Zur Eindämmung der vorhergesagten massiven fünften Corona-Welle durch die Omikron-Variante beraten Bund und Länder am Dienstagnachmittag über schärfere Einschränkungen von privaten Treffen. Die Politik will mit ihren Maßnahmen auf einen eindringlichen Aufruf des neuen Corona-Expertenrats der Regierung zum Handeln reagieren. Deutschland droht laut den Experten durch Omikron eine "neue Dimension" des Pandemiegeschehens.
Omikron: Ansteckungsgefahr für Genesene und zweifach Geimpfte
Der Expertenrat hatte in seiner ersten Stellungnahme vor einer Ansteckung von zweifach Geimpften sowie Genesenen durch Omikron gewarnt. "Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen." Eine erhebliche Überlastung der Krankenhäuser sei zu erwarten. "Sollte sich die Ausbreitung der Omikron-Variante in Deutschland so fortsetzen, wäre ein relevanter Teil der Bevölkerung zeitgleich erkrankt und/oder in Quarantäne". Einen harten Lockdown vor Weihnachten hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Sonntag ausgeschlossen.
Breite Ablehnung eines harten Lockdowns
FDP-Chef Christian Lindner will einen harten Lockdown vermeiden. Pauschale Schließungen von Schulen und im Einzelhandel müssten "immer nur Ultima Ratio" sein, sagte Lindner in Berlin. Er gehe davon aus, dass es weitere Verschärfungen bei öffentlichen und privaten Veranstaltungen geben werde. Auch bei Clubs seien schärfere Auflagen geboten. Man müsse immer "lageadäquat" entscheiden. Er sei aber zuversichtlich, dass mit der konsequenten Anwendung etwa des Maskentragens oder auch der 2G- und 3G-Regeln ein Lockdown wie er derzeit etwa in den Niederlanden bestehe abgewendet werden könne.
Im Fokus der Ministerpräsidentenkonferenz sollen privaten Treffen und der Freizeitbereich stehen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht davon aus, dass er sich mit den Ministerpräsidenten der Länder auf weitere Kontaktbeschränkungen im Kampf gegen Corona verständigen wird. Man werde sich am Dienstag unter anderem mit den privaten Kontakten auch von Geimpften befassen, "und einzelne in dieser Richtung liegende zusätzliche Entscheidungen treffen", sagte Scholz am Montag bei seinem Antrittsbesuch in Rom. "Das Ergebnis wird sein, dass wir, glaube ich, ein konsensuales Vorgehen festlegen können. Das ist wichtig, gerade jetzt in dieser Zeit und in diesem Moment."
"Zum Thema, welche weiteren Beschränkungen denkbar sind, werden sich Bund und Länder jetzt austauschen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Es gehe da insbesondere um private Zusammenkünfte, für die heute vielerorts noch eine Obergrenze von 50 Personen indoor und 200 Personen outdoor gelte, um Großveranstaltungen und Clubs. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte im Deutschlandfunk: "Ich bin mir sicher, dass Clubs und Diskotheken schließen werden, dass wir die Kontakte auch für Geimpfte in Innenräumen reduzieren werden." Das werde für den Januar verabredet.
Weitere Einschränkungen von Zusammenkünften wahrscheinlich
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU), zugleich Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, sagte in der ARD, es werde um Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich gehen. Eine weihnachtliche Kaffeetafel oder ein Abendessen im Kreis der Familie werde auch dieses Jahr möglich sein. "Aber die große Silvestersause wird es nicht geben können." Berlins scheidender Regierender Bürgermeister Michael Müller warnte vor größeren Feiern zu Weihnachten und vor Silvesterpartys. Mit Vorschlägen, das private und öffentliche Leben vollständig lahmzulegen, solle man hingegen "nicht leichtfertig" umgehen, warnte Habeck. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen hatte der Deutschen Presse-Agentur gesagt: "Angesichts der äußerst hohen Übertragbarkeit von Omikron werden wir um einen Lockdown nach Weihnachten vermutlich nicht herumkommen."
In eine ersten Beschlussvorlage, die BR24 am Montagnachmittag vorlag, ist die Rede von weitreichenden Beschränkungen von Zusammenkünften Geimpften und Genesener auf maximal zehn Personen ab dem 28. Dezember.
Söder: Bayern wird nicht vorpreschen
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schloss einen Alleingang des Freistaats bei den Corona-Beschränkungen aus. "Wir Bayern werden nicht vorpreschen", sagte Söder nach einer CSU-Vorstandssitzung. Er begründete dies mit den sinkenden Infektionszahlen im Freistaat. Zugleich versicherte er aber, dass die Staatsregierung umsetzen werde, was die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten am Dienstagnachmittag gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beschließen. Söder wies daraufhin, dass in Bayern bereits Clubs und Diskotheken geschlossen seien und es – anders als in anderen Bundesländern – keine Weihnachtsmärkte gebe. Ob er Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte will, ließ Söder offen.
Bundesregierung setzt weiter auf Impfkampagne
Im Zentrum des Kampfes der Regierung gegen Omikron steht weiter das Impfen. "In Deutschland haben wir mit Omikron auch deshalb ein Problem, weil die Zahl der Geimpften nicht hoch genug ist", sagte Büchner. Allerdings gehe bei den Geimpften die Booster-Kampagne gut voran. Die anvisierte Zahl von 30 Millionen Impfungen bis Weihnachten sei in Reichweite. Laut offiziellen Zahlen vom Montag sind mindestens 58,4 Millionen Personen nach bisherigen Maßstäben vollständig geimpft, also 70,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Mindestens 26,2 Millionen - insgesamt 31,5 Prozent - haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung bekommen.
"Beides müssen wir jetzt auch während der Feiertage und zwischen den Jahren noch einmal intensivieren - das Impfen und das Boostern", sagte Büchner. Er zitierte Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Worten: "Jetzt Leute, geht dahin und macht das."
Sieben-Tage-Inzidenz leicht gestiegen
Der Expertenrat der Regierung hatte angesichts der erwarteten vielen Infektionen und des damit verbundenen befürchteten Ausfalls vieler Beschäftigter auch vor Problemen bei der kritischen Infrastruktur gewarnt. Gemeint sind unter anderem Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr und Strom- und Wasserversorgung. Die Bundesbehörden sollen nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums nun deshalb bestehende Pandemiepläne auf den Prüfstand stellen. Solche Pläne seien zwar seit vielen Monaten in Kraft, sagte der Sprecher. Nun müssten alle Behörden für sich prüfen, "welche Maßnahmen zusätzlich ergriffen werden müssen, damit die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Behörden auch unter diesen Bedingungen erhalten bleibt".
Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg nach längerer Abwärtstendenz erstmals wieder leicht an. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche mit 316,0 an - nach 315,4 am Vortag.
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