Die USA appellieren an China, auf eine militärische Unterstützung Russlands zu verzichten. Sie sehe mit Sorge, dass Peking die Beziehungen mit Moskau seit Beginn des Ukraine-Kriegs vertieft habe, sagte US-Vizepräsidentin Kamala Harris auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Sie warnte, eine weitere Unterstützung Russlands würde die Aggression belohnen und die regelbasierte Ordnung weiter untergraben.
Harris versicherte, die Vereinigten Staaten würden die Ukraine so lange unterstützen wie nötig. Sollte Putin Erfolg haben, könnten andere autoritäre Mächte sich ermutigt fühlen, seinem gewalttätigen Beispiel zu folgen.
Harris wirft Russland Verbrechen gegen Menschlichkeit vor
Den Westen und die Nato sieht Harris ein Jahr nach Kriegsbeginn geeint. "Kiew steht noch, Russland ist geschwächt, das transatlantische Bündnis ist stärker denn je", betonte sie. Die USA hätten unter Präsident Joe Biden Entschlossenheit und Führung gezeigt.
Den russischen Streitkräften warf die US-Vizepräsidentin schreckliche Gräueltaten begangen vor. Sie sprach von Morden, Folter, Vergewaltigungen. Die Vereinigten Staaten hätten Beweismittel untersucht. "Es gibt keinen Zweifel: Das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit." Die Täter und ihre Vorgesetzten müssten zur Rechenschaft gezogen werden, der Gerechtigkeit müsse im Namen der Opfer Genüge getan werden – das sei „in unserem moralischen Interesse“.
Wang: China will Friedensgespräche
Der oberste chinesische Außenpolitiker Wang Yi hat bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine neue "Kalte-Krieg-Mentalität" beklagt. China stehe auf der Seite des Friedens und des Dialoges, sagte er laut offizieller Übersetzung und kündigte Unterstützung seines Landes für Friedensgespräche an. China werde ein Positionspapier zur politischen Beilegung des Konfliktes vorlegen.
China "besorgt" über Krise in der Ukraine
Wang betonte, China sei zutiefst besorgt über die langandauernde Krise in der Ukraine. Sein Land sei nicht direkt betroffen, wolle kein Öl ins Feuer gießen, aber auch nicht die Hände in den Schoß legen. Territoriale Integrität und die Souveränität müssten geachtet, die Prinzipien der UN-Charta müssten eingehalten und legitime Sicherheitsbedenken müssten ernst genommen werden. Es dürfe kein nuklearer Krieg geführt werden. Der Chefdiplomat warnte auch vor Angriffen auf Kernkraftwerke.
Ziel Chinas sei es, Friedensgespräche zu ermöglichen, sagte Wang. Es habe bereits kurz nach Ausbruch des Krieges einen Text für eine friedliche Lösung gegeben. Er wisse nicht, warum dieser Prozess nicht fortgeführt worden sei. Es gebe vielleicht Mächte, die "größere strategische Ziele" in dem Konflikt verfolgten. Diesen sei das Leben der Ukrainer egal.
Wang: Ballon-Abschuss "absurde und hysterische Reaktion"
In der sogenannten Ballon-Affäre attackierte der chinesische Chef-Diplomat die USA massiv. Bei dem Ballon habe es sich um ein unbemanntes Flugobjekt "ziviler Natur" gehandelt. Es sei versehentlich von seinem Kurs abgekommen.
Die USA hatten einen chinesischen Ballon per Rakete abgeschossen und vermuten, dass China mit Gerät Spionage betrieben hat. Wang nannte den Abschuss eine "absurde und hysterische Reaktion". Er sei eine Verletzung internationaler Praktiken. "Wir rufen die USA auf, in Zukunft solche absurden Handlungen zu unterlassen." Dass in den Vereinigten Staaten China als Bedrohung wahrgenommen werden, sei eine "Fehlwahrnehmung".
Wang wirft USA "Schmutzkampagne vor"
Den USA warf Wang in diesem Zusammenhang eine Schmutzkampagne vor. Diese werde Auswirkungen auf die US-amerikanisch-chinesischen Beziehungen haben. Für China gelten dem Chef-Diplomaten zufolge wiederum drei Grundsätze im Verhältnis mit den USA: gegenseitiger Respekt, friedliche Koexistenz und Zusammenarbeit.
US-Präsident Joe Biden hatte den Abschuss jüngst verteidigt, aber zeitgleich das Gespräch mit Peking gesucht. "Ich entschuldige mich nicht für den Abschuss dieses Ballons", sagte Biden am Donnerstag in Washington. China habe die Souveränität der Vereinigten Staaten verletzt. Das sei nicht hinnehmbar. Gleichzeitig erwarte er, mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping zu sprechen.
- Zum Artikel: Biden - Entschuldige mich nicht für Abschuss von Ballon
China warnt vor Einmischung
Zugleich warnte Wang den Westen vor einer Aufwertung Taiwans in seiner Außenpolitik. Jede Verletzung der Ein-China-Politik oder der Versuch, zwei China zu schaffen, sei "eine große Verletzung" der territorialen Souveränität Chinas, sagte der frühere Außenminister. Taiwan sei noch nie ein eigenständiges Land gewesen und werde es auch in Zukunft nicht sein.
Von der Leyen: Mehr in Verteidigung investieren
Zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gefordert, Europa müsse mehr in die Verteidigung investieren. Es gelte, die Produktion anzukurbeln, insbesondere von standardisierten Erzeugnissen wie zum Beispiel Munition. Dies sei nötig, um der Ukraine zu helfen.
Von der Leyen mahnte, Kiew müsse die Unterstützung erhalten, die sie benötige, damit die "imperialistischen Ambitionen" des russischen Präsidenten Wladimir Putin scheitern. Die Ukraine müsse in der Lage sein, zu gewinnen. Die internationalen Partner müssten deutlich machen, dass sie niemals akzeptieren werden, dass Putin das Völkerrecht mit Füßen trete.
Marin: "Haben bei der Krim einen großen Fehler gemacht"
Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin nannte den Krieg in der Ukraine einen "Krieg um Werte". Russland habe jegliche Regeln der internationalen Ordnung verletzt. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Ukraine auf jeden Fall gewinnt, damit unsere Regeln und Werte gesichert werden", sagt Marin.
Zu Frage, wie ein Sieg der Ukraine aussehen kann, erklärte Marin: "Es ist an den Ukrainern zu sagen, was ihre Bedingungen für einen Sieg sind." Sie müssten entscheiden, wann es so weit ist. Bis dahin wolle man mit der Unterstützung Kiews weitermachen, solange es nötig sei, so Marin weiter. Dabei müssen es auch das Ziel sein, schneller bei der Produktion von Rüstungsgütern zu sein.
Die finnische Ministerpräsidentin räumte ein, dass man in der Vergangenheit naiv gewesen sei. Man habe noch vor einem Jahr alles getan, um eine diplomatische Lösung zu finden. Es sei aber klar gewesen, dass es einen russischen Angriff geben würde. Marin blickte auch zurück auf 2014: "Im Rückblick haben wir bei der Krim einen großen Fehler gemacht", sagte sie in Hinblick auf die Einnahme der Halbinsel durch russische Truppen. "Wenn wir da besser reagiert hätten, dann wäre der Krieg nicht passiert", glaubt Marin. Man habe aber seine Lektion gelernt. "Wir dürfen nicht wieder so naiv sein."
Finnische Regierungschefin: Nato-Beitritt mit Schweden
In München betonte Marin erneut, dass man gemeinsam mit Schweden in die Nato eintreten wolle. Die Türkei blockiert gegenwärtig den Beitritt Schwedens. Es gab Gerüchte, dass Finnland auch allein Teil des Militärbündnisses werden könnte. Dem widersprach Marin: "Wir möchten gemeinsam Mitglied werden, weil das im Interesse aller ist." Diese Signale habe man an die Türkei und an Ungarn gesendet – die beiden einzigen Nato-Länder, die den Beitritt Finnlands und Schwedens bisher nicht im Parlament ratifiziert haben.
Den Wunsch Finnlands, Teil der Nato zu werden, bezeichnete sie als "Akt des Friedens". Es sei die einzige Handlung, die Russland verstehe. Zwar sei Unabhängigkeit das Wichtigste für die finnische Bevölkerung. Doch der russische Angriffskrieg habe deutlich gemacht, dass es diesen Schritt brauche.
Stoltenberg sieht keine Entspannung im Ukraine-Krieg
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte ebenfalls eine Fortführung der Unterstützung der Ukraine. Eine Entspannung sieht er in diesem Krieg nicht. "Es gibt keine Hinweise, dass Putin seine Ambitionen geändert hat." Deswegen müsse man der Ukraine geben, was sie brauche.
An diejenigen gerichtet, die eine Gefahr darin sehen, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen, sagte Stoltenberg: Es gebe keine risikofreien Optionen. "Aber das größte Risiko besteht darin, dass Putin gewinnt." Denn dies wäre die Botschaft an autoritäre Staaten, dass sie ihre Ziele mit Gewalt erreichen könnten. Die Unterstützung der Ukraine sei deswegen nicht nur das moralisch richtige, sondern liege auch im ureigensten Interesse der westlichen Partner.
Mit Informationen von Reuters.
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