Der Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zur Entscheidungsfindung beim Atomausstieg im April 2023 eingesetzt. Für einen abgeänderten Antrag der Unionsfraktion stimmten am Nachmittag die Abgeordneten von CDU/CSU sowie der AfD. Damit erreichte der Antrag die erforderliche Zustimmung von mindestens einem Viertel der Abgeordneten. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP enthielten sich.
Der Ausschuss kann damit zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wird diese erste Sitzung, die der Öffentlichkeit zugänglich sein wird, bereits am Abend eröffnen.
Entscheidungsfindung der Ampel-Regierung auf dem Prüfstand
Die Unionsparteien wollen mit dem Untersuchungsausschuss die Entscheidungsfindung im Vorfeld der im April 2023 erfolgten Abschaltung der drei letzten deutschen Atomkraftwerke (AKWs) überprüfen lassen. Sie werfen den verantwortlichen Ministerien für Wirtschaft und für Umwelt vor, nicht sachgerecht, sondern aufgrund ideologischer Vorbehalte gehandelt und nicht alle relevanten Fakten einbezogen zu haben.
"Netzwerke der Grünen" in den Ministerien am Werk?
Eigentlich hätten die drei letzten deutschen Atomkraftwerke schon Ende 2022 abgeschaltet werden sollen. Als 2022 die Gaslieferungen aus Russland im Zuge des Ukraine-Konflikts zunächst gedrosselt und später gestoppt wurden, beschloss die Bundesregierung aber, die Laufzeiten der drei Kraftwerke bis Mitte April 2023 zu verlängern.
Union und AfD kritisieren die dann erfolgte endgültige Abschaltung der Atommeiler. Das Magazin "Cicero" hatte berichtet, dass "Netzwerke der Grünen" die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke "manipuliert" hätten. So seien Hinweise von Fachleuten nicht zu Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) durchgedrungen.
Zweifel an der Ergebnisoffenheit der Entscheidung
Der Ausschuss solle deshalb "ein umfassendes und detailliertes Gesamtbild" der Entscheidungsprozesse in der Bundesregierung zur Energieversorgung nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vom Februar 2022 erarbeiten, heißt es im nun beschlossenen Untersuchungsauftrag. Dabei solle geklärt werden, "welche Informationen über die Energieversorgung und ihre Entwicklung sowie die nukleare Sicherheit verfügbar waren" und warum diese gegebenenfalls von der Bundesregierung nicht einbezogen wurden.
Ziel ist es auch festzustellen, ob die von Habeck zugesagte "ergebnisoffene Prüfung" so stattgefunden habe und ob Bundestag und Öffentlichkeit "umfassend, zeitnah, sachgerecht und zutreffend informiert wurden". Zudem soll geprüft werden, ob die Aktenführung in den beteiligten Ressorts die parlamentarische Kontrolle der Entscheidungen erschwert hat.
Union fordert Transparenz
Es gehe um nichts Geringeres als um die Frage, "ob die Öffentlichkeit bei der Entscheidung zur Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke getäuscht wurde", sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete und Energiepolitiker, Andreas Lenz, der Deutschen Presse-Agentur. Seine Fraktion werde bei der Aufarbeitung die notwendige Transparenz einfordern und die Verantwortung für die Abläufe rund um den Atomausstieg klären. Lenz ist eines der künftigen Ausschussmitglieder.
Lemke sieht Aufarbeitung "sehr gelassen" entgegen
Die beiden beteiligten Ministerien haben alle Vorwürfe stets bestritten und betonten, die Entscheidung zur Abschaltung der letzten Atomkraftwerke sei unvoreingenommen und unter Berücksichtigung aller Informationen getroffen worden. Bundeswirtschaftsminister Habeck sagte, die Kraftwerksbetreiber selbst hätten erklärt, dass ein noch längerer Betrieb der Atommeiler nicht möglich wäre, da die Brennstäbe "ausgelutscht" seien. Der Betreiber PreussenElektra hatte diese Darstellung als "erheblich verkürzt" kritisiert.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) erklärte, dass sie dem Ausschuss "sehr gelassen" entgegenblicke. "Untersuchungsausschüsse einzusetzen, ist das Recht der Opposition", betonte sie. Ihr Haus habe aber ohnehin "von Anfang an alle Fragen des Parlamentes und der Öffentlichkeit transparent beantwortet". Die Fakten lägen auf dem Tisch, so Lemke.
Die Opposition greift zu ihrem "schärfsten Schwert"
Untersuchungsausschüsse gelten als das "schärfste Schwert der Opposition". Um sie einzusetzen, müssen mindestens ein Viertel aller Mitglieder des Bundestags zustimmen. Mit 195 von insgesamt 733 Mitgliedern des Bundestags hätte die Unionsfraktion diese Vorgabe auch ohne Unterstützung der AfD-Abgeordneten erfüllt.
Der Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg ist der zweite in dieser Legislaturperiode. Seit Juli 2022 befasst sich ein Untersuchungsausschuss bereits mit der Aufarbeitung der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.
Mit Informationen von dpa und AFP
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!