dass Deutschland 57 Milliarden Euro jedes Jahr bezahlt, um mit den Folgen von Alkoholkonsum umzugehen", sagt WHO-Direktor Krech. Das seien etwa Krankheitskosten, Kosten für Fehlzeiten und Rehabilitationskosten.

Keine Reform in Arbeit

Was also ist aus dem Reformvorhaben der Ampel-Koalition geworden? BR Recherche hat nach dem Informationsfreiheitsgesetz Dokumente beantragt, die den "Stand des Regierungsvorhabens zum Thema schärfere Regeln für Marketing und Sponsoring von Drogen, insbesondere Alkohol, dokumentieren". Doch in den erhaltenen Unterlagen findet sich nichts, was auf die Arbeit an einem Gesetz hinweist. 

Aus den Dokumenten geht hervor, dass das Ministerium 2022 eine "Studie zum Forschungsstand der Assoziationen zwischen Alkoholmarketing / -Sponsoring und Alkoholkonsum" in Auftrag gegeben hat. Diese sollten als wissenschaftlicher Abschlussbericht und als allgemein verständliches Policy Paper "zur späteren Veröffentlichung" vorgelegt werden. 

Forscher vom Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Hamburg evaluierten die Studienlage zur Beschränkung von Alkoholmarketing. Anfang 2023 lagen die Ergebnisse dem Ministerium vor.

Studie empfiehlt Marketingverbot für Alkohol

Die Wissenschaftler kommen zu einer klaren Empfehlung. In dem Bericht an das Ministerium schreiben sie: "Vor dem Hintergrund der verfügbaren Literatur ist zu empfehlen, dass ein vollständiges Marketingverbot erlassen wird."

Diese Empfehlung ist brisant. Denn sie geht über das hinaus, was die Koalition sich vorgenommen hatte. Diese hatte nur angekündigt, Regelungen verschärfen zu wollen. Nicht aber, sämtliche Werbung für Alkohol zu verbieten. 

Die Recherche zeigt nun: Anders als ursprünglich vorgesehen, wurde die Studie nicht vom Gesundheitsministerium veröffentlicht.

In einer E-Mail, die BR Recherche vorliegt, wird ein leitender Mitarbeiter des Ministeriums deutlich: "Die Ergebnisse sollten die Forderung im KoaV [Koalitionsvertrag] stützen, das Alkoholmarketing zu begrenzen. Das können diese Ergebnisse nicht leisten." Daher schlage er vor, die Ergebnisse "nicht zu veröffentlichen".

Regierung: Neue Regeln wären wünschenswert

Auf Anfrage an das Ministerium und die Bundesregierung antwortet das Bundespresseamt. Ein Regierungssprecher schreibt, dass die Studie veröffentlicht wurde und schickt einen Link zu einem Fachartikel in einem englischsprachigen Wissenschaftsmagazin. Die Frage, weshalb die fertige Studie nicht, wie zunächst vorgesehen, auf der Webseite des Ministeriums veröffentlicht wurde, beantwortet die Regierung nicht. 

Stattdessen schreibt er: "Eine weitere Beschränkung von Außenwerbung und Sponsoring bezogen auf Alkohol wäre grundsätzlich möglich und wünschenswert". Also eben kein vollständiges Marketingverbot, wie von den Wissenschaftlern empfohlen. 

WHO-Direktor Rüdiger Krech möchte Vorgänge im Ministerium nicht kommentieren, sagt jedoch, dass man aus vielen Studien wisse, "dass nur ein vollständiges Werbeverbot wirklich hilft". Am effektivsten sei dies in Verbindung mit weiteren "Maßnahmen der Alkoholkontrolle", wie höheren Steuern oder eingeschränkter Verfügbarkeit von Alkohol.

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