Der Sachverständigenrat "Gesundheit und Pflege" hat ein Gutachten zum Thema Fachkräfte im Gesundheitswesen an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) übergeben. Die Expertenrunde warnt davor, dass sich der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren verschärfen wird und fordert grundlegende Veränderungen.
Lauterbach geht davon aus, dass schon jetzt 5.000 Hausarztpraxen unbesetzt sind. Hinzukomme, dass etwa 50.000 Ärzte fehlten, die in den vergangenen Jahren nicht ausgebildet wurden.
Deutsches Gesundheitswesen "brutal umständlich" organisiert
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland zwar – verglichen mit anderen Ländern – viele Menschen im Gesundheitsbereich arbeiten. Trotzdem sei die Situation in Krankenhäusern oder Arztpraxen angespannt. Immerhin gebe es hierzulande etwa 1,2 Millionen Menschen in der Krankenpflege, etwa 700.000 in der Altenpflege, etwa 700.000 medizinische Fachangestellte und ungefähr 500.000 Ärzte.
Der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Michael Hallek, sagte: "Wir sind brutal umständlich organisiert in Deutschland". Deswegen würde viel Geld verbrannt und Fachkräfte seien überlastet. Der Sachverständigenrat sieht beispielsweise ein Problem darin, dass in Deutschland viele Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern behandelt werden.
Grund für die vielen Klinikbehandlungen in Deutschland sind demnach nicht nur die zahlreichen Älteren mit mehreren Krankheiten. Kliniken würden vielmehr auch "fehlende Versorgungsmöglichkeiten in anderen Bereichen" ausgleichen. Die Gutachter empfehlen künftig mehr auf ambulante Versorgung zu setzen und auf eine Betreuung per Telefon und Videoschalten.
Zu wenig Studienplätze in der Medizin
Für das Fehlen zehntausender Ärzte machte Lauterbach mangelnde Vorsorge verantwortlich. "Wir haben die letzten zehn Jahre ungefähr 5.000 Medizinstudienplätze zu wenig gehabt - also pro Jahr." Durch eine zunehmende Zahl von ausländischen Ärzten habe der Mangel bisher weitgehend kompensiert werden können. Laut Bundesärztekammer erreichte die Zahl der Medizinerinnen und Mediziner ohne deutsche Staatsangehörigkeit vergangenes Jahr mit knapp 64.000 eine neue Höchstmarke. Doch nun konkurriere Deutschland zunehmend mit anderen Ländern, so Lauterbach. "Das wird so nicht weitergehen können."
Für Lauterbach ist damit klar, dass es in Zukunft zu wenig Pfleger und Ärztinnen geben wird, um die bisherigen Strukturen aufrecht zu erhalten. Denn heute landet laut den Gutachtern jeder zweite Patient einer Notaufnahme am Ende stationär im Krankenhaus. International ist das sehr viel.
Notfallzentren sollen unnötige Krankenhausaufenthalte verhindern
Da trifft es sich, dass Lauterbach seine Notfallreform "noch vor der Sommerpause" auf den Weg bringen will, wie er ankündigte. Sie sieht vor, dass Hilfesuchende bereits am Telefon oder vor Ort im Krankenhaus verstärkt in eine nahe Praxis geschickt werden. Die Notaufnahmen sollen künftig in neue Notfallzentren aufgehen, zu denen auch ambulante Notdienstpraxen in der Nähe gehören sollen. Der Hamburger Forscher Jonas Schreyögg sieht in weniger Belegungstagen in den Kliniken sogar den Schlüssel für Verbesserungen. Sonst würden dort so viele Medizinerinnen und Mediziner sowie Pflegekräfte gebraucht, dass sie insgesamt fehlten.
In der Pflege sollen laut Lauterbach künftig gleich mehrere Gesetze helfen, den Beruf attraktiver zu machen. Bei den Hausärzten solle unter anderem die angekündigte Befreiung von strikten Budgets bei der Vergütung der Behandlungen für eine Entlastung sorgen. Digitalisierung solle Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften Zeit sparen, die heute für Dokumentation draufgeht. Telemedizin solle verstärkt zum Einsatz kommen. Vorbeugung vor Schlaganfällen und Herzinfarkten solle stark ausgebaut werden. Und vor allem verwies Lauterbach auf die geplante große Krankenhausreform: Standorte würden abgebaut, Versorgung werde konzentriert.
Den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen bezeichnete Lauterbach als ein Kernproblem. Vor allem um die Generation der Babyboomer, die jetzt zunehmend in Rente geht, in Zukunft gut medizinisch versorgen zu können.
Mit Informationen von dpa.
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