US-Präsident Biden
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Bidens Rede zur Lage der Nation: US-Demokratie ist "ungebeugt"

US-Präsident Biden hat in seiner Rede zur Lage der Nation das Bild von einem starken Amerika gezeichnet. Er rief die Republikaner zur Zusammenarbeit auf. Der Ukraine sagte er dauerhafte Unterstützung zu, Peking warnte er vor weiteren Provokationen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

US-Präsident Joe Biden hat mit einer kämpferischen Rede zur Lage der Nation für seine Politik geworben - und einen Ausblick auf eine mögliche erneute Präsidentschaftskandidatur 2024 gegeben. Biden rief die oppositionellen Republikaner am Dienstagabend bei dem Aufritt vor dem US-Kongress zur Zusammenarbeit auf, schreckte aber auch vor Attacken auf das rechte Lager nicht zurück. Zugleich beschwor er die Einheit des Landes und die Stärke der US-Demokratie.

"Demokratie trotz blauer Flecken ungebeugt"

"Die Geschichte Amerikas ist eine Geschichte des Fortschritts und der Resilienz. Davon, dass es immer weitergeht", so der 80 Jahre alte US-Präsident. "Wir sind das einzige Land, das aus jeder Krise stärker hervorgegangen ist." Der Demokrat verwies dabei nicht nur auf die Corona-Pandemie und die verheerende Wirtschaftskrise in Folge von Covid, sondern auch auf die Kapitol-Erstürmung am 6. Januar 2021. "Vor zwei Jahren stand unsere Demokratie ihrer größten Bedrohung seit dem Bürgerkrieg gegenüber. Heute ist unsere Demokratie trotz blauer Flecken ungebeugt und ungebrochen."

Biden ruft Republikaner zur Zusammenarbeit auf

Gleich zu Beginn der sogenannte "State of the Union Address" rief Biden die Republikaner, die bei den Kongress-Zwischenwahlen im November eine Mehrheit im Repräsentantenhaus errungen hatten, zur Kooperation auf. Beide Parteien hätten in den vergangenen beiden Jahren wiederholt zusammengearbeitet und wichtige Gesetze beschlossen. "Wenn wir im letzten Kongress zusammenarbeiten konnten, gibt es keinen Grund, warum wir in diesem neuen Kongress nicht zusammenarbeiten können", sagte Biden. Gemeinsam könnten sie den "Job zu Ende führen", die Wirtschaft wieder aufzubauen und das Land einen.

Wortgefecht wegen Schuldenobergrenze

Der Präsident nutzte seine rund 75 Minuten lange Rede vor beiden Kongresskammern aber auch für Attacken auf die Oppositionspartei, insbesondere im Streit um die Schuldenobergrenze. "Einige meiner republikanischen Freunde wollen die Wirtschaft als Geisel nehmen (...), wenn ich ihren wirtschaftlichen Plänen nicht zustimme", sagte Biden.

Anstelle dafür zu sorgen, dass die Reichen "ihren fairen Anteil" zahlen, wollten einige Republikaner die öffentliche Krankenkasse "Medicare" und die Sozialversicherung beschneiden. Das führte zu lauten Buhrufen republikanischer Parlamentarier und zu einem spontanen Wortgefecht des Präsidenten mit der Opposition.

Noch keine Entscheidung über zweite Amtszeit

Biden will in den kommenden Wochen oder Monaten entscheiden, ob er sich bei der Präsidentschaftswahl 2024 für eine zweite Amtszeit bewirbt. Er konnte zwar seit seinem Einzug ins Weiße Haus im Januar 2021 eine Reihe von Erfolgen verbuchen, zum Beispiel im Kampf gegen die Corona-Pandemie, in der Wirtschaftspolitik, bei der Infrastruktur und beim Klimaschutz - Erfolge, die er in seiner Rede hervorhob. Allerdings sehen viele Wähler sein hohes Alter als ein Problem an. Biden ist bereits jetzt der älteste Präsident der US-Geschichte und wäre beim Ende einer möglichen zweiten Amtszeit 86 Jahre alt.

Laut einer Umfrage sind 58 Prozent der Anhänger der Demokraten und der zu den Demokraten neigenden unabhängigen Wähler der Meinung, dass die Partei für 2024 einen anderen Kandidaten aufstellen sollte. Beobachter halten es aber für sehr wahrscheinlich, dass Biden nochmal antreten will.

Biden konzentrierte sich auf innenpolitische Themen

Seine Rede zur Lage der Nation fokussierte der Präsident auf innenpolitische Themen, die Wählern besonders wichtig sind. So versprach er eine Wirtschaftspolitik, "in der niemand zurückgelassen wird", und warb für höhere Steuern für Milliardäre.

Trotz einer von Deutschland und anderen EU-Staaten befürchteten Abschirmung der US-Wirtschaft will er noch mehr Begünstigung für die heimische Industrie. "Ich weiß, dass ich dafür kritisiert wurde, aber ich werde meine Meinung nicht ändern. Wir werden dafür sorgen, dass die Lieferkette für Amerika in Amerika beginnt", sagte Biden. "Das ist völlig im Einklang mit den internationalen Handelsregeln." Außerdem ging es um das Abtreibungsrecht, das Waffenrecht und den Kampf gegen Polizeigewalt.

Mit Blick auf zahlreiche Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze räumte Biden ein, dass er mit seinen Kindern nie über Verhaltensweisen bei Verkehrskontrollen habe reden müssen. Er forderte seine Zuhörer auf, sich vorzustellen, wie sich einige Eltern in ihrer Sorge fühlen müssten, dass ihre Kinder nicht nach Hause kommen könnten. In den USA sehen sich viele schwarze Erziehungsberechtigte gezwungen, mit ihren Kindern "The Talk" zu führen: das Gespräch, in dem sie gesagt bekommen, was junge Schwarze tun und lassen sollten, wenn sie von der Polizei gestoppt werden.

Reform nach Polizeigewalt angemahnt

Bei der Ansprache anwesend waren auch die Mutter und der Stiefvater von Tyre Nichols. Der Afroamerikaner war am 7. Januar bei einer Verkehrskontrolle in Memphis im Bundesstaat Tennessee von fünf schwarzen Polizisten brutal zusammengeschlagen worden und infolge seiner Verletzungen gestorben. "Was Tyre in Memphis widerfahren ist, passiert zu oft. Wir müssen besser werden: Die Strafverfolgungsbehörden besser ausbilden, sie an höhere Standards binden", forderte Biden.

Dauerhafte Unterstützung für Ukraine

Außenpolitische Themen schnitt Biden nur am Rande an. So sagte er der Ukraine im Russland-Krieg die dauerhafte Unterstützung der USA zu. Die Invasion sei "ein Test für die Ewigkeit gewesen", sagte er. "Ein Test für Amerika. Ein Test für die Welt." Doch hätten die USA Führung bewiesen, die Nato geeint und eine globale Koalition geschmiedet. "Wir werden Ihnen zur Seite stehen, so lange es nötig ist", so Biden. Die Vereinigten Staaten gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine und haben in den vergangenen Monaten in rasanter Abfolge diverse Milliarden-Pakete mit Waffen und Munition auf den Weg gebracht.

Warnung an China: "Täuschen Sie sich nicht"

Nach dem Überflug eines mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballons über die USA warnte er Peking vor weiteren Provokationen. "Täuschen Sie sich nicht: wie wir letzte Woche klargestellt haben, wenn China unsere Souveränität bedroht, werden wir handeln, um unser Land zu schützen. Und das haben wir getan." Die USA hatten den Ballon am Samstag abgeschossen.

Republikanerin: "Biden gefährdet unsere Nation"

Die Republikanerin Sarah Huckabee Sanders griff in ihrer Gegenrede Biden scharf an und warf ihm mangelnde Führung vor. "Die Schwäche von Präsident Biden gefährdet unsere Nation und die Welt", sagte die frühere Sprecherin des damaligen Präsidenten Donald Trump, die mittlerweile Gouverneurin des südlichen US-Bundesstaates Arkansas ist.

"Präsident Biden ist nicht bereit, unsere Grenzen, unseren Luftraum und unsere Bevölkerung zu verteidigen", sagte sie. "Die Weigerung des Präsidenten, China, unserem stärksten Gegner, die Stirn zu bieten, ist gefährlich und inakzeptabel." Er sei als Oberbefehlshaber ungeeignet.

Sanders kritisierte Biden zudem dafür, dass die Menschen in den USA mit den Konsequenzen einer gescheiterten Politik leben müssten, während sich seine Regierung "mehr für woke Fantasien zu interessieren scheint als für die harte Realität, mit der die Amerikaner jeden Tag konfrontiert sind". Übersetzt bedeutet "woke" soviel wie "aufgewacht" oder "wachsam". Allgemein wird darunter das Bewusstsein für Themen wie Diskriminierung, Sexismus, Rassismus verstanden, allerdings ist das Adjektiv inzwischen, insbesondere in rechtskonservativen Kreisen, teils negativ konnotiert.

Mit Informationen von AFP, AP, dpa

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