An einem Strand in Italien stehen aufgeklappte Liegen und zugeklappte Sonnenschirme, alle in blau-weiß, direkt am Meer. Der Sonnenschirm bleibt zu, die Liege wird nicht aufgeklappt: Italiens Strandbäder sind im Streik – allerdings erst einmal nur für eine halbe Stunde.
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Sonnenschirme und Liegen am Strand.

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Die Sonnenschirme bleiben zu: Streik in Italiens Strandbädern

Sonnenschirme und Liegen werden nicht aufgeklappt: Italiens Strandbäder streiken am Freitag – allerdings erst einmal nur für eine kurze Zeit am Morgen. Was skurril klingt, hat einen ernsten Hintergrund, der Italien schon seit Jahren beschäftigt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Jeden Morgen spannen Edoardo Moscara und seine Mitarbeiter im Strandbad Belsito, am Strand von Ostia, die grünen Schirme auf, etwa 200 sind es. Sie klappen die grünen und roten Liegen auf – 700 an der Zahl. Und kümmern sich erst um die kleinen weißen Holzhäuschen, um das Volleyballfeld, dann um die Badegäste. Es ist ein Familienunternehmen, mittlerweile in dritter Generation – auch seine Kinder arbeiten im Strandbad, erzählt Moscara.

EU-Richtlinie: Strandbad-Konzessionen müssen ausgeschrieben werden

Das alles könnte bald zu Ende sein. Denn Italien muss nach langem Widerstand eine EU-Richtlinie umsetzen und die Konzessionen für die Strandbäder international neu ausschreiben. Bisher wurden diese Konzessionen meist einfach automatisch verlängert – oft für wenig Geld.

Viele Strandbad-Betreiber haben seit Generationen in "ihre" Strandbäder investiert, Schwimmbäder oder Häuschen auf dem Gelände gebaut – sie haben jetzt Angst, nach der nächsten Ausschreibung ohne alles dazustehen. Auch Edoardo Moscara befürchtet, dass er nicht in der Lage ist, mit Unternehmensgruppen oder Hotelketten zu konkurrieren, wenn sein Strandabschnitt neu ausgeschrieben wird.

Das Geschäft mit dem Strand

Das Geschäft mit dem Strand ist lukrativ: Für zwei Liegen und einen Sonnenschirm zahlt man in Strandbädern schon mal 30 Euro am Tag, die Zeitung Corriere della Sera schätzt den Jahresumsatz der gesamten Branche auf bis zu 30 Milliarden Euro.

Mehr als die Hälfte der Strände von Ostia, dem Badeort vor den Toren Roms, wird kommerziell betrieben – es sind also Strandbäder. An anderen Orten in Italien gibt es kaum noch frei zugängliche Strände.

Umweltverband fordert mehr frei zugängliche Strände

Für Sebastiano Venneri vom Umweltverband Legambiente ist das ein Ärgernis, aus seiner Sicht müsste mindestens die Hälfte der Strände in jeder Gemeinde frei zugänglich sein. Der komplette Küstenabschnitt von Ostia sei von Strandbädern bedeckt, die sogar den Blick aufs Meer verhindern, sagt Venneri.

Der Grund liegt für ihn auf der Hand: Die Strandbäder hätten sich so enorm ausgebreitet, weil die Konzessionen Jahr für Jahr immer wieder automatisch verlängert worden seien. Weil die Betreiber davon ausgegangen seien, dass die Konzessionen sowieso automatisch verlängert werden würden, hätten viele von ihnen auf dem Strand Schwimmbäder, Geschäfte, Restaurants oder Fitnessstudios gebaut, sagt Venneri.

Dass diese automatischen Verlängerungen ein Ende haben, ist für Venneri also eher eine Chance: Er hofft, dass insgesamt weniger Konzessionen für Strandbäder vergeben werden und mehr Strandabschnitte frei zugänglich werden.

Der Umweltschützer sieht dabei auch die Regierung in der Pflicht. Er fordert, die die neuen Ausschreibungen so zu gestalten, dass nicht die Bewerber gewinnen, die am meisten für die Konzessionen bezahlen – sondern die, die erneuerbare Energien nutzen, plastikfrei arbeiten und Lebensmittel aus der Region anbieten. Dann, glaubt Venneri, hätten auch italienische Betreiber Chancen.

Italiens Kampf gegen die EU-Richtlinie

Doch momentan weiß noch keiner, wie die neuen Regelungen für die Konzessionen aussehen sollen – obwohl Italien diese EU-Richtlinie seit fast 20 Jahren umsetzen soll. Aber Italien hat sich immer wieder darum herumgemogelt, die Strandbad-Betreiber sind eine wichtige Wählerklientel. Mittlerweile haben auch der Europäische Gerichtshof und die höchste italienische Verwaltungs-Instanz, der Staatsrat, entschieden, dass Italien die Konzessionen jetzt aber wirklich ausschreiben muss.

Trotzdem gibt es noch keine neuen Regelungen für die Konzessionen. Diese Unsicherheit ist es auch, die Strandbad-Betreiber Edoardo Moscara so stört. Erst wenn er die Regelungen kenne, könne er entscheiden, ob es sich lohne weiterzumachen, sagt er.

Wenn die Regierung untätig bleibt, wollen Edoardo Moscara und seine Mitstreiter wieder streiken. Dann auch länger: Am 19. August sollen die Strandbäder immerhin bis 10.30 Uhr geschlossen bleiben.

Im Video: Streik an Italiens Stränden

Mann am Strand
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Streik an Italiens Stränden - und das mitten in den Sommerferien. Italiens Strandbetreiber fürchten um ihre Zukunft.

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