Die Deutsche Bahn hat im Tarifstreit mit der Lokführergewerkschaft GDL ein neues Angebot vorgelegt. Darin wolle der Konzern erstmals auch über neue Wahlmodelle zur Arbeitszeit verhandeln, teilte die Bahn am Freitag mit. "Wir kommen der Lokführergewerkschaft damit bei ihrer Kernforderung deutlich entgegen", erklärte DB-Personalvorstand Martin Seiler. Mit dem Schritt, den die Bahn auf die GDL zu mache, seien weitere Arbeitskämpfe überflüssig. Die GDL müsse jetzt Verantwortung zeigen und an den Verhandlungstisch zurückkehren, statt zulasten von Millionen Reisenden den Bahnverkehr zu bestreiken, so Seiler. Eine Reaktion der GDL lag zunächst nicht vor.
Absenkung der Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden
In ihrem neuen Angebot greift die Bahn erstmals die Kernforderung der Gewerkschaft nach einer Absenkung der Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden auf. "Um einen guten Kompromiss zu finden, wollen wir gemeinsam über neue Wege einer intelligenten und zeitgemäßen Arbeitszeitgestaltung sprechen", teilte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler mit.
Konkret schlägt die Bahn vor, ein bestehendes Wahlmodell, das auch Arbeitszeiten umfasst, zu erweitern. Bisher können sich Beschäftigte entscheiden, ob sie etwa mehr Geld, mehr Urlaub oder weniger Wochenarbeitstage haben wollen. Sie könnten etwa von 39 auf 37 Wochenstunden verringern, bekommen dafür aber 5,7 Prozent weniger Lohn. Die Bahn bietet nun an, die Wochenarbeitszeit in diesem Modus noch weiter herunterzufahren. Auf der Basis schlägt sie einen neuen Verhandlungsanlauf am Mittwoch vor.
"Wir wollen jetzt über zusätzliche Wahlmodelle für Schichtarbeiter verhandeln", sagte Seiler der "Süddeutschen Zeitung". "Die können dann statt 38 nur noch 35 Stunden arbeiten - oder auch 40 Stunden. Jeder wählt aus, wie in einer Cafeteria." Wer sich für kürzere Arbeitszeiten entscheide, müsse dafür Abstriche bei einer tariflich vereinbarten Lohnerhöhung machen.
Mitarbeiter sollen Schichten über App wählen können
Ein weiterer Vorschlag der Deutschen Bahn ist, dass Mitarbeitende in Zukunft über eine App mitbestimmen können, wie sie zu Schichten eingeteilt werden. Momentan sei die Anwendung "nur in Betrieben möglich, in denen die EVG-Tarifverträge" gelten.
Das Volumen des Angebots orientiert sich der Bahn zufolge weiter an den Abschlüssen im Öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder. Daraus folge eine Lohnerhöhung von rund elf Prozent und eine Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro. Die Laufzeit soll 32 Monate betragen.
Die GDL fordert unter anderem 555 Euro mehr im Monat sowie eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie bei einer Laufzeit von einem Jahr. Knackpunkt der Gespräche war bislang aber die Kernforderung nach der Verringerung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter bei vollem Lohn. Diesen sieht auch das aktuelle Angebot nicht vor. Die Bahn hält diese Forderung aufgrund eines hohen zusätzlichen Personalaufwands für nicht umsetzbar. Die Gewerkschaft äußerte sich am Freitag zunächst nicht zum erweiterten Angebot der Bahn.
Ist GDL nach Gründung von Leiharbeiter-Genossenschaft tariffähig?
Die Bahn schlug als Termin für neue Verhandlungen den 10. Januar vor. In diesem Zusammenhang sei auch die Frage der Tariffähigkeit der GDL zu klären. Das Unternehmen geht aktuell davon aus, dass die GDL durch die Gründung ihrer Leiharbeiter-Genossenschaft Fair Train ihre Tariffähigkeit verloren hat. Dies komme unter anderem durch personelle und organisatorische Verflechtungen in den Führungspositionen von GDL und Fair Train zustande. Die Gewerkschaft sei mit der Gründung ihrer Leiharbeiter-Genossenschaft gleichzeitig auch Arbeitgeber und habe quasi mit sich selbst einen Tarifvertrag verhandelt und geschlossen.
Beamtenbund: GDL-Streiks frühestens ab Mittwoch
Die GDL hat bereits zweimal mit einem Warnstreik den Zugverkehr in Deutschland weitgehend zum Erliegen gebracht. Kurz vor Weihnachten hatten die GDL-Mitglieder in einer Urabstimmung zudem den Weg für einen unbefristeten Streik freigemacht. Der von der GDL ausgerufene Weihnachtsfrieden endet am Montag.
Allerdings könne die GDL ihre Arbeit frühestens ab kommenden Mittwoch niederlegen, wie der Beamtenbund mitteilte. Die dbb-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, Grund sei eine Tagung des Beamtenbundes (dbb) in Köln, die am Montag beginnt und zwei Tage dauert. Die GDL gehört zu den Mitgliedsgesellschaften des dbb. Bereits vor Weihnachten hat Silberbach mit GDL-Chef Claus Weselsky verabredet, "dass während der Tagung in Köln keine Streiks stattfinden werden". Damit sei An- und Abreise der Beamten sichergestellt. "Was danach passiert, liegt nicht mehr in meiner Hand", erklärte Silberbach.
Einigung zwischen GDL und Go-Ahead
Mit dem Eisenbahnunternehmen Go-Ahead hat sich die GDL in der dritten Verhandlungsrunde indes auf einen Tarifabschluss geeinigt. Das teilten das Unternehmen, das in Bayern und Baden-Württemberg Regionalvervehr auf vielen Linien betreibt und die Gewerkschaft heute mit. Die Einigung gelang in den Verhandlungen ohne Streik und bringt einen vorgegebenen Weg in die 35 Stundenwoche und deutlich höhere Gehälter. Die 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter soll 2028 erreicht werden. Laut Go-Ahead erhalten alle nach Tarif bezahlten Mitarbeiter:innen eine Erhöhung des monatlichen Grundgehalts um insgesamt 420 Euro sowie eine Erhöhung der Zulagen um durchschnittlich 17 Prozent innerhalb von 24 Monaten.
Bereits in der vorigen Verhandlungsrunde hatten sich die Tarifparteien auf die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro verständigt, ein erster Teilbetrag davon wurde bereits ausbezahlt. Für Mitarbeiter:innen im Schichtdienst wird zudem die Wochenarbeitszeit schrittweise von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich abgesenkt.
Es sei ein hochattraktiver Tarifabschluss für Beschäftigte bei Go-Ahead von dem laut Unternehmenssprecher Winfried Karg vor allem Auszubildende profitieren. In der Pressemitteilung von Go-Ahead heißt es, wenn man alle Forderungen zusammenzähle, "bedeutet das für unser Unternehmen eine massive Personalkostensteigerung – das ist finanziell sehr schmerzhaft für uns" und wir gehen mit diesem Abschluss "an die absolute Belastungsgrenze", so Geschäftsführer Fabian Armini.
Mit Informationen von Reuters, dpa und AFP
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