Die Energiewende in Deutschland nimmt Fahrt auf. Am Donnerstagvormittag hat der Bundestag ein Gesetzespaket zum Ausbau der erneuerbaren Energien, das sogenannte Osterpaket, beschlossen. Das Parlament entschied mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen, dass der Anteil von Wind-, Solar- und Wasserkraft bis 2030 auf 80 Prozent des Stromverbrauchs steigen soll - derzeit liegt er knapp unter 50 Prozent. Die Gesetzesvorhaben müssen noch den Bundesrat passieren.
Habeck rechnet mit Vorgängerregierung ab
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rechnete bei der abschließenden Beratungen mit der Politik der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab. "Wenn man sich vor Eisbergen fotografieren lässt, aber vergisst, dass Eisberge schmelzen. Wenn man klimapolitische Beschlüsse fasst, sie aber nicht mit Maßnahmen hinterlegt, dann lässt man Deutschland im Regen stehen", sagte Habeck zu Beginn der Debatte.
Er führte aus: "Und das haben wir in der Vergangenheit erlebt: immer größere Abhängigkeit von russischen fossilen Energien, mangelnde Diversifizierung, Nichteinhaltung der klimapolitischen Ziele, schleppender, ja zusammengebrochener Ausbau der erneuerbaren Energien."
Union kritisiert Energie-Gesetzespaket der Ampel
Habeck reagierte damit nach eigenen Worten auf Vorwürfe des "Oppositionsführers". Unions-Fraktionsführer Friedrich Merz hatte Teile des Gesetzespakets am Donnerstag als "Schönwetterpolitik" bezeichnet, am Freitag meldete er sich bei der Debatte nicht zu Wort. Habeck sprach hingegen vom "größten Gesetzespaket im Energiebereich der letzten Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte". Der CDU-Energiepolitiker Andreas Jung sprach von einem Paket der verpassten Chancen. Habeck habe nicht den Dialog mit der Union gesucht und auch keinen Runden Tisch mit den Ländern organisiert. Stattdessen regiere die Ampel nun von oben durch.
Mehr Strom aus Wind und Sonne
Das Bundeswirtschaftsministerium unter Habeck hatte die Gesetze erarbeitet, die den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland stark beschleunigen sollen. Ökostrom aus Wind und Sonne spielt eine Schlüsselrolle in der Strategie der Bundesregierung. Es wird nun gesetzlich festgelegt, dass erneuerbare Energien im "überragenden öffentlichen Interesse" liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen sollen. Das soll Genehmigungsverfahren beschleunigen und Gerichtsverfahren erleichtern. Geregelt wird in dem Paket auch die Vereinbarkeit von Windkraft mit dem Artenschutz.
Bayern bekommt feste Quote für Windkraft
Um den Ausbau der Windkraft zu beschleunigen, sieht das "Wind-an-Land-Gesetz" außerdem vor, dass die Bundesländer feste Anteile ihrer Fläche als Vorranggebiete für Windräder zur Verfügung stellen sollen. Für die einzelnen Länder gelten unterschiedliche Ziele, weil es unterschiedliche Voraussetzungen für den Ausbau der Windenergie gibt - Stichwort: windreicher Norden, windärmerer Süden. Für Bayern beträgt diese Quote bis Ende 2027 (ein Jahr später, als von Habeck vorgesehen) 1,1 Prozent der Landesfläche, bis Ende 2032 1,8 Prozent der Fläche. Die bayerische Staatsregierung hat angekündigt, diese Vorgaben zu erfüllen.
Regionale Planungsverbände unter Zugzwang
Dazu müssen die 18 regionalen Planungsverbände im Freistaat nun weitere Flächen für Windkraft identifizieren. So erreichen zum Beispiel in Oberfranken die ausgewiesenen Vorranggebiete aktuell 0,7 Prozent der Fläche, hier fehlen bis zum Etappenziel nur noch 0,4 Prozent. Im Planungsverband München (von Freising bis Starnberg) hingegen sind bisher noch keine Vorranggebiete ausgewiesen, ebenso in Ingolstadt, in Teilen der Oberpfalz und am Untermain. Binnen zwei Jahren soll dies nun nachgeholt werden, damit Bayern seine Flächenquoten fristgerecht erfüllen kann.
Wälder als Standorte gewünscht
Am windarmen Alpenrand (hier gibt es eher Fallwinde) hofft man, dass diese Einschränkungen bei der Quotenerfüllung berücksichtigt werden. "Einfach zu sagen, wir verdoppeln die Anlagen und haben dann doppelt so viel Strom, diese Rechnung geht nicht auf," sagte Markus Riethe vom Planungsverband Donau-Iller dem BR. Auch Funk-Bereiche für Piloten verhinderten hier zum Teil neue Windräder.
Viele Regionen setzen gemäß der 10-H-Ausnahmeregeln des Freistaats ab Mitte 2023 auf Windräder in Wäldern. Der Planungsverband im Großraum München hat schon signalisiert: Von den 400 geschätzten neuen Windrädern dürften drei Viertel in Wäldern liegen. Auch in Spessart, Rhön oder Steigerwald gibt es Überlegungen für mehr Windkraft.
Vereinfachte Artenschutz-Prüfung beschlossen
Wo es nach den nun vom Bund geänderten Naturschutzbestimmungen möglich ist, gibt es künftig vereinfachte Standards bei der Artenschutz-Prüfung: Es soll zum Beispiel eine Liste geben mit geschützten Brutvogelarten, die immer wieder mit den Rotorblättern zusammenstoßen. Zum Beispiel der Rotmilan. Wenn künftig ein Windpark in solchen Gebieten geplant wird, dann soll es eine Standardprüfung geben auf "Kollisionswahrscheinlichkeit". Das geht wohl schneller als die bisherigen Verfahren.
Weil das aber auch noch durch den Bundesrat muss, weil Bayern seine eigenen Ausnahmeregeln von 10H erst im Landtag verabschieden muss, deshalb warten viele örtliche Planungsverbände jetzt erstmal ab. Sie rechnen aber mit deutlich mehr Windkraftanlagen, wenn die jetzigen Beschlüsse wie geplant umgesetzt werden. Denn Strom aus Wind ist vergleichsweise billig.
Weiteres Thema: Ersatz für Gas-Verstromung
Am Donnerstagabend wird im Bundestag noch die Energiekrise gesondert behandelt. Dann wird über den Gesetzentwurf der Regierung zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage debattiert und abgestimmt.
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