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Es ist kühl im Berliner Regierungsviertel. Und doch könnten sich bei dem einen oder der anderen in der Ampelkoalition Frühlingsgefühle einstellen. Nach monatelangen Diskussionen haben SPD, Grüne und FDP einen Kompromiss beim Klimaschutzgesetz gefunden. Es soll zusammen mit dem Solarpaket in der nächsten Woche durch den Bundestag.
In der vergangenen Woche hatte die Koalition ihr Selbstbestimmungsgesetz im Parlament verabschiedet und einen rechtlichen Rahmen für die Bezahlkarte für Asylbewerber. Auch in den seit Jahren festgefahrenen Streit über das Mietrecht und die Datenspeicherung zur Verbrechensbekämpfung ist etwas Bewegung gekommen.
Lösen sich die Blockaden in der Koalition?
Wer mit hochrangigen Politikern der Ampel spricht, kann auch in vertraulicher Runde keinerlei Euphorie über die jüngsten Kompromisse spüren. Sie werden überlagert von den Sorgen über die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, den Arbeiten am nächsten Bundeshaushalt und dem Ringen um die Kindergrundsicherung.
So unterschiedlich die drei Parteien in der Regierung auf die Rolle des Staates in der Sozial- oder Wirtschaftspolitik schauen – in einem Bereich liegen SPD, Grüne und FDP eng beieinander: in der Gesellschaftspolitik.
Regierung modernisiert Gesellschaftspolitik
Die in den vergangenen Monaten entstandenen Gesetze sind wohl nur in dieser Konstellation denkbar: Von der Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen über das Namensrecht bis zur teilweisen Legalisierung von Cannabis.
Die Ampel stärkt Partnerschaften jenseits der Ehe aus Mann und Frau, macht trans Menschen das Leben einfacher und diskutiert über Lockerungen beim Abtreibungsrecht. Die Koalition sieht darin eine überfällige Modernisierung nach 16 Jahren unionsgeführter Bundesregierungen. CDU und CSU halten es dagegen für die falschen Schwerpunkte. Sie warnen vor einer gesellschaftlichen Spaltung.
Dazu kommen weitgehende Änderungen in der Migrationspolitik. So hat die Koalition das Chancenaufenthaltsrecht beschlossen, um langjährig geduldeten Menschen in Deutschland eine Perspektive zu geben. Einbürgerungen wurden unter bestimmten Bedingungen beschleunigt. Die Einwanderung von Fachkräften soll unbürokratischer werden.
Halbzeitbilanz: Ampel arbeitet Koalitionsvertrag ab
Die Bertelsmann-Stiftung hatte im vergangenen September eine Halbzeitbilanz der Ampel-Koalition vorgelegt. Demnach hatten die drei Parteien zur Hälfte der Legislaturperiode schon knapp zwei Drittel ihres Koalitionsvertrags angepackt.
Die Wissenschaftler haben im Koalitionsvertrag 453 Versprechen gezählt. Davon waren 38 Prozent voll oder zum Teil erfüllt, zwölf Prozent in der Erfüllung. 14 Prozent der Vorhaben wurden außerdem angegangen. Von 36 Prozent ihrer Versprechen hatte die Koalition zu ihrer Halbzeit laut Studie noch die Finger gelassen.
Unzufriedenheit nach wie vor hoch
Die bisherige Bilanz der Koalition kommt bei den Menschen in Deutschland aber ganz offensichtlich nicht an. Im jüngsten ARD-Deutschlandtrend äußern sich 78 Prozent der Befragten unzufrieden über die Arbeit der Bundesregierung. Nur 21 Prozent sind zufrieden. Damit ist die Zufriedenheit mit der Ampel nur minimal besser als beim bisherigen Tiefpunkt Ende 2023.
Falsche Prioritäten?
Eine mögliche Erklärung für den Unterschied zwischen Arbeitsbilanz der Koalition und Zufriedenheit bei den Menschen liefert die repräsentative Umfrage auch: Im ARD-Deutschlandtrend tauchen Zuwanderung, der Krieg in der Ukraine und die Wirtschaft als wichtigste Themen auf. Gesellschaftspolitische Themen sind hier nicht zu finden.
Die selbsternannte Fortschrittskoalition macht also vor allem in den Bereichen Fortschritte, die von vielen Menschen aktuell als nicht als besonders dringlich empfunden werden. Auch dass die Verbraucherpreise nicht mehr so stark steigen und die Energiepreise sinken, scheint auf das Konto der Koalition bisher nicht einzuzahlen.
Im Video: Ampel-Fraktionen einig bei Klimaschutzgesetz und Solarpaket (15.04.24)
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