Hass, Radikalisierung, Desinformation – es sind die dunklen Seiten der digitalen Plattformen, die nicht erst seit Kurzem bekannt sind. Doch es ist Wahlkampf: In drei Monaten steht die Europawahl an, bei der erstmals in Deutschland ab 16 Jahren gewählt werden darf. Das Werben um die jungen Wähler verschiebt sich in den digitalen Raum. Die Algorithmen der Plattformen bevorzugen Meldungen mit starken Emotionen, Fakten verbreiten sich im Gegensatz zu Falschnachrichten "wie eine Schnecke", meint Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), "das ist eine Herausforderung".
Innenministerium: "Schutz der Europawahl vor Desinformation"
Was also tut die Bundesregierung – und kann sie die mächtigen, digitalen Plattformen überhaupt regulieren? Auf BR24-Anfrage heißt es vom Bundesinnenministerium (BMI), dass es den Schutz der Europawahl in Deutschland "vor hybriden Bedrohungen einschließlich Desinformation" koordinieren werde. Eine Taskforce gegen Desinformation tausche sich ressort- und behördenübergreifend über Bedrohungslagen und die jeweiligen Schutzmaßnahmen für die Europawahl in Deutschland aus.
Europaweiter Schutz im Netz – und Deutschland?
Auf Europaebene wurde bereits reguliert: EU-weit gilt seit Februar der sogenannte "Digital Services Act" (DSA). Dieser soll den Schutz von Internet-Nutzern verbessern, indem beispielsweise illegale Inhalte wie Hassreden oder Fake-News leichter entfernt und besser bekämpft werden. Auf nationaler Ebene – also in den Mitgliedsstaaten – braucht es dafür ein eigenes Gesetz, in Deutschland das Digitale-Dienste-Gesetz. Damit wird ein Koordinator bestimmt, der ebenfalls für die Durchsetzung der Regeln zuständig ist. In Deutschland soll das die Bundesnetzagentur übernehmen. Nur: Das nationale Gesetz hierfür ist noch gar nicht beschlossen – es befindet sich noch im parlamentarischen Beratungsverfahren.
Das Bundesdigitalministerium rechnet auf BR24-Anfrage damit, dass sich die Bundesländer damit im April befassen. Wie es vom Ministerium heißt, gebe es keine Regelungslücke durch die spätere Benennung des Koordinators. Bis dahin "fehlen behördliche Durchsetzungsmöglichkeiten wie das Verhängen von Buß- oder Zwangsgeldern bei Verstößen gegen DSA-Vorschriften. Diese stehen in der Regel am Ende von Untersuchungsverfahren, insofern gibt es keine unmittelbaren, nachteiligen Auswirkungen einer leicht verzögerten Umsetzung."
Bundesregierung: TikTok-Taktik fehlt bislang
Neben Regulieren setzt die Bundesregierung auch auf Präsentieren: Bisher haben vor allem sicherheits- und datenrelevante Bedenken der chinesischen Plattform TikTok die Regierung davon abgehalten, dort präsent zu sein. Doch angesichts der anstehenden Wahlen scheint ein Umdenken einzusetzen: Der Bundeskanzler wies erst kürzlich bei einem Bürgergespräch darauf hin, auf allen Kanälen mit Informationen präsent sein zu müssen. Wie es auf BR24-Nachfrage aber von einem Sprecher der Bundesregierung heißt, liege "noch keine abschließende Entscheidung dazu vor, aber wir prüfen das". Eine TikTok-Taktik fehlt bislang also.
Strategie gegen Fake-News: Wissenschaft verbreitet Optimismus
Es sei unrealistisch zu glauben, dass es eine "große, übergeordnete Strategie" gibt, meint Hannah Schmid-Petri. Sie ist Lehrstuhlinhaberin für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau und beschäftigt sich unter anderem mit politischer (Online-)Kommunikation. Für sie ist es zentral, dass neben journalistischen Angeboten auch Politiker auf Social Media präsent sind.
Desinformation richte sich an Gegner der Demokratie, "die in Ansichten, die sie schon haben, bestärkt werden". Desinformation könne bei dieser Gruppe einen verstärkten Effekt haben. Schmid-Petri will aber Optimismus verbreiten: Natürlich könne man kritisieren, dass auf digitalen Plattformen früher etwas passieren hätte müssen, "aber ich sehe das konstruktiv: dass es gut ist, dass jetzt etwas passiert". Jeder Schritt gegen Desinformation und Richtung Information helfe ihrer Ansicht nach.
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