Das Zeitalter der Atomkraft ist auch in Bayern seit einem Jahr vorbei. Am 15. April 2023 wurde das Kernkraftwerk Isar 2 in Essenbach im Landkreis Landshut vom Netz genommen. Ein Schritt, der weiterhin für Diskussionsstoff sorgt.
Grüne froh über Atom-Aus
Während CSU und Freie Wähler bis zuletzt für einen Weiterbetrieb plädiert hatten, sind die Grünen froh über das Aus und fordern von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mehr Einsatz für den Ausbau erneuerbarer Energien.
Aus Sicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze steht fest: "Bayern ist ohne Atomkraft sicherer. Der Abschied von dieser extrem risikoreichen Stromerzeugung ist und bleibt ein großer Gewinn für unsere Heimat und die Menschen hier." Ein Jahr nach dem Abschalten zeige sich, dass die Befürworter der Atomkraft falsch gelegen hätten, denn: "Wir hatten und haben ausreichend Strom zur Verfügung. Die Strompreise sind heute niedriger als vor dem AKW-Aus."
Martin Stümpfig, Sprecher für Energie der Landtags-Grünen, pflichtete dem bei: Der Anteil der erneuerbaren Energien sei nie so hoch gewesen wie heute. Es werde so wenig Kohle verstromt wie seit den 1960er-Jahren nicht mehr, und die Strompreise seien seit dem Atomausstieg gesunken. "Wer jetzt immer noch davon fabuliert, die AKW wieder anzuschalten, macht Politik aus dem Wolkenkuckucksheim."
Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz (BN), Richard Mergner, sprach angesichts des Atomausstiegs vor einem Jahr von einem "Riesenerfolg für die Umweltbewegung, die ein halbes Jahrhundert lang gegen diese Hochrisiko-Technologie gekämpft hat" und betonte: "Weder sind bei uns die Lichter ausgegangen, noch ist die Kohleverstromung nach oben geschnellt."
Bundesamt: Nukleare Sicherheit bleibt Daueraufgabe
Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) gibt den Grünen recht: "Deutschland ist durch den Atomausstieg sicherer geworden", so Präsident Christian Kühn. Gleichzeitig zeige jedoch die geringe Zahl der bereits vollständig zurückgebauten Reaktoren, wie aufwendig dieser Rückbau, die Zwischenlagerung und Endlagerung seien. "Nukleare Sicherheit muss also noch für viele Jahrzehnte gewährleistet werden und bleibt eine Daueraufgabe", so BASE-Präsident Kühn.
Das Bundesamt drängt auf eine Lösung: "Voraussichtlich 27.000 Kubikmeter hochradioaktiver Abfälle bleiben nach der jahrzehntelangen Nutzung der Kernenergie zurück. Mit dieser festen Größenangabe kann - und muss - jetzt ein tiefengeologisches Endlager gesucht werden."
Kein Zurück zum Atomstrom
Klar ist jedenfalls: Hochgefahren werden kann der Meiler Isar 2 nicht mehr. Der Rückbau hat begonnen, wie eine Sprecherin des Betreibers PreussenElektra sagte. Vor drei Wochen war vom Umweltministerium die Rückbaugenehmigung für Isar 2 erlassen worden. Schon im Herbst 2023 hatte der Betreiber mitgeteilt, dass die Anlage nicht mehr hochgefahren werden kann. Nach dem Abschalten hatten Mitarbeiter mit vorbereitenden Maßnahmen für den Rückbau begonnen. Zudem stünden die für einen Betrieb erforderlichen Mitarbeiter nicht mehr zur Verfügung, so PreussenElektra-Geschäftsführer Guido Knott im Herbst. Das Thema Wiederinbetriebnahme sei "definitiv vom Tisch".
Zum Anhören: Wie weit ist Deutschland bei der Endlagersuche?
Söder wollte Sonderweg für Bayern
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte nach dem Herunterfahren von Isar 2 noch gesagt, die Anlage in Landesverantwortung weiterbetreiben zu wollen und von der Bundesregierung eine Änderung des Atomgesetzes gefordert.
Dafür kassierte er umgehend Kritik vom Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE): "Bundestag und alle Bundesländer einschließlich Bayern haben sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht." Der geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche.
"Die Endlagersuche ist ein Mammutprojekt, das nur gelingen kann, wenn die Breite der Gesellschaft dafür eintritt. Behauptungen über andere und angeblich einfachere Optionen haben keine fachliche Basis und lenken davon ab, dass weiterhin ein Endlager in tiefen geologischen Schichten die einzige Entsorgungsmöglichkeit für die gefährlichen Stoffe ist." BASE-Präsident Christian Kühn
Umweltminister Glauber nach wie vor pro Atomstrom
Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) bezeichnete den deutschen Atomausstieg vor drei Wochen einmal mehr als falsch. "Wir haben uns immer dafür eingesetzt, die Kernkraftwerke als klimafreundliche Brücke vorübergehend weiterlaufen zu lassen." Der Vorrang für erneuerbare Energien sei im Bayerischen Klimaschutzgesetz festgeschrieben, der Freistaat setze auf deren schnellstmöglichen Ausbau.
Jedoch: "Angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen brauchen wir jede Kilowattstunde Energie, die wir selbst erzeugen können. Mit Isar 2 wäre es noch immer möglich, bezahlbaren und CO2-freien Strom in Bayern zu produzieren." Vor der Abschaltung deckte Isar 2 nach Ministeriumsangaben rund 18 Prozent der bayerischen Stromproduktion ab.
Rückbau von Isar 2 dauert bis Ende der 2030er-Jahre
Neben dem Meiler Isar 2 waren am 15. April 2023 auch das Atomkraftwerk Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg vom Netz genommen worden. Der Rückbau ist Aufgabe der Betreiber. Im Fall von Isar 2 sollen diese Arbeiten bis Ende der 2030er-Jahre abgeschlossen sein. Vier bayerische Atomkraftwerke befinden sich bereits im Rückbau: Isar 1, Grafenrheinfeld sowie Gundremmingen Block B und C.
Mit Material der dpa
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