Darum geht's:
- Die "Germanische Neue Medizin" (GNM) ist eine Pseudo-Medizin, deren Ideen seit den 1980er-Jahren verbreitet werden.
- Das Befolgen der GNM kann lebensgefährlich sein, weil sie zum Beispiel bei Krebs keine Behandlung vorsieht. Menschen sind gestorben, weil sie an die GNM geglaubt haben.
- Der Erfinder hat antisemitische und rechtsextreme Verschwörungserzählungen in die Ideologie der GNM eingebaut.
Circa eine halbe Million Menschen in Deutschland erhält jedes Jahr die Diagnose Krebs. Die Krankheit steht auf Platz zwei der häufigsten Todesursachen in der Bundesrepublik. Eine Krebserkrankung ist für viele Menschen ein schwerer Schicksalsschlag.
In solchen Situationen suchten viele Menschen nach Ursachen, sagt Birgit Hiller im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Hiller ist Biologin und arbeitet beim Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums.
"Was habe ich falsch gemacht? Warum ich?" Das seien Fragen, die sie bei ihren Beratungen für den Krebsinformationsdienst häufig höre, sagt Hiller. In dieser belastenden Situation versprechen manche Angebote scheinbar einfache Antworten.
Zum Beispiel die der sogenannten Germanischen Neuen Medizin (GNM), deren Anhänger ihre Inhalte im Jahr 2023 über viele Kanäle verbreiten: Ein deutscher Youtube-Kanal mit mehr als 100.000 Abonnenten, TikTok-Videos einer US-amerikanischen "Gesundheitseinrichtung" oder Webseiten mit Veranstaltungen in Deutschland.
"Germanische Neue Medizin" - ein pseudo-medizinisches Gedankenkonstrukt
Die Kernbehauptung der GNM ist: Krebs und alle anderen Krankheiten würden aufgrund eines emotionalen Schocks oder Konflikts entstehen. Die Ideen und Behauptungen, die in der "Germanischen Neuen Medizin" zu finden sind, entbehren jeglicher medizinischer Grundlage. Experten der Onkologie stufen die GNM als Pseudomedizin ein.
Das Konstrukt wurde vom deutschen Arzt Ryke Geerd Hamer (1935-2017) Anfang der 1980er-Jahre aufgestellt. Im Jahr 1986 verlor er seine ärztliche Zulassung, weil er seine Patienten nur noch mit den Methoden der GNM behandeln wollte. Hamer wurde in Deutschland, Österreich und Frankreich mehrmals zu Haftstrafen verurteilt.
Ryke Geerd Hamer dachte sich seine GNM ohne seriöse Forschung aus. Niemand lieferte jemals wissenschaftliche Beweise für diese Behauptungen. Der Glaube an die GNM kann lebensgefährlich sein. Ryke Geerd Hamer selbst nennt in Briefen die Zahl von 500 Krebspatienten, die in seiner "Behandlung" gestorben seien - in einem Zeitraum von fünf Jahren.
Weil die Behauptungen der GNM immer noch stark verbreitet werden, beschreibt der #Faktenfuchs die Entstehung und Ideen der GNM, ihre Gefährlichkeit, die Organisation der Anhänger. Außerdem geht es um einen scheinbaren Zusammenhang, an den auch viele andere Menschen glauben: psychische Belastungen und die Entstehung von Krebs.
Hamer entwickelte GNM im bayerischen Oberaudorf
Die Geschichte der "Germanischen Neuen Medizin" beginnt mit einem tragischen Ereignis: 1978 wurde Hamers Sohn durch einen Schuss schwer verletzt und starb infolgedessen. Hamer selbst erkrankte danach an Hodenkrebs. 1981 arbeitete Hamer in einer Krebsklinik in Oberaudorf im Landkreis Rosenheim. Seine angebliche "Entdeckung": Alle Krebspatienten hätten vor ihrer Krankheit ein Schockerlebnis gehabt - genau wie er. So schreibt er es in seinen verschiedenen Texten, zum Beispiel in einem Buch von 1987.
Kern von Hamers GNM ist deswegen: Krankheiten sind nicht biologisch bedingt, sondern sie werden von einem emotionalen Schockerlebnis verursacht. Hamer schreibt dazu, dass dieser Schock den Krebstumor wachsen lasse. Brustkrebs habe etwa meist einen Mutter-Kind-Konflikt als Ursache.
Diese scheinbar simple Verknüpfung findet bei manchen Menschen Anschluss. "Einfache Erklärungen sind immer attraktiv und einfache Lösungen sind noch attraktiver", sagt Birgit Hiller zur GNM. Die Deutsche Krebsgesellschaft, laut Eigenaussage größte deutsche wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Krebsforschung und -behandlung, bezeichnet die GNM als "gefährlich und unethisch".
Bei der sog. 'Germanischen Neuen Medizin' von Herrn Hamer handelt es sich um eine in der Biographie und Träumen von Herrn Hamer begründete Theorie ohne wissenschaftliche oder empirische Begründung. Nach heutigem Erkenntnisstand ist die zugrundeliegende Grundhypothese widerlegt. - Stellungnahme der Deutschen Krebsgesellschaft
GNM: Toter Sohn "enthüllte" sie dem Erfinder im Traum
Nicht nur Krebs, sondern "praktisch alle Erkrankungen" seien laut Hamer keine Zufälle oder Unfälle. Krankheiten seien Ausdruck und Effekt eines Programms, das sich auf einen bestimmten Schock und den folgenden Konflikt beziehe. So führe ein Konflikt des "Sich-Sträubens" zu Diabetes und alle psychischen Krankheiten seien "Spezialformen der Krebserkrankung".
Diese Erkenntnisse, schreibt Hamer, habe er nicht alleine herausgefunden, sein verstorbener Sohn habe sie ihm im Traum offenbart und bestätigt. Hamer bezeichnete die GNM als das "größte Göttergeschenk der Menschheitsgeschichte".
Es gibt zwar wissenschaftlich fundierte Hinweise darauf, dass psychische Belastungen oder Erkrankungen indirekt mit der Entstehung von Krebs in Zusammenhang stehen. Krebs direkt auslösen können sie nach aktuellem Stand der Wissenschaft aber nicht.
Die "Germanische Neue Medizin" gibt gefährliche Anweisungen
Die Ideen von Hamer werden dann lebensbedrohlich, wenn es um die vermeintliche Therapie geht, zum Beispiel bei Krebserkrankungen. Laut der "Germanischen Neuen Medizin" braucht es nämlich keine Behandlung mit Operation, Chemotherapie oder Medikamenten. Es gehe nur darum, den zugrundeliegenden Konflikt aufzulösen.
Eine weitere Form der Behandlung ist laut Hamer das Hören eines bestimmten Liedes, das Krebswachstum stoppe. Dieses Lied schrieb er eigentlich für seine Frau. Erst später habe er entdeckt, dass es "magische Fähigkeiten" und "Zauberkraft" habe.
Wenn Krebspatienten an die "Germanische Neue Medizin" glauben und sich infolgedessen nicht medizinisch behandeln lassen, zeigen Beispiele, dass sie in Lebensgefahr geraten oder sterben können.
Der bekannteste Fall ist Olivia Pilhar. 1995 erkrankte das damals sechsjährige österreichische Mädchen an Krebs. Ihre Eltern waren Anhänger Hamers, sie flohen mit ihrer Tochter aus Österreich, um sie vor medizinischer Behandlung zu "schützen". Am Ende wurde ihnen von den österreichischen Behörden das Sorgerecht entzogen und Olivia Pilhar ein inzwischen Fußball-großer Tumor entfernt.
Warum Hamers Ideen medizinisch falsch sind
Krebs entsteht, wenn sich Zellen im Körper unkontrolliert vermehren. "Grund sind meist Schäden am Erbgut dieser Zellen oder Fehler beim Ablesen der Erbinformation", schreibt der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums.
Ein Tumor entsteht, wenn Zellen sich anders als vorgesehen verhalten: Wenn sie wachsen und sich teilen, wenn sie eigentlich nicht sollten. Wenn sie nicht absterben, obwohl sie sollten. Oder wenn sie ihren vorgesehenen Platz im Körper verlassen. Der Tumor zerstört das angrenzende Gewebe und kann sich in andere Teile des Körpers ausbreiten.
Es gibt äußere Einflüsse, die Krebs begünstigen können. Dazu gehören der Lebensstil (Übergewicht, Rauchen), Umweltfaktoren (krebserregende Stoffe wie Asbest) und Krankheitserreger (HP-Viren erhöhen das Risiko für Gebärmutterhalskrebs). Ein weiterer Einfluss sind die Gene eines Menschen. "Manche Menschen haben ein erhöhtes Krebsrisiko, weil sich in allen Zellen ihres Körpers Veränderungen am Erbgut finden, die die Krebsentstehung fördern", schreibt der Krebsinformationsdienst.
Ein anderer wichtiger Faktor ist schlicht Zufall. Denn bei einer Zellteilung können Fehler einfach so entstehen, selbst wenn die Person keine anderen Risikofaktoren aufweist. Die Wahrscheinlichkeit für Krebs steigt mit dem Alter stark, schreibt die Weltgesundheitsorganisation WHO, höchstwahrscheinlich weil sich verschiedene Risiken akkumulieren und Reparaturmechanismen in den Zellen weniger wirksam sind.
Psychische Belastungen und Krebs: Was dazu bekannt ist
Es gebe keinen Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und der Entstehung von Krebs, sagt Anja Mehnert-Theuerkauf im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Mehnert-Theuerkauf ist Professorin für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Leipzig. "Die Studienlage ist, glaube ich, wirklich doch sehr, sehr robust, was diesen Faktor anbetrifft."
"Es gibt bisher nichts bis sehr wenig, was dafür spricht, dass Krebs durch Stress, durch ein Trauma, durch Depressionen oder auch durch eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur ausgelöst wird", sagt auch Birgit Hiller dem #Faktenfuchs.
Es gibt einige Studien, die der Frage nach einem möglichen Zusammenhang nachgehen. Bei knapp 90.000 dänischen Patienten wurde kein Beleg dafür gefunden, dass eine Depression alleine das Krebsrisiko erhöht. Bei 14.000 französischen Patienten wurde ebenfalls kein Beweis für einen Zusammenhang zwischen depressiven Symptomen und Krebs entdeckt.
In einer britischen Studie wurden die Brustkrebsfälle bei 106.000 Frauen erhoben. Die Krebsfälle wurden mit einem erhöhten Stresslevel und belastenden Lebensereignissen wie Todesfälle im nahen Umfeld, Scheidung, schwere Krankheit oder Jobverlust abgeglichen. Das Ergebnis: Es gab keine belastbaren Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Krebs und den Ereignissen.
Eine Meta-Studie aus 2023 fasste die Daten von 18 verschiedenen Patientengruppen mit insgesamt knapp 320.000 Personen zusammen, bei denen Symptome von Depression oder Angststörung auftraten oder diese Krankheiten diagnostiziert wurden. Außerdem war in den Daten enthalten, ob die Personen an Krebs erkrankten. Die Wissenschaftler folgerten, dass eine Depression oder eine Angststörung nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko einherging, mit einer Ausnahme: Krebsarten, die mit Rauchen zusammenhingen. Zu dieser möglichen Verknüpfung zwischen psychischer Belastung und Lebensstil später mehr.
Es gibt auch Studien mit vielen Probanden, die eine Korrelation zwischen psychischer Belastung und erhöhtem Krebsrisiko beschrieben, zum Beispiel bei Depressionen und Angststörungen, Arbeitsstress oder nur Depressionen.
Korrelation bedeutet aber nicht Kausalität, es kann sich ebenso um einen zufälligen oder indirekten Zusammenhang handeln. Bei diesen Studien wurde bei den untersuchten Personen mit psychischen Belastungen ein erhöhtes (Todes-)Risiko für bestimmte Krebsarten gefunden. Allerdings ist dies noch kein Beweis, dass psychische Belastung Vorgänge im Körper auslöst, die Krebs begünstigen. Die vom #Faktenfuchs befragten Expertinnen verweisen auf eine andere mögliche Erklärung.
Indirekter Einfluss durch Verhaltensänderung ist möglich
Es gebe für manche Menschen eventuell einen indirekten Zusammenhang zwischen psychischen Belastungen und Krebs, sagt die medizinische Psychologin Mehnert-Theuerkauf: Wenn die Personen ihr Verhalten ändern. "Wenn jemand depressiv ist, raucht er vielleicht mehr, trinkt er vielleicht auch mehr, hat weniger Sozialkontakte, die das Stressniveau regulieren können. Er isst vielleicht auch ungesünder und bewegt sich weniger", sagt sie.
Auch Birgit Hiller vom Krebsinformationsdienst sagt, dass es einen "unbestrittenen" indirekten Zusammenhang gebe: "Wenn man durch Stress, durch Depressionen oder während einer langen, belastenden Lebensphase einfach nicht gesund lebt. Wer Stress mit Zigaretten und Alkohol bekämpft, hat ein höheres Krebsrisiko."
Psychische Belastungen oder erschütternde Lebensereignisse könnten noch auf anderem Wege eine Rolle spielen, sagt Hiller: Nämlich falls jemand sich aufgrund dessen nicht aufraffen könne, zur Früherkennung oder anderen Untersuchungen zu gehen. Dann könne das dazu führen, dass Krebs gar nicht oder erst zu spät erkannt oder ungenügend behandelt werde, sagt Hiller. Wer den Tod seines Kindes betrauere, habe vielleicht anderes im Kopf, als ein Muttermal auf Hautkrebs-Gefahr hin abklären zu lassen.
Trotz der Sachlage: Der Glaube, dass seelische und psychische Probleme Krebs bedingen, ist in Deutschland weit verbreitet. In einer repräsentativen Umfrage des Krebsinformationsdienstes aus 2017 wurden gut 2.000 Personen befragt. 61 Prozent davon stimmten der Aussage zu "Seelische Probleme und Stress verursachen Krebs", obwohl es keinen erwiesenen direkten Zusammenhang gibt.
Organisation der GNM: Keine Gruppe, eher Szene
Die Anhänger der GNM verbreiten ihre Ideen heutzutage im Internet und kommen in Facebook-Gruppen oder Kanälen auf dem Messenger-Dienst Telegram ins Gespräch. Diese Gruppen und Kanäle haben meist mehrere Tausend, teils mehr als 10.000 Mitglieder. Gleichzeitig veranstalten die Anhänger der GNM aber auch persönliche Treffen oder öffentliche Vorträge. In Deutschland gibt es mehrere "Studienkreise", bei denen die GNM vorgestellt und besprochen wird.
Matthias Pöhlmann ist Weltanschauungsbeauftragter der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. Er sieht keine gruppenähnlichen Strukturen mit Hierarchie oder einem klaren Ziel. Er beschäftigt sich mit Bewegungen wie der GNM, zu der er auch schon geforscht hat.
"Ich kann da noch keinen ganz starken Zusammenschluss oder einen Organisationsgrad entdecken", sagt er. Die GNM könne sich aber leicht weiterverbreiten bei bestimmten Personengruppen und dort Anschluss finden: Bei Heilpraktikern, bei rechten Esoterikern bis hin zu Gruppierungen wie der Anastasia-Bewegung, die vom Verfassungsschutz in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird. Bei rechtsextremen Gruppen werde die GNM als "ursprüngliche" Medizin dargestellt, sagt Pöhlmann.
Die GNM-Szene wirbt auch in anderen Bereichen, in der "Mitte der Gesellschaft", wie Pöhlmann sagt. Er berichtet von einem Fall an einer Münchner Musikschule, wo eine Heilpraktikerin einen Vortrag zu den Thesen Hamers gehalten habe.
Klassifikation der GNM: Alternativmedizin, Esoterik oder Verschwörungserzählung?
Die Methoden der "Germanischen Neue Medizin" sind grundsätzlich nichts komplett Neues. Alternative Angebote jenseits der Medizin, die Wahrheit und Heilung versprechen, habe es schon immer gegeben, sagt Matthias Pöhlmann, der Weltanschauungsbeauftragte der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern.
"Das hat die evidenzbasierte Medizin schon immer begleitet, dass es neben esoterischen Heilungs-Offerten auch naturheilkundliche, volkskundliche Methoden und Bereiche gegeben hat. Denken wir nur auch an die Homöopathie", sagt Pöhlmann. Die Klassifizierung der "Germanischen Neuen Medizin" sei trotzdem nicht ganz einfach. "Sie ist unheimlich anschlussfähig an rechts-esoterisches, verschwörungsideologisches Gedankengut", sagt Pöhlmann.
Ryke Geerd Hamer mischte im Lauf der Jahre antisemitische Verschwörungserzählungen in das Weltbild seiner Pseudo-Medizin. Er behauptete, Juden würden die GNM nur für sich einsetzen und anderen vorenthalten.
Die Chemotherapie gegen Krebs sei eine Erfindung der Juden, mit der sie einen Genozid an Nicht-Juden verüben würden, behauptete Hamer. Das Motiv einer weltweiten geheimen Verschwörung von Juden, um andere Menschen zu schädigen, ist ein jahrhundertealter antisemitischer Verschwörungsmythos. Eine Chemotherapie - die Entwicklung geht auf den Mediziner Paul Ehrlich zurück - ist eine "der zentralen Säulen der Krebstherapie", schreibt die Deutsche Krebsgesellschaft. Damit sollen Tumore am Wachsen gehindert werden.
Hamer war Holocaust-Leugner und Anhänger von Reichsbürger-Thesen. Er hielt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland für illegitim, Ausgangspunkt für eine neue Verfassung solle ein antidemokratisches, rechtsextremes, verschwörungsideologisches Narrativ sein, schreibt Matthias Pöhlmann in seinem Buch "Rechte Esoterik". 2006 äußerte Hamer, dass er bereit wäre, für das Amt des Reichspräsidenten eines zukünftigen Deutschen Reichs zu kandidieren.
Die Suche nach dem "Warum?" - deswegen glauben Menschen an die GNM
"Wir erleben eine enorme Pluralisierung der Angebote, eine hochkomplexe Welt. Vielen macht auch diese Komplexität zu schaffen", sagt Theologe Matthias Pöhlmann. Manche Menschen verstünden die moderne Medizin nicht. "Und diese große Unübersichtlichkeit verleitet viele Menschen dazu, wirklich nach einfachen Lösungen Ausschau zu halten", sagt Pöhlmann.
Die GNM-Befürworter eine der pseudo-medizinische Aspekt, meint Pöhlmann. Es seien Menschen mit Vorbehalten gegenüber der evidenzbasierten Medizin. Kranke Menschen, die nach dem letzten Strohhalm greifen. Menschen mit Angst vor Krebserkrankungen.
Wie mit Angehörigen/Betroffenen sprechen?
"Die Suche nach einer Ursache, nach einem Auslöser, ist eigentlich ganz normal", sagt Birgit Hiller vom Krebsinformationsdienst. Hiller hat deswegen einen Rat für Angehörige und Bekannte von Krebspatienten. Der gut gemeinte Spruch "Du musst positiv denken" sei nicht hilfreich. Das suggeriere, dass der oder die Kranke bisher "falsch gelebt, falsch gefühlt, falsch gedacht" habe. Wenn eine Erkrankung womöglich fortschreite oder bei einem Rückfall würde dem Betreffenden impliziert: Du hast dich nicht richtig angestrengt.
Wenn eine Person schon an die GNM glaube, dann gebe es kein "Patentrezept" für sein Umfeld, sagt Matthias Pöhlmann. "Aber das Wichtigste ist zunächst mal versuchen, unbedingt Kontakt zu halten, im Gespräch zu bleiben, vielleicht auch versuchen, kritische Informationen zur GNM zu vermitteln." Falls noch Gespräche möglich seien, könne man auf die problematischen Elemente der GNM hinweisen und die dadurch verursachten Todesfälle. Angehörige und Betroffene eines GNM-Gläubigen sollten sich Beratung und Hilfe bei Beratungsstellen wie staatlichen Einrichtungen oder den Kirchen holen, rät Pöhlmann.
Fazit
Für die pseudo-medizinischen Ansichten der "Germanischen Neue Medizin" (GNM) gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Die "Behandlungsempfehlungen" für Krebs lauten, auf eine medizinische Therapie zu verzichten, emotionale Konflikte aufzulösen und Musik zu hören. Das kann lebensgefährliche Folgen haben.
Kern-Behauptung der GNM ist, dass emotional belastende Erlebnisse Auslöser für Krebs und alle anderen Krankheiten seien. Viele Menschen in Deutschland nehmen an, dass psychische Belastungen Krebs auslösen können. Es gibt aber keine Hinweise auf einen direkten Zusammenhang, sagen Wissenschaftlerinnen und Mediziner. Was unbestritten ist: Falls es infolge von psychischen Belastungen zu ungesunden Verhaltensänderungen, wie erhöhtem Rauchen oder Alkoholkonsum, kommt, kann dies das Krebsrisiko erhöhen.
Hinweis: Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums beantwortet Betroffenen und Angehörigen kostenlos Fragen per Telefon oder Mail. Sollten Sie Hilfe brauchen, weil Personen aus Ihrem Umfeld sich problematischen oder Sekten-ähnlichen Gruppen anschließen, dann gibt es dafür staatliche und kirchliche Beratungsstellen. Auch Aussteiger können sich dort melden.
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