Am Bodensee gebauter Klimasatellit "Earthcare" scannt Atmosphäre
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Um 0.20 Uhr (MESZ) wurde die Trägerrakete gezündet.

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Am Bodensee gebaut: Klimasatellit "Earthcare" scannt Atmosphäre

Seit Mittwoch läuft die nächste Mission der Esa im All - doch zunächst herrschte knapp eine Stunde banges Warten: Klappt der Start, funktioniert die Energieversorgung und "spricht" der am Bodensee gebaute Satellit mit der Kontrollstation am Boden?

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Als der erlösende Kontakt kommt, ist die Freude groß im Kontrollzentrum der Europäische Weltraumorganisation "Esa" in Darmstadt. Um 1.14 Uhr (MESZ) am Mittwochmorgen sendet der Erdbeobachtungssatellit "Earthcare" über Südafrika die ersten Signale und nimmt die Kommunikation auf – knapp eine Stunde nach dem erfolgreichen Start im kalifornischen Vandenberg. Die Esa hat eine neue Mission, Anspannung in den Gesichtern im Kontrollzentrum weicht der Erleichterung und Freude.

"Wir sind super glücklich, dass so weit alles geklappt hat", sagt Missionsleiter Björn Frommknecht. "Es ist eine fantastische Nacht", sagt auch der Missionswissenschaftler Thorsten Fehr. Die Rakete habe den Satelliten genau da hingebracht, wo er hin sollte. "Wenn das so perfekt weitergeht, ist das ein Traum."

Bessere Klimamodelle und Wettervorhersagen

Um 0.20 Uhr (MESZ) wurde die Trägerrakete gezündet, wie Bilder einer Live-Übertragung im Esa-Kontrollzentrum zeigten. Anschließend hob der Orbiter an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns "SpaceX" ab. Der Satellit soll in einer Umlaufbahn in Höhe von rund 400 Kilometern global die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung in der Atmosphäre untersuchen und so bessere Klimamodelle und Wettervorhersagen möglich machen. Erstmals soll nach Angaben von Esa-Experten damit ein 3D-Modell der Atmosphäre im gesamten Höhenprofil erstellt werden können. 

Dabei geht es den Angaben nach um die dynamischen Bewegungen, um physikalische und chemische Eigenschaften und wie sich die Atmosphäre global zeitlich verändere. Das könnte man auch mit einem Wetterballon machen, aber dann bekäme man nur ein punktuelles Bild, quasi eine Säule.

Mehrere Knackpunkte beim Start von "Earthcare"

In den kommenden sechs Monaten werde nun alles geprüft und getestet, erst dann sei es eine Routineoperation. Der Satellit sei noch "wie ein Baby in den frühen Tagen", so der Esa-Direktor für Missionsbetrieb, Rolf Densing. Gebaut wurde der zwei Tonnen schwere Satellit von Airbus in Immenstaad am Bodensee (Externer Link).

Wenn seine Solarpanele ausgeklappt sind, ist der Orbiter laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) rund 17 Meter lang, 2,5 Meter breit und 3,5 Meter hoch. Die Instrumente an Bord senden Lichtimpulse und analysieren die reflektierten Signale. Die japanische Raumfahrtbehörde Jaxa steuerte ein Radar bei, mit dem sich das Innenleben von Wolken untersuchen lässt. Zudem gibt es ein Instrument, das hochauflösende Bilder im sichtbaren und infraroten Lichtspektrum macht. Das vierte Instrument misst die reflektierte Sonnenstrahlung und die von der Erde ausgehende Wärmestrahlung.

Neue Dimension der Erdbeobachtung

Experten sehen in der Mission eine neue Dimension der Erdbeobachtung. Das Wissen um die Erdatmosphäre und ihre Interaktion mit Aerosolen und Wolken ist Wissenschaftlern zufolge lückenhaft. Diese sollen nun geschlossen werden.

"Die Daten, die da gesammelt werden, werden von verschiedenen Organisationen genutzt, um Wettervorhersagen konkret zu optimieren", sagt Nicolaus Hanowski von der Esa-Direktion für Erd- und Umweltbeobachtung in Frascati bei Rom. So könnten voraussichtlich auch Unwetter wie die tödliche Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal besser vorhergesagt werden. 

Kurzfristige Warnungen vor derartigen Ereignissen seien indes auch mit den neuen Daten nicht möglich. Es gehe darum, die Vorhersagen zu verbessern, und dazu sei ein Verständnis für die Dynamik von Wolken, Tiefdruckgebieten und der Atmosphäre nötig.

Der "Weiße Drache" fliegt

Die Gesamtkosten für "Earthcare" (Cloud, Aerosol and Radiation Explorer) bezifferte der Esa-Missionswissenschaftler Fehr auf 800 Millionen Euro für die europäische Seite. Hinzu kämen von der japanischen Raumfahrtagentur Jaxa rund 52 Millionen Euro für eines der Instrumente. Die Japaner haben dem Orbiter den Spitznamen "weißer Drache" gegeben, wegen seiner Form und seiner Farbe. Weiße Drachen könnten der Legende nach besonders schnell fliegen.

Mit Informationen von dpa

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