Die Entwicklungshilfe-Organisation ONE, eine Nichtregierungs-Organisation (NGO), wirbt damit: Jeder Dollar, der in die Konflikt-Prävention gesteckt wird, erspare 103 Dollar, die es brauche, wenn ein Konflikt ausgebrochen ist. ONE beruft sich dabei auf eine Studie des Internationalen Währungsfonds.
BR24 hat am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem Europa-Chef von ONE, Stephan Exo-Kreischer, gesprochen. Er zeigte sich besorgt über die Politik der neuen US-Regierung.
BR24: Herr Exo-Kreischer, warum sind Sie auf der Münchner Sicherheitskonferenz?
Exo-Kreischer: Wir sind auf der Münchner Sicherheitskonferenz, um dafür zu werben, dass Investitionen in das Verhindern von Konflikten wesentlich günstiger sind, als was man aufbringen müsste, wenn man Konflikte tatsächlich dann bearbeiten muss. Das wollen wir hier klarmachen. Das wollen wir den Finanzministern und den anderen Ministern klarmachen. Es ist keine Ausgabe, die man machen kann, sondern eine kluge Investition in die Zukunft.
BR24: Auf der Sicherheitskonferenz heißt es, Europa müsse aufrüsten, um sich selbst verteidigen zu können. Geht das zu Lasten der Entwicklungshilfe?
Exo-Kreischer: Ich glaube, wir müssen verstehen, dass Entwicklungszusammenarbeit, dass Diplomatie auch Grundpfeiler unserer Verteidigung sind. Man darf das nicht so klar trennen. Bei aller Konzentration auf Verteidigungsausgaben, die wichtig sind, müssen wir auch Investitionen für Entwicklungszusammenarbeit, für Diplomatie aufbringen. Und vielleicht auch aus dem sehr, sehr großen Finanzbereich der Verteidigungsausgaben.
"Entwicklungshilfe ist auch für uns wichtig"
BR24: Der Populismus ist weltweit auf dem Vormarsch. Populismus bedeutet Nationalstaatlichkeit, bedeutet Anti-Universalismus. Und es ist sehr wahrscheinlich – die USA machen es vor –, dass die Entwicklungshilfe das erste Opfer ist. Wie begegnen Sie dieser Entwicklung?
Exo-Kreischer: Zunächst natürlich mit großer Sorge und Bestürzung, weil die amerikanischen Partner gerade auch mit ihrer Entwicklungszusammenarbeit viel Gutes und Wichtiges getan haben und zum Teil ja auch noch tun. Wir müssen uns immer wieder klarmachen, dass es nicht um Investitionen geht, die man nur aus Solidarität weggibt, sondern dass das tatsächlich auch Investitionen sind, die für uns wichtig sind.
Natürlich muss man Menschen helfen, das ist erst einmal ein Gebot, aber wir sichern damit auch unsere Zukunft in Europa und in Deutschland. Das schaffen wir nicht allein, wir können uns nicht nur aufs Nationale konzentrieren. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen – Klimawandel, wachsende Weltbevölkerung usw. – können wir nur gemeinsam in Partnerschaft mit anderen Staaten bewältigen.
"Die Deutschen bleiben solidarisch"
BR24: Gibt es auch außerhalb der staatlichen Budgets Möglichkeiten, die Entwicklungshilfe zu stärken?
Exo-Kreischer: Ja. Es ist wichtig zu sagen, dass es nicht nur staatliche Entwicklungszusammenarbeit gibt, sondern auch zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Hier kann man unterstreichen, dass beispielsweise die Spendenbereitschaft der Deutschen nicht unbedingt zurückgegangen ist. Wir sehen Angriffe auf die Entwicklungszusammenarbeit und hier und da auch Zweifler.
Aber die Deutschen stehen immer noch solidarisch mit anderen Menschen in der Welt und sind bereit, dafür auch Geld auszugeben. Das ist unglaublich wichtig, weil gerade die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren wichtig ist. Und dann kommt noch eine gewisse Verantwortung auf den Privatsektor zu. Unternehmen mit viel Geld müssen sich auch in diesen Bereich einbringen und private Stiftungen sind ebenfalls ein wichtiger Akteur.
BR24: Wie beurteilen Sie den momentanen Rückhalt in der Politik? Und was erwarten Sie von der künftigen Bundesregierung?
Exo-Kreischer: Wir versuchen uns darauf zu konzentrieren, staatliche Akteure davon zu überzeugen, dass das Steuergeld, das in die Entwicklungszusammenarbeit fließt, gut investiertes Geld ist. Aber es geht nicht nur ums Überzeugen, sondern auch ums Unterstützen, denn es gibt viele Politikerinnen und Politiker, denen das wichtig ist. Nur brauchen diese Leute Rückenwind. Und den versuchen wir zu generieren.
Ich glaube schon, dass Kanzler Scholz, dass Svenja Schulze, dass Robert Habeck und viele andere verstanden haben, wie wichtig es ist, in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Auch von der FDP hatten wir Politikerinnen und Politiker im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die mit Herzblut dabei waren, die zwar Reformen hier und da gefordert haben, aber generell die Entwicklungszusammenarbeit nicht infrage stellen.
Es bleibt natürlich abzuwarten, wer im neuen Bundestag sitzen wird, wie viele Vertreterinnen und Vertreter wir da noch haben werden, die wissen wollen, was für eine wichtige Investition das für Deutschland ist. Ich hoffe sehr, dass wir da Unterstützung im neuen Parlament haben werden.
BR24: Vielen Dank für das Gespräch.
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