Kirsten Fehrs ist zur Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt worden. Sie soll in den kommenden drei Jahren die rund 18,6 Millionen deutschen Protestanten repräsentieren.
Bei der Tagung des Kirchenparlaments in Würzburg erhielt sie 97 der insgesamt 130 abgegebenen Stimmen und kam damit über die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. 19 Wahlberechtigte enthielten sich, 14 stimmten gegen Fehrs. Ein "stabiles Ergebnis" nannte es Fehrs selbst. Es gebe ihr "genügend Rückenwind". Der sächsische Landesbischof Tobias Bilz ist zum stellvertretenden Ratsvorsitzenden gewählt worden.
Fehrs bereits kommissarisch im Amt
Nach dem Rücktritt von Annette Kurschus im vergangenen Jahr übte Fehrs das Amt bereits kommissarisch aus. Kurschus hatte mit ihrem Rücktritt auf Vorwürfe reagiert, mit einem Missbrauchsfall falsch umgegangen zu sein.
Kirsten Fehrs: Seit 13 Jahren Bischöfin
Fehrs stammt aus dem Westen Schleswig-Holsteins. Schon als Jugendliche habe sie sich in der Kirchengemeinde engagiert – geprägt – wie sie sagt - von progressiven Pastoren. In Hamburg studierte sie Theologie und wurde 1990 zur Pastorin ordiniert. 2011 übernahm Fehrs das Bischofsamt im Sprengel Lübeck und Hamburg. Ihre Vorgängerin Maria Jepsen war wegen eines Missbrauchsskandals in Ahrensburg zurückgetreten. Kirsten Fehrs machte sich an die Aufarbeitung, der Prozess verlief aber nicht konfliktfrei. So wurde sie von Betroffenen auch kritisiert, dass es ihr letztlich um den Ruf der Kirche gehe.
2021 wurde Kirsten Fehrs zur stellvertretenden EKD-Ratsvorsitzenden gewählt. Zwei Jahre später rückt sie an die Spitze, weil Annette Kurschus das Amt niederlegte. Seitdem steht Fehrs dem 15-köpfigen Rat der EKD vor. Dieser Rat leitet die EKD in allen wichtigen Angelegenheiten und gilt als öffentliche Stimme der evangelischen Kirche. Die EKD ist der Zusammenschluss aller 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland.
Thema sexualisierte Gewalt überschattet die Wahl
Das Thema Missbrauch lässt sie nicht los: Bei der diesjährigen EKD-Synode wurde ein Maßnahmenplan vorgestellt, um Missbrauchsfälle besser aufzuklären und Prävention zu stärken.
Am Vortag ihrer Wahl waren Vorwürfe auf der Synode laut geworden, Fehrs habe sich bei der Aufarbeitung von Missbrauch in der Nordkirche nicht korrekt verhalten. Direkt nach der Wahl reagierte Fehrs darauf: "Ich habe erlebt, dass die Wut von Betroffenen groß sein kann. Zugleich habe ich gelernt, nicht jeden Vorwurf persönlich zu nehmen sondern Betroffenen mit Empathie zu begegnen."
In ihrer kurzen Rede nach ihrer Wahl versprach sie, sich weiter für Aufarbeitung einzusetzen. "Mit Mut nach vorn ausgerichtet" wolle sie ihr Amt angehen: "Die nächsten Jahre werden uns viel abverlangen." Fehrs betonte, dass es wichtig sei, bei der Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt nicht nachzulassen.
Glückwünsche von katholischer Seite
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, gratulierte Fehrs: "Was Du in den zurückliegenden zwölf Monaten schon in eindrucksvoller und stets von einem tiefen ökumenischen Geist geprägten Arbeit übernommen hast, führst Du jetzt fort." Er freue sich auf die Zusammenarbeit.
Im Video: Die neue Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs im Interview
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