Die Ampel-Koalition will wegen des Karlsruher Haushaltsurteils für dieses Jahr die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse nutzen, Finanzminister Christian Lindern (FDP) kündigte an, einen Nachtragshaushalt einzubringen. Er werde dem Kabinett in der kommenden Woche in Absprache mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) einen entsprechenden Entwurf vorlegen, erklärte Lindner in Berlin.
Auf diesem Weg sollten Ausgaben insbesondere für die Gas- und Strompreisbremse nachträglich rechtlich abgesichert werden, so Lindner. Eine Ministeriumssprecherin fügte hinzu, die Bundesregierung werde dem Bundestag vorschlagen, eine außergewöhnliche Notlage zu erklären. Auf diesem Weg sollen Kredite nachträglich rechtlich abgesichert werden, die in diesem Jahr bereits genutzt wurden.
Lindner: "Ausgaben auf gesicherte Grundlage stellen"
Mit dem Nachtragshaushalt sollten angesichts des Karlsruher Urteils Ausgaben für die Energiepreisbremsen eine sichere Grundlage erhalten, so Lindner. "Es gibt jetzt neue Rechtsklarheit, wie wir mit Sondervermögen und mit Notlagenkrediten umzugehen haben", sagte der Minister. "In Absprache mit dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler werde ich in der nächsten Woche einen Nachtragshaushalt für dieses Jahr vorlegen. Wir werden die Ausgaben, insbesondere für die Strom- und Gaspreisbremse, jetzt auf eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage stellen."
Reaktion auf Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche die massive Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) mit nicht genutzten Krediten aus der Corona-Pandemie für unzulässig erklärt. Dadurch fehlen der Ampel-Koalition in den kommenden Jahren nun 60 Milliarden Euro für Vorhaben der Energiewende.
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Lindner verhängte danach eine Ausgabensperre über weite Teile des Haushalts 2023 und auch für den ähnlich wie der KTF konstruierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Über den bis zu 200 Milliarden Euro schweren Krisenfonds werden insbesondere die Energiepreisbremsen finanziert.
Weg für Neuverschuldung frei
Mit dem Nachtragshaushalt verschafft sich die Bundesregierung die Möglichkeit, in diesem Jahr die Neuverschuldung deutlich zu erhöhen. Dabei geht es nach Angaben aus dem Finanzministerium um einen zusätzlichen Betrag von etwa 45 Milliarden Euro, die vor allem die Ausgaben des Energie-Krisenfonds WSF auf eine andere Grundlage stellen sollen.
Ohne die Absicherung hätte nach dem Urteil der Karlsruher Richter im Haushalt 2023 ein Verfassungsbruch gedroht. Denn die Richter entschieden, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen darf. Genau das hat der Bund nach Auffassung von Experten im Wirtschaftsstabilisierungsfonds für die Energiepreisbremsen aber gemacht.
Aus dem Stabilisierungsfonds sind schon 37 Milliarden geflossen
Aus diesem Fonds wurden bis Ende Oktober auch bereits 37 Milliarden Euro ausgegeben, bis Jahresende dürfte weiteres Geld hinzukommen. Außerdem sollen Hilfen aus einem Fonds für Flutopfer abgesichert werden, der 2021 unter ähnlichen Bedingungen entstanden war. Insgesamt sollen Kredite in Höhe von rund 45 Milliarden Euro auf eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage gestellt werden. "Es werden keine neuen Schulden aufgenommen, sondern lediglich die bereits abgeflossenen Mittel zur Krisenbewältigung auf eine sichere Rechtsgrundlage gestellt", betonte Lindners Sprecherin.
Der Minister "reinen Tisch machen" für 2024
"Ich betrachte es als meine Aufgabe, jetzt reinen Tisch zu machen", sagte Lindner bei der Ankündigung des Nachtragsetats. Über den Haushalt für 2024 könne man erst reden, wenn es für 2023 einen "verfassungsrechtlich gesicherten Zustand" gebe, so der Bundesfinanzminister. Der bisherige Zeitplan für die Beratung des Bundeshaushalts für 2024 war von der Ampel-Koalition auf Eis gelegt worden. Die für Donnerstag angesetzten Schlussberatungen des Haushaltsausschusses des Bundestages wurden am Mittwoch abgesagt, ohne dass ein neuer Termin genannt wurde.
Damit ist offen, ob Bundestag und Bundesrat noch in diesem Jahr einen Etat für 2024 beschließen können. Die Haushälter von SPD, Grünen und FDP begründeten dies mit dem Verfassungsgerichtsurteil. Sie wollten "einen Haushalt aufstellen, der alle Urteilsargumente und gleichzeitig das Gebot des Grundgesetzes nach einem Haushaltsabschluss noch dieses Jahr berücksichtigt". Einen neuen Zeitplan nannten sie aber nicht.
Scholz will zeitnah einen Etat für nächstes Jahr vorlegen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte am Mittwochabend, er rechne mit einem zügigen und sehr zeitnahen Abschluss. Er betonte auch, die Ampel wolle an ihren Plänen in der Sozial-, Klima- und Wirtschaftspolitik festhalten. Offen ist trotzdem weiter, was mit den Projekten konkret passiert, die aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden sollten.
Diesem Sondertopf für Klimaschutz und die Entwicklung einer CO2-neutralen Wirtschaft fehlen nach dem Karlsruher Urteil 60 Milliarden Euro, die schon fest verplant waren. Das Gericht hatte die Umwidmung dieser eigentlich zur Corona-Bekämpfung bewilligten Kredite für nichtig erklärt.
Die rechtlich verbindlich zugesagten Ausgaben seien im kommenden Jahr trotzdem zu stemmen, heißt es in der Koalition. Der Fonds hat unter anderem auch Einnahmen aus dem CO2-Preis. Doch das restliche Geld wird nicht für alle Vorhaben ausreichen. Wo gekürzt, priorisiert oder ganz gestrichen wird, ist zwischen SPD, Grünen und FDP stark umstritten.
Kritik durch bayerische Staatsregierung
Aus Bayern kommen kritische Töne über die Maßnahmen rund um den Bundeshaushalt. Finanzminister Albert Füracker (CSU) bezeichnete die Vorgänge in Berlin bei BR24 als "sehr plan- und kopflos". Vor einem Jahr, als die Energie "exorbitant teuer" gewesen sei, habe Bayern empfohlen, die Notlage zu erklären. Das sei abgelehnt worden. "Und jetzt will man offensichtlich mit der Begründung, die Energie ist zu teuer, die Notlage erklären."
Er sei auf die genaue Begründung gespannt, sagte Füracker bei BR24 und forderte: "Wir brauchen endlich Klarheit und Sicherheit bei der Haushaltspolitik des Bundes." Gleichzeitig warnte er Berlin davor, bei den Kommunen und den Ländern zu sparen. "Ich kann der Ampel nur sagen, dass keinesfalls jetzt die Idee geboren werden darf, man möchte bei den Kommunen und den Ländern sparen."
Füracker: Haushalt des Freistaats ist verfassungskonform
Zu dem Vorwurf, auch Bayern habe versucht, Kredite aus der Corona-Pandemie umzuwandeln, sagte Füracker, es seien keinerlei Kreditermächtigungen umgewandelt worden. "Wenn das jetzt behauptet wird seitens der SPD, kann ich nur sagen, das ist eine ziemlich bösartige Unterstellung." Laut Füracker ist der bayerische Haushalt in der Umsetzung 2022 verfassungskonform. Deshalb sehe er auch der Klage der AfD, die Zweckentfremdung im großen Stil vorwirft, "mit gelöster Stimmung" entgegen.
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
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