"Alles Gute und passen Sie auf sich auf", ruft Boris Pistorius den Soldaten zu, bevor sie sich auf den Weg nach Litauen machen. Der Verteidigungsminister ist persönlich zum Berliner Flughafen gefahren, um die 21 Männer des Vorkommandos zu verabschieden. Er bedankt sich für deren "Pioniergeist" und betont die sicherheitspolitische Bedeutung der geplanten Brigade in Litauen. Und der SPD-Politiker erinnert daran, dass die Bundeswehr mit dem Großverband etwas Neues wagt.
Normalerweise werden Soldatinnen und Soldaten bei Auslandseinsätzen nach einigen Monaten abgelöst. In Litauen aber sollen sie für mehrere Jahre bleiben. Und die Brigade insgesamt ist auf unbestimmte Zeit geplant. So lange soll es sie geben, wie es die Bedrohung durch das russische Regime erfordert.
Vorkommando soll dauerhafte Stationierung in Litauen vorbereiten
Bis die angestrebte Stärke von fast 5.000 Bundeswehrkräften erreicht ist, wird es noch einige Zeit dauern. Noch gebe es in Litauen viel zu tun, sagt Pistorius. Das Vorkommando hat die Aufgabe, die Stationierung der nachrückenden Einheiten vorzubereiten. Es geht beispielsweise um Kasernen, Truppenübungsplätze und Wohnungen für die Soldatinnen und Soldaten. Und für deren Familien, falls sie ins Baltikum mitkommen.
Einer der Soldaten, die von Anfang an mitmachen, ist Oberstleutnant Oliver. Sein Nachname soll wie bei Bundeswehrsoldaten üblich nicht genannt werden. Der 42-Jährige beschreibt seinen künftigen Job im BR24-Interview als Schnittstelle zwischen dem Kommando des deutschen Heeres und der litauischen Seite. Er muss laut sprechen, denn der Lärm in der A400M-Maschine, die die Soldaten nach Litauen bringt, ist ohrenbetäubend. Zuletzt war der Bauingenieur am Bundeswehrstandort Ingolstadt tätig, im bautechnischen Unterstützungszentrum. Jetzt kann er seine Erfahrungen in Litauen einbringen, wo so bald wie möglich die Infrastruktur für die Brigade entstehen soll.
Litauischer Minister schätzt "deutsche Zuverlässigkeit"
Bisher laufe alles nach Plan, sagt der litauische Verteidigungsminister Laurynas Kasciunas nach der Landung des Vorkommandos in Vilnius. Das deutsche Engagement sei für sein Land sehr wichtig, macht er beim Empfang der Bundeswehrsoldaten am Flughafen von Vilnius deutlich. Deren Anwesenheit beweist nach seinen Worten die "deutsche Zuverlässigkeit" im Nato-Verbund. Die ersten Sätze seines Statements richtet er auf Deutsch an die Gäste – ein Zeichen der Wertschätzung.
Dazu passt, dass dem litauischen Verteidigungsminister zufolge die große Mehrheit der Menschen in dem baltischen Land hinter der geplanten Brigade steht. Gemeinsam werde man eine "Abschreckungsarchitektur" an der Ostgrenze des Bündnisses schaffen. Niemand solle auf die Idee kommen, den Zusammenhalt der Nato zu testen.
Nato-Ostgrenze: Litauen liegt besonders exponiert
Wer hier abgeschreckt werden soll, liegt auf der Hand. Litauen befindet sich zwischen dem russischen Gebiet Kaliningrad im Westen und Belarus im Osten, einem Verbündeten des Putin-Regimes. Entsprechend verbreitet ist unter den Menschen in der ehemaligen Sowjetrepublik die Sorge, der russische Machthaber könnte es nach der Ukraine auch auf ihr Land abgesehen haben.
"Die Bedrohung ist da", sagt Heereschef Alfons Mais, der nach Vilnius mitgeflogen ist, im BR24-Interview. Das würden die Menschen hier im Baltikum besonders spüren. "Und es ist unser Auftrag zu helfen."
Doch gerade bei den Landstreitkräften gibt es auch Skepsis im Hinblick auf die neue Brigade. Schließlich spielt das Heer bei der Fähigkeit zur Landesverteidigung eine entscheidende Rolle. Und schon die Waffenhilfe für die Ukraine hat Lücken in den Bundeswehrbeständen verursacht.
Heereschef setzt auf voll einsatzfähige Brigade
Der Aufbau der neuen Brigade werde zunächst "nochmal eine leichte Delle bedeuten", räumt Mais ein. Er zeigt sich aber zuversichtlich, dass die Lücken durch Nachbeschaffungen geschlossen werden können. Ziel sei es, eine voll einsatzfähige neue Brigade aufzubauen. Wie lange das dauern wird, hängt nach seiner Einschätzung unter anderem von der Art des Materials ab. Das gehe von "A wie Artilleriegeschütz bis Z wie Zeltbesteck." Manches könne relativ schnell beschafft werden, Großgerät hingegen werde vier bis fünf Jahre brauchen, so Mais.
Der Zeitplan für die Brigade aber ist ehrgeizig: Im Oktober soll ein sogenannter Aufstellungsstab das Vorkommando verstärken. Ab nächstem Jahr will die Bundeswehr größere Einheiten nach Litauen verlegen. Und Ende 2027 soll der neue Großverband voll einsatzbereit sein. Bis dahin müssen noch viele offene Fragen geklärt werden. Auch das gehört zur Bilanz dieses Tages, an dem das deutsche Vorkommando in Litauen angekommen ist.
Im Video: Verabschiedung des Vorkommandos
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