Die Synode der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat erstmals seit der Veröffentlichung der ForuM-Studie Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt vorgestellt. Die Studie hatte Hinweise auf 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte seit 1946 ausgemacht.
Um 14 Uhr präsentierte das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt (BEFO) den 128 Delegierten des evangelischen Kirchenparlaments in Würzburg einen zwölf Punkte umfassenden Maßnahmenplan. Das BEFO setzt sich aus acht Betroffenen und neun Kirchenvertretern zusammen. Am Mittwoch will die Synode über den Plan abstimmen.
Opfer sollen mindestens 15.000 Euro erhalten
Eine der Maßnahmen: Bundesweit einheitliche Anerkennungszahlungen für Missbrauchsbetroffene. Geplant ist eine pauschale Leistung in Höhe von 15.000 Euro. Diese soll im Fall von strafrechtlich relevanten Taten gezahlt werden. Dazu soll dann noch eine individuelle Entschädigung kommen. Die Richtlinie soll frühestens im März vom Rat der EKD in Kraft gesetzt werden.
"Die Summe der pauschalen Leistung stellt für uns Betroffene im Beteiligungsforum die absolute Untergrenze dar, um dieser Reform überhaupt zustimmen zu können", sagte Detlev Zander, Sprecher der Betroffenen im EKD-Beteiligungsforum. "Wir wissen, dass es Betroffene gibt, denen die Summe zu niedrig ist. Wir wissen auch, dass es Personen in der Kirche und Diakonie gibt, denen der Betrag zu hoch ist."
Die Missbrauchsbauftragte der Bundesregierung Kerstin Claus kritisiert, dass die Zahlung nur dann vorgesehen sei, wenn die Tat straftrechtlich anerkannt ist. "Kirchliche Verantwortungsübernahme muss sich jenseits strafrechtlicher Kategorien über eine klare Haltung zeigen", so Claus.
Zentrale Ombudsstelle und Akteneinsicht
Des Weiteren soll eine zentrale Ombudsstelle geschaffen werden, die Betroffene bei Konflikten mit kirchlichen und diakonischen Stellen unterstützt. Kirchenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sollen verpflichtende Schulungen zum Thema sexualisierte Gewalt absolvieren. Zudem soll Betroffenen weitgehende Akteneinsicht bei kircheninternen Verfahren gegen beschuldigte Mitarbeiter ermöglicht werden. Der Stand eines laufenden Verfahrens soll Betroffenen zugänglich gemacht werden.
Trotz Maßnahmen: Kritik von Betroffenensprecher
"Es sind nicht wirklich alle Kräfte mobilisiert worden, um entschlossen die Reformvorhaben umzusetzen, die dringend notwendig wären", sagt Detlev Zander. Zwar gebe es viele Landeskirchen, die ihre Ressourcen aufstockten und die ihre Fachstellen für sexualisierte Gewalt besser ausstatteten, so Zander. Auch würden sich viele Menschen – innerhalb und außerhalb der Kirche – der Thematik mit mehr Interesse zuwenden als zuvor. "Doch der große Aufschrei ist ausgeblieben." Einzelne Fachstellen bestünden weiterhin nur aus einer einzigen Person, so Zander. Nicht jeder Kirchenleitende kämpfe mit demselben Enthusiasmus.
Innen Diskussion, außen Demonstration
Schon seit neun Uhr morgens demonstrierten zehn Betroffene vor dem Tagungsort der Synode. Jakob Feisthauer, Initiator der Demonstration kritisiert, dass das BEFO nicht für die breite Masse der Betroffenen spreche. Die Vertreter hätten kein demokratisches Mandat der Betroffenen.
Die Demonstranten forderten, sich mit ihren Anliegen direkt an die Synode wenden zu dürfen. Stattdessen haben einzelne Synodale das Gespräch mit den Demonstranten gesucht. Im Saal sprechen werden diese Betroffenen nämlich nicht. Stattdessen wird eine externe Anwältin des Publikums die Anliegen von Betroffenen sammeln und dann in der Synode vortragen.
"Das können wir sehr gut selber", sagt Jakob Feisthauer gegenüber dem BR. "Ich denke, dass es sehr wichtig gewesen wäre, den Synodalen mitzuteilen, welche Sorgen und Nöte aktuell Betroffene von sexualisierter Gewalt haben und wo es mit den aktuellen Maßnahmen hakt und nicht weitergeht."
Im Interview: BR-Korrespondent Christian Wölfel zur Synode
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