Wütende Bauern blockierten am Donnerstagabend einen Fähranleger
Bildrechte: picture alliance/dpa/Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag | Hagen Wohlfahrt

Wütende Bauern blockierten am Donnerstagabend einen Fähranleger

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Sorge vor Eskalation der Bauernproteste wächst

Viele Politiker sind schockiert über die Blockade von Habecks Fähre durch wütende Bauern. Die Sorge vor einer Eskalation wächst. Gleichzeitig bemüht sich die Ampel, dem Eindruck entgegenzutreten, vor den Protesten eingeknickt zu sein. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Um zwei Uhr nachts schließlich verließ ein sichtlich erschöpfter Bundeswirtschaftsminister die Fähre in Nordfriesland. Zuvor hatten Demonstranten ihn am Verlassen des Schiffs gehindert. Das Ende seines Urlaubs hat sich Robert Habeck (Grüne) sicher anders vorgestellt – seine Tage dürften ohnehin von wenig erholsamen Gespräche in der Dreierrunde mit Scholz und Lindner auf der Suche nach einer Lösung bei den Agrarsubventionen geprägt gewesen sein. Die Blockade der Bauern ist ein Ereignis, das nachhallen wird.

Erschrocken über die Heftigkeit des Protests – von diesem Gefühl waren viele der politischen Reaktionen am Morgen geprägt. Die Politiker ziehen klar eine Grenze: legitimer Protest und eine "lebendige Protestkultur" ja, aber Gewalt und Nötigung gehören nicht dazu. Eine Grenze sei da überschritten worden. Deutlich ist die Sorge zu spüren, dass der Hass in den sozialen Netzwerken und insgesamt das Aufrüsten mit Worten in der Gesellschaft überschwappt in Gewalt.

Bauernblockade habe Grenze überschritten

Besonders deutlich fällt die Kritik an der Blockade bei den Ampelparteien aus. Aber nicht nur dort. Der Bauernverband hat sich am Vormittag von den Vorfällen distanziert, Blockaden dieser Art seien ein "No-Go". Auch CDU-Politiker, wie die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen nennen das Verhalten der Demonstranten "inakzeptabel" und sprechen von "bitteren Bildern".

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, sagte, das Verfolgen eines hehren Zieles sei keine Rechtfertigung, Straftaten zu begehen. Aus Sicht der bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) geht es jetzt darum, herauszulesen, in welch schwieriger Lage nicht nur die Landwirtschaft, sondern viele Branchen sind. "Natürlich darf es nicht dazu kommen, dass Menschen zu Schaden kommen, aber das Gespräch zu suchen und auch mal zu protestieren ist das gute Recht der Bauernschaft", sagt Kaniber.

Sorge vor aufgeheizter Stimmung

Zum guten Recht gehöre jedoch nicht, zu nötigen, zu blockieren und Menschen am Verlassen einer Fähre zu hindern, betonen Ampelvertreter. Protestieren sei ein hohes Gut. "Nötigung und Gewalt zerstören dieses Gut", sagt Robert Habeck. Ihn treibt die Sorge um, dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheizt.

Auch schon in den vergangenen Tagen war mancherorts die Sorge zu hören, dass sich die Bauernproteste zu einem Flächenbrand ausweiten könnten und dass radikale Gruppen versuchen könnten, aufzuspringen. Dieser Gedanke dürfte mitgespielt haben, bei der Entscheidung der Ampelspitzen, die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung ganz zurückzunehmen und die Vergünstigung beim Agrardiesel teilweise.

Weitere Bauernproteste geplant

Das Kalkül, damit den Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen, scheint zumindest vorerst nicht aufzugehen. Bauernvertreter halten an der Protestwoche fest. Interessant wird aber, wie groß die Proteste ausfallen und ob alle Landwirte, die bisher geplant haben, mitzufahren, das auch weiterhin tun wollen.

Die Ampel versucht unterdessen dem Eindruck entgegenzutreten, sie sei vor den Bauernprotesten eingeknickt. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir betont, jetzt habe man eine gute Lösung gefunden. Zuvor seien die Bauern überproportional belastet worden. Das zu korrigieren, sei keine Schande.

Özdemir: "Guter Kompromiss"

Dass die Ampel nächste oder übernächste Woche einfach noch mehr korrigiert, wenn nur der Druck auf der Straße groß genug ist, dem Kalkül erteilt Özdemir eine Absage. Man habe jetzt einen guten Kompromiss. "Den verteidige ich", sagt der Minister. Eine andere Wahl bleibt der Ampel auch kaum. Ein erneutes Aufschnüren würde ein verheerendes Bild der Arbeit innerhalb der Ampel abgeben.

Auch die Bilder aus Nordfriesland dürften ihres dazu beitragen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz, der ohnehin bekannt ist für sein Talent, Dinge abperlen zu lassen, nicht gewillt ist, von der Entscheidung abzurücken.

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