Endspurt für Natascha Sagorski: Sie und ihr Vorhaben sind im Bundestag angekommen: "Nach drei Jahren hartem Kampf und Petitionsstart soll endlich der gestaffelte Mutterschutz nach Fehlgeburten verabschiedet werden." Das sieht ein Gesetzentwurf vor, auf den sich CDU/CSU, Grüne und SPD geeinigt haben und der trotz Ampel-Aus und Wahlkampf am Abend im Bundestag verabschiedet werden soll.
Am Anfang stand eine schmerzhafte Erfahrung
Heute lächelt Sagorski, die aus dem bayerischen Unterföhring kommt. Doch angefangen hat alles mit Trauer: Sie hatte eine Fehlgeburt erlitten. Die 40-Jährige erinnert sich noch genau an den Moment, als sie blutete, als der Schmerz kam – körperlich wie seelisch. "Mir wurde noch im Krankenhaus von der Ärztin gesagt: 'Frau Sagorski, Sie brauchen keine Krankschreibung, Sie können morgen wieder arbeiten gehen.'" Das aber konnte sie nicht.
Fehlgeburt: Fast jede dritte Frau betroffen
Fast jede dritte Frau erleidet in Deutschland eine Fehlgeburt. Verlieren sie in der frühen Phase der Schwangerschaft das Kind, haben sie bislang keinen Anspruch auf Mutterschutz. Erst nach Ende des 6. Schwangerschaftsmonats steht ihnen Schutzzeit zu. Die Ampel-Regierung hatte sich zwar eine Reform vorgenommen – doch passiert ist lange nichts.
Sagorski wollte das ändern, setzte sich für betroffene Frauen ein, damit ihnen früher ein Recht auf Mutterschutz zusteht. Vor drei Jahren startet sie daher eine Petition. Sie mobilisiert Familien, Frauen, Betroffene. 2023 demonstrieren sie gemeinsam in Berlin, überreichen die Petition mit über 70.000 Unterschriften an Bundespolitikerinnen.
Rückblickend meint die familienpolitische Aktivistin heute: "Ein Thema, das familienpolitisch ist und dann auch noch fast nur Frauen betrifft – das dann auf die höhere Ebene zu heben, war glaube ich die größte Herausforderung." Zwar herrscht bei den demokratischen Parteien Einigkeit über die Unterstützung – doch das Vorhaben wackelt. Die Ampel-Regierung zerbricht, mittlerweile ist der Wahlkampf in vollem Gange.
Gesetz über Parteigrenzen hinweg
Und doch schafft es die Gesetzesänderung kurz vor der Wahl in den Bundestag zur Abstimmung: Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, sollen künftig bereits ab der 13. Schwangerschaftswoche Schutz erhalten. SPD und Grüne hatten zunächst die 15. Schwangerschaftswoche in einem Entwurf vorgeschlagen, CDU und CSU die 13. Woche. Parteiübergreifend haben sich die Familienpolitikerinnen jetzt auf diese Lösung verständigt. "Das ist ein sehr, sehr guter Tag für die Rechte von Frauen", sagt Sarah Lahrkamp von der SPD. Am Abend stimmt der Bundestag final darüber ab.
Auch Silvia Breher von der CDU ist "unfassbar froh, dass das gelungen ist". Kritik an der zuständigen Bundesfamilienministerin Lisa Paus (B.90/Die Grünen) klingt an: "Ich hätte mir schon gewünscht, dass diese Dinge deutlich früher und deutlich besser aus dem Bundesfamilienministerium heraus gelungen wären – sie kamen leider nicht", so Breher. Franziska Krummwiede-Steiner von den Grünen hingegen verteidigt ihre Ministerin: "Wir wollten natürlich noch mehr haben", sagt sie, beispielsweise die Familienstartzeit. Die Paket-Verhandlungen scheiterten jedoch, unter anderem wegen der Finanzierung.
Sagorski: "Demokratie funktioniert"
Einig sind sich aber alle: Der Erfolg gebührt Natascha Sagorski, denn erst durch ihre Petition hat sie den Anstoß zum gestaffelten Mutterschutz gegeben: "Zu zeigen, dass es in Deutschland, in unserer Demokratie möglich ist, als eine Betroffene so weit zu kommen: Das zeigt einfach, dass Demokratie funktioniert." Sagorski ist inzwischen in die SPD eingetreten, denn: "Wir schimpfen immer sehr viel auf Politik und auf Parteien. Aber ich glaube, um wirklich schimpfen zu können, muss man es erst einmal versuchen, besser zu machen. Und das möchte ich gerne."
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