Wie sah der letzte Wille von Niels Kampmann aus, dem Leiter der Passauer Hefefabrik und Schwiegersohn des bekannten Dichters Hans Carossa? Und sind alle Testamente, die angeblich in seinem Namen verfasst wurden, wirklich von ihm? Auch die, in denen er seine Pflegerin als Erbin einsetzt? Die Staatsanwaltschaft hat daran Zweifel. Sie wirft der Pflegerin unter anderem Urkundenfälschung und versuchten Betrug vor. Am Landgericht Passau kommt es zum Prozess.
Erbe umfasst allein 51 Grundstücke
Es geht um viel Geld. Kampmann hinterließ ein Erbe von mindestens 20 Millionen Euro. Genauer lässt es sich laut Landgericht nicht beziffern, weil zu dem Erbe dutzende Grundstücke, Immobilien, Kunstgegenstände, Fahrzeuge, Gold, Waffen, Teppiche, Gesellschaftsanteile und auch das Archiv des Dichters Carossa gehören.
Testamente gefälscht?
Sollte all das aus Dank an die Pflegerin gehen, weil es keine Angehörigen mehr gibt? Die Angeklagte behauptet genau das. Sie ist Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes in Passau und pflegte Niels Kampmann bis zu dessen Tod im Herbst 2021. Laut Staatsanwaltschaft soll sie schon zu Lebzeiten Kampmanns Schriftstücke gefälscht haben: darunter Quittungen, Vollmachten und Überweisungsträger. Eine Summe von knapp 66.000 Euro soll so auf das Konto ihres Pflegedienstes überwiesen worden sein, informiert das Landgericht.
Nicht ausgezahlt wurde hingegen das Millionen-Erbe. Denn die Richterin am Nachlassgericht zweifelte zwei handschriftliche Testamente an und schaltete die Polizei ein. Der Vorwurf der Ermittler: Die Pflegerin soll Kampmanns Testamente gefälscht haben, um sich so als Erbin einzusetzen.
Vier Monate in U-Haft
Dass es erst drei Jahre nach Kampmanns Tod zum Prozess kommt, liegt unter anderem daran, dass immer wieder Gutachten angefordert wurden, darunter komplexe Analysen von Kampmanns Handschrift. Unterdessen saß die Pflegedienstleiterin bereits für vier Monate in Untersuchungshaft. Im Fall einer Verurteilung sieht der Gesetzgeber für Urkundenfälschung eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Sie kam gegen eine Kaution von 100.000 Euro frei und muss sich seitdem an ein Kontaktverbot zu Mitarbeitern, die sich um Kampmann gekümmert hatten, halten.
Literarischer Nachlass in der Bayerischen Staatsbibliothek
Für den dichterischen Nachlass von Hans Carossa (1878-1956) sind mittlerweile Fakten geschaffen worden. Handschriftliche Manuskripte, Briefe, Büsten, aber auch Dokumente wie Carossas Ausweispapiere gehören seit etwa einem Jahr dem Freistaat Bayern und werden in drei großen Stahlschränken in der Staatsbibliothek München aufbewahrt, teilt der Leiter des Nachlassreferats, Maximilian Schreiber, auf BR-Anfrage mit. Die Nachlassverwalter kommen damit dem Wunsch von Niels Kampmann nach.
Er hatte in einem Testament, das er fünf Monate vor seinem Tod verfasst hatte und das beim Notar hinterlegt war, entschieden, dass der schriftliche Nachlass dem Freistaat gehören soll. Die Bücher des Dichters werden in der Staatlichen Bibliothek Passau aufbewahrt. In Passau hatte der Dichter die letzten 20 Jahre seines Lebens verbracht.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!