Pflegeschülerin Isabel sitzt auf einer Couch neben einer alten Frau und hält ihre Hand
Bildrechte: Heilig-Geist-Stift Dillingen
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Pflegeschülerin Isabel bei ihrer Arbeit im Seniorenheim.

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Tour de Care soll zeigen: "Pflege ist mehr als nur waschen!"

Tour de Care soll zeigen: "Pflege ist mehr als nur waschen!"

Mehr Menschen für die Arbeit in der Pflege zu gewinnen. Das ist das Ziel einer Aktion im Landkreis Dillingen. Die Teilnehmenden sollen exklusive Einblicke in den Beruf bekommen. Die Pflegenden wollen so auch Vorurteile aus dem Weg räumen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

"Ja, ich habe schon öfter gesagt, ich liebe meinen Beruf", sagt Pflegeschülerin Isabel Ramich. Sie ist im dritten Ausbildungsjahr in der Dillinger Pflegefachschule. Ihre Ausbildungseinrichtung ist das Heilig-Geist-Stift, ein Seniorenheim in Dillingen. Aufräumen will die junge Frau vor allem mit einem Vorurteil: "Es heißt immer, wir müssen immer nur waschen. Aber die Arbeit ist viel mehr. Man ist ja aktiv bei den Bewohnerinnen und Bewohnern, wir behandeln sie, machen sie wieder gesund. Das macht mir Freude."

"Tour de Care" soll Einblicke in Krankenhäuser und Seniorenheime geben

Um das zu vermitteln, ist sie bei der "Tour de Care" in Dillingen mit am Start. Ihre Arbeitsstelle, das Heilig-Geist-Stift, ist eine Station für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dort wird die Auszubildende gemeinsam mit anderen Azubis und ihrer praktischen Ausbilderin im Heim, ihrer Praxisanleiterin, zeigen, wie ihr Arbeitsalltag aussieht. Dabei will sie noch mit einem weiteren Vorurteil aufräumen: Viele fürchteten hohe körperliche Belastungen, etwa wenn man Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Bett heben müsse. Hierfür aber gibt es Hilfsmittel, die das sehr erleichtern. Das wird vor Ort gezeigt.

Menschen werden immer älter - zu wenig Pflegefachkräfte kommen nach

Das Ziel der Tour ist es, mehr Menschen für die Arbeit in der Pflege zu gewinnen. Der Fachkräftemangel in dem Bereich ist groß: Laut einer aktuellen Studie der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) (externer Link) wird vermutlich noch vor 2030 der Punkt erreicht, an dem in diesen Berufen weniger Menschen neu ausgebildet werden, als aus Altersgründen ausscheiden. Gleichzeitig steige der Anteil der Menschen über 75 in der Gesellschaft deutlich an. 2022 waren dem VdPB zufolge in Bayern 604 Menschen mit einer Ausbildung in der Krankenpflege arbeitslos gemeldet, die Arbeitslosenquote lag bei 0,49 Prozent. Dem standen 2.999 offene Stellen gegenüber.

Gehalt und Arbeitszeiten haben sich verbessert

Dabei habe sich vieles verbessert in ihrem Beruf, betont Alla Schander, Pflegedienstleiterin im Dillinger Heilig-Geist-Stift. Die Arbeitszeiten seien flexibler geworden, man könne sich das so einrichten, dass es gut mit der Familie vereinbar sei. Auch die Bezahlung sei viel besser geworden. Je nach Dauer der Berufszugehörigkeit, Stelle und Ausbildung liegt das Bruttojahresgehalt in der Pflege im Schnitt zwischen 30.000 und 50.000 Euro. "Auch das wird so meist anders kommuniziert", sagt sie. Sie würde den Beruf jederzeit wieder erlernen. Natürlich sei es auch mal stressig und anstrengend. Aber eben auch schön: "Man bekommt so viel zurück von den Bewohnerinnen und Bewohnern. Sie sind dankbar. Deshalb wäre es sehr schön, wenn gerade junge Menschen in diese Richtung denken würden", sagt sie.

Dennoch gibt es zu wenig Pflegekräfte. Zwar beginnen im Landkreis Dillingen jedes Jahr 60 bis 70 Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung. Aber nicht alle werden später als volle Pflegekraft arbeiten. Viele kämen nach dem Erziehungsurlaub nur in Teilzeit zurück. Und, sagt die Leiterin der Wertinger Pflegeschule Angelika Wolf weiter, einige Schülerinnen und Schüler würden auch abgeschreckt, weil sie auch an freien Tagen immer wieder angerufen würden, um auszuhelfen. Das sei eine Belastung. Gäbe es ausreichend Pflegekräfte, würde das weniger häufig vorkommen.

Reinschnuppern, ausprobieren, Fragen stellen

Um potenzielle neue Pflegekräfte über all das zu informieren, wurde die "Tour de Care" ins Leben gerufen. Organisiert hat sie unter anderen Martina Meitinger vom Pflegestützpunkt im Landkreis Dillingen. Man wolle den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit geben, ganz unverbindlich in die Einrichtungen "reinzuschnuppern" und ihnen so einen Einblick in die beruflichen Möglichkeiten im Bereich Krankenhaus (Akutpflege) und Seniorenheime (Langzeitpflege) zu geben, so Meitinger.

Haltepunkt sind die Krankenhäuser im Landkreis, Seniorenheime sowie ein Sanitätshaus. Es gibt eine Rallye, die durch die beiden Krankenhäuser und dabei auch in Räume führt, in die man sonst nicht so leicht reinkommt. Vieles darf auch ausprobiert werden, etwa wie man einen Treppenlifter anwendet. Dazu gibt es Informationen zum Ablauf der Ausbildung, zur Bezahlung und zu Arbeitszeitmodellen. Dabei gehe es nicht nur um die Ausbildung zur Pflegefachkraft, betont Andreas Frech, Pflegedienstleiter am Krankenhaus in Dillingen. Es gebe so viele Bereiche, in denen man arbeiten könne, nicht nur am Patienten direkt, auch in der Küche, in der Wäscherei, in der Technik oder der Verwaltung. Vertreter der Pflegeschulen im Landkreis werden ebenfalls vertreten sein und Einblicke geben.

Generalistische Pflegeausbildung: Das "Ganzheitliche" wird gelobt

Wer Pflegefachfrau oder Pflegefachmann werden will, muss drei Jahre lang die "generalistische Pflegeausbildung" durchlaufen. Die gibt es in dieser Form erst seit vier Jahren. Zuvor musste man sich vor Beginn der Ausbildung entscheiden, was genau man später machen möchte. Also etwa, ob man lieber im Seniorenheim oder im Krankenhaus arbeiten will. Heute werden die Schülerinnen und Schüler in allen Fachrichtungen ausgebildet, etwa auch in der Kinderpflege oder Psychiatrie, sie müssen sich erst später spezialisieren.

Anfangs gab es viele Kritiker: Die Ausbildung sei zu oberflächlich, wenn in drei Jahren gleich mehrere Berufe erlernt würden, hieß es da. Auch Hannelore Muras, eine langjährige Pflegefachkraft, die am Heilig-Geist-Stift für die Ausbildung der Azubis zuständig ist, gibt zu: Das sei "gewöhnungsbedürftig" gewesen, man habe sich "total umstellen" müssen.

Heute aber sieht sie viele Vorteile. Die Azubis brächten medizinisches Wissen aus dem Krankenhaus mit ins Seniorenheim, könnten andersherum aber auch vom Pflegeheim etwas mitnehmen, wie den intensiven persönlichen Umgang mit den Menschen. "Das Ganzheitliche, das finde ich klasse", sagt Bohlenbach. "Früher hieß es im Krankenhaus oft so: 'ach Altenpflege' - und andersherum genauso. Jetzt löst sich das langsam auf." Es sei ein respektvoller Umgang miteinander da, das sei für sie das Schöne daran.

Wissen über und Leidenschaft für den Beruf vermitteln

Bei der Tour de Care soll etwas von dieser Freude am Beruf überspringen auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch Pflegeschüler Fadi Abdallah will dazu einen Beitrag leisten. Er kam 2017 aus Syrien, war dort Journalist. In Deutschland habe er schnell arbeiten wollen. Eine Stelle als Pflegehelfer bot sich an. Weil ihm die Arbeit so gut gefiel, wollte er mehr machen dürfen, absolviert deshalb jetzt die Ausbildung zum Pflegefachmann. Sein Ziel sei, dass sich die Bewohner wohlfühlen: "Wenn es ihnen gut geht, dann geht es auch mir gut", sagt er. Nach der Ausbildung will er im Heilig-Geist-Stift weiterarbeiten und sagt "Wir sind hier eine Familie. Das ist nicht nur eine Arbeit, sondern auch eine Heimat für mich".

Treffpunkt für die Tour de Care ist am Samstag um 9 Uhr am Dillinger Krankenhaus. Die Nachtmittagstour beginnt um 14 Uhr am Seniorenheim St. Clara in Wertingen. Wer teilnehmen will, kann sich bis Samstag (16.03.), 8 Uhr, beim Krankenhaus Dillingen (Andreas Frech, Tel. 09071/578016 oder andreas.frech@khdw.de) anmelden.

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