Ehepaar Fichtl geht die Steuerunterlagen durch
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Ehegattensplitting: Was eine Abschaffung bedeuten würde

Ehegattensplitting: Was eine Abschaffung bedeuten würde

Ehegattensplitting nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Meist hat der Mann das höhere Einkommen, die Frau das niedrigere. Nun wird die Abschaffung diskutiert. Laut einer Ifo-Studie hätte das beachtliche Folgen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Als junge Familie haben wir sehr vom Ehegattensplitting profitiert“, sagt Bauingenieur Winnie Fichtl. 5.000 Euro waren ihnen damals pro Jahr mehr geblieben, als er voll arbeitete und seine Frau Reshma sich daheim um ihre zwei kleinen Kindern kümmerte. Der heute 56-Jährige und seine 53-jährige Frau aus dem oberbayerischen Windach leben eine eher traditionelle Partnerschaft. Erst als die jüngste Tochter 13 Jahre alt war, stieg die Mutter wieder in den Arbeitsmarkt ein. Ihr Mann verdient heute fast das Doppelte ihres Gehalts, obwohl sie nur sieben Stunden weniger arbeitet.

  • Zum Artikel: Wie funktioniert das Ehegattensplitting?

Aus des Ehegattensplittings könnte Familien einschränken

Im Streit um geplante Einsparungen hatte SPD-Chef Klingbeil ein Aus für das Ehegattensplitting ins Gespräch gebracht. Für eine Familie wie die Fichtls würde das bedeuten, sie müssten etwa 1.000 Euro mehr Steuern pro Jahr zahlen. Das würde zu finanziellen Einschränkungen führen. Darüber hinaus sieht Winnie Fichtl den Mehrwert des Ehegattensplittings vor allem für junge Familien: "Wenn sich eine Familie entscheidet, ihre Kinder eher daheim durch Mutter oder Vater zu betreuen, dann unterstützt das Ehegattensplitting diesen Plan." Mit dem Angebot des Steuervorteils könne jede Familie selbst entscheiden, ob ein Elternteil mehr daheim bliebe oder ob beide arbeiten gingen. Und diese Möglichkeit der Entscheidung wünschen sie auch anderen jungen Paaren.

Ifo-Institut: Abschaffung könnte Fachkräftemangel lösen

Die studierte Elektro-Ingenieurin Reshma Fichtl war 16 Jahre lang komplett für ihre Kinder, für die Familie und für den Haushalt da. Eine hochqualifizierte Frau, deren Arbeitskraft viele Jahre dem Markt nicht zur Verfügung stand. "Das können wir uns in Deutschland aufgrund des Fachkräftemangels nicht mehr leisten", sagt Andreas Peichl, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen in München, der für die Bertelsmann-Stiftung an der Studie "Raus aus der Zweitverdienerinnenfalle" mitgearbeitet hat.

Die aktuelle Form des Ehegattensplittings biete für Frauen keinen Anreiz, mehr zu arbeiten bzw. überhaupt zu arbeiten. Das müsse sich dringend ändern, fordert Peichl. Seiner Beobachtung nach sei das traditionelle Familienbild – der Mann arbeitet, die Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um zwei bis drei Kinder – sowieso überholt: “Solche Paare gibt es nicht mehr so oft in Deutschland“, so Peichl.

Wissenschaftler schlagen Änderungen im System vor

“Wir vom Ifo-Institut schlagen vor, den Splittingvorteil für Paare mit einem sehr großen Unterschied beim Einkommen zu begrenzen“, erklärt Andreas Peichl. Bei einem Alleinverdiener-Haushaltseinkommen von 100.000 Euro zum Beispiel, wäre auf diese Weise der Splittingvorteil von bislang 8.000 Euro auf etwa 3.000 bis 4.000 Euro quasi halbiert.

Das sogenannte Realsplitting sollte nach Meinung des Ifo-Instituts kombiniert werden mit weiteren Änderungen im Gesamtsystem bei den Freibeträgen, insbesondere für Kinder, aber auch bei den Hinzuverdienstmöglichkeiten. Das würde dann mehr Beschäftigungsanreize setzen, ist Peichl überzeugt: “Wir können in den Rechnungen zeigen, dass es am Ende sogar dazu führt, dass fast alle Haushalte am Ende mehr Geld in der Tasche haben werden, da wir durch den Reformvorschlag auch neue Beschäftigung schaffen können“.

Mehrarbeit von Frauen erfordert mehr Betreuungsplätze für Kinder

Der Staat verspricht sich von der Abschaffung des Ehegattensplittings Einsparungen von etwa 20 Milliarden Euro. Wenn man dieses Geld an anderer Stelle einsetzen würde, z. B. für höhere Freibeträge für Familien und für eine bessere Kinderbetreuung, würde es wieder den Familien zugutekommen, erklärt Andreas Peichl vom ifo-Institut. Das Geld wäre dann sinnvoll investiert, gleichzeitig würde man dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Ein Blick auf das Ausland zeige, dass z. B. in Schweden, Kanada, Großbritannien nach der Abschaffung des Ehegattensplittings die Erwerbstätigkeit der Frau gestiegen sei. Gleichzeitig habe eine flächendeckendere, qualitativ hochwertige Betreuung für Kinder unter sechs Jahren auch mehr soziale Durchlässigkeit zwischen den Schichten ermöglicht, so Peichl.

Drei Viertel der Ehefrauen in Deutschland sind Zweitverdiener

In Deutschland gibt es 7,6 Millionen Ehefrauen im Alter von 25 bis 60 Jahren. Die Studie "Raus aus der Zweitverdienerinnenfalle" der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2021 belegt, dass rund drei Viertel von ihnen ein geringeres Einkommen als ihr Partner haben und demnach Zweitverdienerinnen sind.

Im Video: Debatte um Abschaffung des Ehegattensplittings

Die Familie Fichtl in Windach
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Die Familie Fichtl in Windach

Dieser Artikel ist erstmals am 20. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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