Die ersten Hochrechnungen der Bundestagswahlergebnisse lösten bei keiner der großen Parteien große Jubelstimmung aus – außer bei der AfD. Die Partei von Alice Weidel konnte unter anderem die meisten Nichtwähler für sich gewinnen. Wie sich die Wählerschaft sonst veränderte: hier unser Überblick.
SPD: Der Absturz der Kanzlerpartei
Die SPD ist mit einem Minus von 9,3 Prozentpunkten zahlenmäßig der größte Verlierer. Auffällig: Im Saldo haben 1,8 Millionen Menschen, die sich 2021 für die SPD entschieden haben, diesmal die Unionsparteien gewählt. An diese hat die SPD somit fast so viele Wähler verloren, wie an die sonstige Konkurrenz zusammen - ein Signal, dass viele die Führung des Landes nun nicht mehr Olaf Scholz, sondern Friedrich Merz und der "anderen" der zwei klassischen Volksparteien anvertrauen wollen.
Ein Silberstreif am roten Horizont ist nur, dass die SPD – wie fast alle anderen Parteien – dank der deutlich höheren Wahlbeteiligung auch 340.000 Nichtwähler an die Urnen (zurück-)holen konnte.
Wählerwanderung: Die SPD
CDU/CSU: Wahlsieg mit Schönheitsfehlern
Die SPD mit dem schlechtesten Wahlergebnis seit 1887 - die Union nur mit dem zweitschlechtesten seit 1949. Vergleicht man das Unionsresultat mit den Wahlergebnissen der Merkel-Ära, so ist der Zugewinn von in Summe knapp viereinhalb Prozentpunkten für CSU und CDU nicht berauschend. Er reicht aber dank der massiven SPD-Verluste für einen klaren Regierungsauftrag.
Dabei kamen die stärksten Wählerströme von SPD und FDP, dazu 900.000 mobilisierter Ex-Nichtwähler. Etwas verloren hat die Union an die Ränder des politischen Spektrums: deutlich an die AfD, in geringerem Umfang an BSW und Linke.
Wählerwanderung: Die CDU/CSU
AfD spricht besonders Nichtwähler an
Wer sich am Nachmittag gefragt hat, wer am meisten von der gestiegenen Wahlbeteiligung, nicht zuletzt in den östlichen Bundesländern, profitieren würde: Vor allem die AfD, bei der frühere Nichtwähler mit fast 1,9 Millionen die größte Gruppe in der Wählerwanderung bilden.
Auch sonst konnte die in Teilen rechtsextreme Partei, mit der niemand koalieren will, von sämtlichen Konkurrenten Wähler abwerben. Nur die Neugründung BSW machte der AfD einige ihrer bisherigen Wähler abspenstig.
Wählerwanderung: Die AfD
Die Linke: Im Schlussspurt über die Ziellinie
Betrachtet man nicht den ganzen Marathon dieses Winterwahlkampfs, sondern nur den finalen Sprint, sehen die Linken wie Gewinner des Rennens aus. Noch zum Jahreswechsel in allen Umfragen unter fünf Prozent landet die nach langer Selbstzerfleischung neu aufgestellte Partei nun klar über acht. Die Polarisierung der Schlussphase bescherte der Linken vor allem die Zustimmung früherer Wähler von SPD und Grünen. Geringer als erwartet ist hingegen der Blutverlust, den ihr die Abspaltung ihrer früheren Vorsitzenden Sahra Wagenknecht zufügte.
Wählerwanderung: Die Linke
Grüne: Schrammen links und rechts
Im Vergleich der drei Ampellichter blinken die Grünen noch am Muntersten. Doch auch sie verloren viele Stimmen, vor allem an die Linkspartei und an die Union. Auch zu BSW und AfD wanderten einige Wählerinnen und Wähler. Immerhin konnten die Grünen ihren beiden Ex-Regierungspartnern Stimmen abnehmen und noch einige Nichtwähler mobilisieren.
Wählerwanderung: Die Grünen
FDP: Auf den Kern zurückgeschrumpft
Ungewöhnlich klar ist die Grafik zur Entwicklung der FDP: Die Lindner-Partei, die gehofft hatte, mit dem Ausstieg aus einer unpopulären Regierung punkten zu können, hat weit mehr als die Hälfte ihrer Wähler von 2021 verloren – und zwar an sämtliche Mitbewerber, auch an die Linke. Die FDP ist zudem die einzige Partei, die keine Nichtwähler von sich überzeugen konnte.
Wählerwanderung: Die FDP
BSW: Der Reiz des Neuen
Das BSW wiederum hat aus allen Lagern dazugewonnen – was in der Logik einer Partei liegt, die es bei der letzten Bundestagswahl noch nicht gab. Vor allem frühere SPD- und Nichtwähler konnte die Neugründung im Namen Sahra Wagenknechts von sich überzeugen; hingegen weniger AfD-Wähler als von vielen erwartet.
Dass das BSW verglichen mit der Europawahl 2024 auch schon Federn lassen musste, thematisiert die Grafik nicht. Dennoch reichte es für die Partei laut dem vorläufigen Ergebnis knapp nicht, um in den Bundestag einzuziehen.
Wählerwanderung: Das BSW
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