Die Bundesländer wollen bei der am Donnerstag beginnenden Ministerpräsidentenkonferenz eine Verpflichtung von Asylbewerbern zu gemeinnütziger Arbeit sowie eine mögliche Umstellung des Regelbedarfs auf Sachleistungen als Forderungen an den Bund beschließen. "Die bestehenden Regelungen müssen so verändert werden, dass eine Pflicht zur Arbeitsaufnahme gilt, sobald arbeitsfähige Geflüchtete aus der Erstaufnahmeeinrichtung an die Kommunen zugewiesen werden", hieß es in der Beschlussvorlage, die der "Augsburger Allgemeinen" vorlag.
- Zum Artikel: Integrierte Flüchtlinge: Arbeit statt Abschiebung
Gemeinnützige Arbeit für Kommunen
Mit einer zügigeren Arbeitsaufnahme solle die Integration verbessert werden, hieß es in der unter der Federführung Niedersachsens erstellten und – auch von den SPD-regierten Ländern mitgetragenen – Beschlussvorlage der Länderkonferenz. "Mit Blick auf den stetig zunehmenden Arbeitskräftemangel ist es nicht länger hinnehmbar, dass viele Geflüchtete nicht in Arbeit und Beschäftigung gebracht werden können", zitierte die Zeitung aus dem Papier. Für die Kommunen sollte die Möglichkeit der Heranziehung für gemeinnützige Arbeiten geschaffen werden, fordern die Länder.
Unternehmen, die Geflüchtete beschäftigen, sollten verstärkt bei der Integration unterstützt werden. "Das Warten auf Sprach- und Integrationskurse darf nicht weiter Grund für die verzögerte Integration in den Arbeitsmarkt sein", hieß es.
CDU-Politiker: Regierung muss gesetzliche Grundlage schaffen
Im Bayern 2-Tagesgespräch plädierte auch Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, für Integrationsdienste, nach dem Motto "morgens der Sprachkurs, nachmittags den Park pflegen, das Laub fegen, und dadurch einen strukturierten Tag bekommen". Aber er wandte ein: "Jetzt ist es zunächst einmal an der Bundesregierung – wenn die Länder sich einig sind – entsprechende gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen", sagte Throm und sieht auf bundespolitischer Ebene Skepsis bei der SPD und noch mehr bei den Grünen. Bislang sei es "in der Ampelkoalition ein Ding der Unmöglichkeit, Menschen zur Arbeit zu verpflichten".
Der innenpolitische Sprecher der Union wollte bei der Gelegenheit noch mit dem "Mythos" aufräumen, dass Flüchtlinge nicht arbeiten dürften: "Es gibt nahezu keine wirklichen Arbeitsverbote mehr für Flüchtlinge", sagte Throm. Bis auf wenige Ausnahmen könne jeder, der heute nach Deutschland komme, nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen. Ausnahmen gelten unter anderem für Asylbewerber, die einem Ankerzentrum leben und für Menschen aus einem sicheren Herkunftsland. Deswegen müsse letztlich der Einzelfall betrachtet werden.
Throm wies im "Tagesgespräch" auch auf "einen gewissen Zwiespalt" hin. Denn einerseits sollten Geflüchtete in Arbeit gebracht werden, andererseits sollte damit kein weiterer Anreiz für irreguläre Migration geschaffen werden. Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, diejenigen, die einen Schutzanspruch haben, schnell in Arbeit zu bringen. Diejenigen, die aus anderen, nicht asylberechtigten Ländern als Arbeitskräfte kommen wollen, sollen legale Möglichkeiten des Zuzugs in Anspruch nehmen können. Wer sich nicht an legale Möglichkeiten halte, solle nicht trotzdem kommen dürfen.
Ifo Institut: Arbeitslosenquote relevant für Aufnahmebereitschaft
Unterdessen berichtet das Ifo Institut, dass die Höhe der Arbeitslosigkeit in einer Region und die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung maßgeblich den Erfolg bei der Integration von Geflüchteten beeinflussen. "Eine niedrige Arbeitslosigkeit in einem Landkreis erleichtert dort die Beschäftigungsaufnahme und damit die Eingliederung", schreibt Panu Poutvaara, Leiter des Ifo Zentrums für internationalen Institutionenvergleich und Migrationsforschung. "Eine Reform des Verteilungsmechanismus sollte die Integrationsfähigkeit der Bundesländer stärker berücksichtigen. Zum Beispiel könnten Steuereinnahmen pro Kopf oder offene Stellen in der Region mit einfließen", schlägt Poutvaara vor.
Bislang werden Asylsuchende gemäß dem "Königsteiner Schlüssel" auf die Bundesländer verteilt, bei dem die Bevölkerungszahl und die Wirtschaftsleistung berücksichtigt werden. Die Verteilung auf die Landkreise geschieht dann weitgehend nach der Zahl der Einwohner. Laut Berechnungen des Ifo Instituts sinkt die Wahrscheinlichkeit um 5 Prozentpunkte, dass Geflüchtete eine Beschäftigung finden, wenn sie in einen Landkreis mit einem Prozentpunkt höherer Arbeitslosigkeit gesendet werden. Gelingt es ihnen, eine Anstellung zu finden, liegt der Lohn sogar durchschnittlich um 35 Prozent niedriger, wenn die Arbeitslosigkeit ein Prozentpunkt höher ist.
Diskussion über Umstellung auf Sachleistungen
Zudem fordern die Länder bessere Möglichkeiten zur Umstellung der Leistungen für Asylsuchende auf Sachleistungen und bargeldlose Zuwendungen. "Die in Erprobung befindlichen Systeme zur Einführung von Bezahlkarten sollen schnellstmöglich evaluiert und hinsichtlich einer bundesweit einheitlichen, auch Verwaltungsaufwand sparenden Umsetzung geprüft werden", fordern die Länderchefs.
Dies könne auch "einen Beitrag zur Reduzierung von Fehlanreizen für irreguläre Migration leisten", hieß es. Die Länder fordern daher das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf, unverzüglich eine gesetzliche Regelung zu schaffen, mit der die Anrechnung von Sachleistungen auf den Regelbedarf ermöglicht werde.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sagte dem Berliner "Tagesspiegel": "Jedes Bundesland kann schon jetzt Geld- durch Sachleistungen für Geflüchtete ersetzen. Effektiver wäre ein bundeseinheitliches Vorgehen, etwa eine Geldkarte für Geflüchtete, die verhindert, dass Bargeld abfließt", argumentierte er. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kündigte an, über die Umwandlung von Bargeld- in Sachleistungen für Asylbewerber sprechen zu wollen. Kritiker bemängeln, dass Sach- anstelle von Geldleistungen mit einem sehr viel höheren Verwaltungsaufwand verbunden sind.
Caritasverband spricht von "Phantomdebatte"
Die Umwandlung von Bar- in Sachleistungen hält die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva-Maria Welskop-Deffaa, für eine "Phantomdebatte", wie sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte. Dass dann weniger Flüchtlinge kämen, sei nicht zu erwarten. "Die meisten Menschen kommen nicht wegen des Sozialstaates nach Deutschland, sondern weil ihre Lebensgrundlagen zu Hause durch Kriege und Klimakatastrophe zerstört wurden", sagte sie.
Mit Informationen von AFP, epd, dpa
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!