Er wolle nicht über Basketball reden, sagt Steve Kerr, Trainer der Golden State Warriors in den USA. Stattdessen spricht er, sichtlich angefasst, kurz nach der Tat über das Schulmassaker in Texas - mit mindestens 19 toten Grundschulkindern, einer toten Lehrerin und unzähligen traumatisierten Menschen. "Ich bin die Gedenkminuten so leid", sagt Kerr. Er zählt weitere Amokläufe und Massaker der jüngeren US-Vergangenheit auf, schlägt auf den Tisch: "Wann werden wir etwas tun dagegen?"
Wie Kerr geht es vielen Menschen an diesem Tag, in den USA, weltweit. Mal wieder ein Amoklauf, mal wieder tote Kinder, auch der Präsident äußert sich verzweifelt. "Ein Kind zu verlieren, ist, als wenn einem ein Stück der eigenen Seele entrissen wird", sagt Joe Biden, der als junger Mann seine damalige Ehefrau und die gemeinsame Tochter durch einen Autounfall verlor - und später einen weiteren Sohn. Es sei, als ob man ersticke, beschreibt Biden.
US-Präsident Biden: "Ich habe es satt"
Und jetzt? Auch der US-Präsident sagt: "Ich habe es satt." Das Gemetzel dürfe nicht immer weitergehen, man müsse handeln. Nur: Bidens Demokraten haben im Kongress keine Mehrheit, um die laxen Waffengesetze zu verändern. Und die ersten Reaktionen der Republikaner, traditionell der mächtigen Waffenorganisation NRA eng verbunden, sprechen nicht für ein Umdenken. Die Bürger in ihren verfassungsmäßigen Rechten beim Waffenbesitz einzuschränken, sei "nicht effizient", sagt der texanische Senator Ted Cruz. Sinnvoll sei mehr bewaffnetes Sicherheitspersonal auf Schulgeländen.
Viele Demokraten sind darüber wütend, verzweifelt - und doch machtlos. Der demokratische Senator Chris Murphy reagiert laut Medienberichten im US-Kongress besonders emotional. "Was machen wir?", fragt Murphy. Und ruft in die Runde: "Warum machen Sie sich die Mühe, diesen Job zu bekommen, wenn Ihre Antwort lautet, dass wir nichts tun, während diese Metzelei zunimmt und unsere Kinder um ihr Leben rennen?"
Die Waffengewalt sei eine Besonderheit der USA, sagt Murphy. "Nirgendwo sonst gehen kleine Kinder mit dem Gedanken zur Schule, dass sie an diesem Tag erschossen werden könnten."
Erzbischof: Waffen werden "zu Götzen gemacht"
Wichtige Vertreter der katholischen Kirche in den USA fordern ebenfalls strengere Waffenregeln, nicht zum ersten Mal. "Es hat zu viele Schießereien an Schulen gegeben, zu viele Tötungen von Unschuldigen", sagt Bischofskonferenz-Sprecherin Chieko Noguchi.
San Antonios Erzbischof Gustavo Garcia-Siller kritisiert den Waffenkult in den USA und Politiker, "die im Allgemeinen nicht den Mut haben, die Waffen im Land zu kontrollieren". Man wisse noch nicht viel über den Täter, sagt der Erzbischof. Aber Waffen seien verfügbar und würden "zu Götzen gemacht". Das sei ein "systemisches Problem".
Vor Ort Fassungslosigkeit, Trauer, Wut
Vom Ort der jüngsten Morde schildern Reporterinnen und Reporter dramatische Szenen. Verzweifelte Familien versammeln sich im Bürgerzentrum von Uvalde und stellen die immer gleichen Fragen: Ist mein Sohn, ist meine Tochter noch am Leben? Ist mein Kind verletzt, wie schwer? Am späten Dienstagabend herrscht langsam Klarheit, wer getötet wurde. Ein Mann verlässt das Bürgerzentrum und schluchzt in sein Telefon: "Sie ist tot."
Auch im Netz wird das Grauen spürbar: Familien posten in den sozialen Netzwerken Bilder von lächelnden Kindern, bitten um Informationen über deren Schicksal. Dabei stehen die Sommerferien kurz bevor, jeder Schultag in der Grundschule hatte ein bestimmtes Motto. Am Dienstag, dem Tag des Amoklaufs, waren die Schüler aufgefordert, ein schickes Outfit mit lustigen oder ausgefallenen Schulen zu tragen: "Footlose and Fancy".
Bundeskanzler Scholz: "Unfassbares Massaker"
Statt unbeschwerter Vorfreude auf die Ferien kommen jetzt aus aller Welt Zeichen und Worte der Anteilnahme. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekundet am Mittwochvormittag deutscher Zeit den Hinterbliebenen und Verletzten sein Beileid. Das "unfassbare Massaker" lasse sich kaum in Worte fassen, twittert Scholz auf Englisch. SPD-Chefin Saskia Esken äußert ebenfalls auf Twitter: "Wieder sind unschuldige Menschen, ja: Kinder! in den USA Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Sie sind auch Opfer derjenigen, die gegen alle Vernunft eine schärfere Regulierung des Waffenbesitzes verhindern!"
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht den Menschen in den USA ebenfalls sein Mitgefühl aus. "19 der Opfer waren jünger als zehn Jahre alt", twittert Macron. Die Kinder und ihre Lehrer seien "feige ermordet" worden. "Wir teilen den Schock und die Trauer der amerikanischen Bevölkerung und die Wut aller, die sich dafür einsetzen, die Gewalt zu beenden."
Papst Franziskus: Massaker "bricht mir das Herz"
Auch der Papst meldet sich zu Wort, trauert und kritisiert. "Das Massaker an der Grundschule in Texas bricht mir das Herz", sagt Franziskus nach einer Generalaudienz im Vatikan. "Ich bete für die getöteten Kinder und Erwachsenen und ihre Familien." Es sei an der Zeit, "dem wahllosen Handel mit Waffen ein Ende zu setzen", fordert das Kirchenoberhaupt. Alle sollten sich dafür einsetzen, "dass sich solche Tragödien nie wieder ereignen können".
NBA-Basketballtrainer Steve Kerr appelliert an die Senatoren in den USA, vor allem an die Republikaner. Man könne nicht taub gegenüber diesen Ereignissen werden, klagt er wütend. "Es ist erbärmlich", sagt Kerr dann noch über die Politiker, die schärfere Waffengesetze verhindern - und beendet seine Pressekonferenz. Bis Mittwochmittag wurde das Video seines Auftritts allein bei Twitter gut 19 Millionen mal aufgerufen.
(mit Informationen von dpa, KNA und AP)
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